Schwesternherzen und ein unsichtbarer Hund. Ein leicht frivoler Familienroman - Viola Eigenbrodt

  • Viola Eigenbrodt: Schwesternherzen und ein unsichtbarer Hund. Ein leicht frivoler Familienroman, Leonberg 2020, Independently published, ISBN 979-8686157545, 160 Seiten, Softcover, Format: 12,7 x 1,02 x 20,32 cm, Buch: EUR 10,78, Kindle: EUR 2,99.


    Bei der ersten Tochter waren der Latein- und Griechischlehrer Herbert Habrecht und seine Frau Vera noch euphorisch und nannten sie Chrysantis, „die Goldene“ – auch wenn das Kind brünett war. Bei der zweiten Tochter waren sie dann schon bodenständiger und gaben ihr den Namen Eva.


    Jetzt sind die Schwestern Mitte 40 – und so wie die Namen sind auch die Damen: Chrysantis ist egozentrisch und mondän, glücklich geschieden und eine erfolgreiche Texterin in einer Hamburger Werbeagentur. Die konservativere blonde Eva ist nach diversen beruflichen Irrwegen Erzieherin geworden. Sie hat eine 13-jährige Tochter von einem ehemaligen Studienkollegen, der längst wieder in Marokko lebt und mit einer anderen Frau verheiratet ist. Sie selbst hat nie geheiratet.


    Geschwisterrivalität mit Mitte 40

    Die Konkurrenzkämpfe aus Kindertagen sind noch immer nicht ausgestanden. Die zwei Schwestern sind sich spinnefeind. Keine will so sein wie die andere, ständig betonen sie, wie verschieden sie sind. Als Leserin weiß man nicht so recht, wovon sie reden, weil man jede Menge Gemeinsamkeiten entdeckt. Eva als die Jüngere und beruflich nicht so Erfolgreiche bietet natürlich mehr Angriffsfläche als die wohlhabende Karrierefrau Chrysantis, aber an Biestigkeit und Gemeinheit nehmen sich die zwei nicht viel.


    Das ist so lange kein Problem, wie Chrysantis in Hamburg und Eva in Freiburg lebt und sie kaum Berührungspunkte haben. Dann stirbt der Vater der beiden – die Mutter lebt schon lange nicht mehr –, und sie erben das Elternhaus. Bereits das Sichten der Papiere und des übrigen Nachlasses artet in einen gewaltigen Zickenkrieg aus, der für die Leserinnen sehr amüsant ist. Mittendrin stecken möchte man allerdings nicht.


    Was tun mit dem geerbten Haus?

    Was tun mit dem Erbe? Am einfachsten wäre es, das Objekt zu verkaufen und den Erlös zu teilen, aber es stellt sich heraus, dass beide Schwestern gerne in ihrem Elternhaus wohnen würden. Soll jetzt eine die andere auszahlen? Oder können sie sich trotz ihrer Differenzen eine Schwestern-WG mit Tochter/Nichte Mimi vorstellen? Wohl kaum!


    Jetzt kommt einiges ans Licht ...

    Das Elternhaus, in dem die Schwestern sich für die Abwicklung der notwendigen Angelegenheiten provisorisch einquartieren, birgt viele Erinnerungen, auch an vergangene Ungerechtigkeiten und Verletzungen. Da bleibt es nicht aus, dass Eva und Chrysantis auch abseits von ihren Sticheleien und Gemeinheiten (und einer handfesten Rauferei) miteinander ins Gespräch kommen.


    Es kommt einiges ans Licht, das sie voneinander bisher nicht gewusst haben. Und sie stellen erstaunt fest, dass sie gar nicht so verschieden sind, wie sie immer geglaubt haben. Kann es sein, dass sie einander als erwachsene Frauen gar nicht richtig kennen, weil sie immer noch die Bilder aus ihrer Kindheit im Kopf haben?



    Giftspritzen mit Geheimnissen

    Es ist schon sehr vergnüglich, wie sich die zwei Giftspritzen ihre Rededuelle liefern und sich selbst und andere in schrecklich peinliche Situationen bringen. Die Schwestern kennen ja keine Tabus! Aber SCHWESTERNHERZEN ist keine von diesen klamaukigen Familienkomödien, die man, besetzt mit wild gestikulierenden und augenrollenden Schauspieler*innen, oft im Fernsehen sieht. Denn wenn man hinter all die wohlgehüteten Geheimnisse blickt, entdeckt man Geschichten von unglücklichen und gescheiterten Beziehungen, dysfunktionalen Familien und traurigen Schicksalen. Den Vorfall mit dem Onkel fand ich tragisch und die Ehe der Habrecht-Eltern war wohl auch der Hölle näher als dem Himmel.


    Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich hier eine Komödie gelesen habe. Eher einen Roman mit zwei temperamentvollen, gnadenlosen und ein bisschen überkandidelten Heldinnen. Die zwei sind nicht auf Anhieb liebenswert, aber je mehr man über sie erfährt, desto mehr Verständnis entwickelt man für sie. Man könnte mit Fug und Recht sagen, es sind zwei böse Weiber – aber ich mochte sie beide.


    Das Haus als „Katalysator“

    Fast so wichtig wie die Personen war für mich das alte Haus. Ich konnte mir anhand der Beschreibungen den verwohnten Zustand mit dem zusammengewürfelten Mobiliar sehr gut vorstellen ... sogar den Geruch. Wenn sich da seit der Kindheit der beiden Schwestern nichts verändert hat, außer dass es immer mehr herunterwirtschaftet wurde, hat das natürlich viele Erinnerungen geweckt und diese Geschichte erst möglich gemacht.


    Die Autorin

    Viola Eigenbrodt ist Journalistin, Dozentin für Kreatives Schreiben und Schriftstellerin. Mit ihrer Familie hat sie einige Jahre in Meran gelebt und gearbeitet. Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Beim Blick ins Grüne hat sie Ruhe zum Schreiben

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    ASIN/ISBN: B08J21KYZP

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner