Andreas Wagner - Jahresringe

  • Leonores Familiengeschichte wird euch beeindrucken


    Heimat ist da wo man Wurzeln schlagen kann, so oder so ähnlich würde es wohl Leonore sagen, denn das musste sie schon viele Male. Neu Wurzelnschlagen. Als Flüchtling aus dem Osten kam sie in einem kleinen Ort, nur mit dem an was sie am Leibe trug. Dabei läuft sie dem hiesigen Bäcker quasi direkt in die Arme und dann hinterher. Intuitiv erkennt sie einen wirklich herzensguten Menschen. Er nimmt sie auf und bringt ihr das Bäckerhandwerk bei. Hannes und seine Mutter nehmen die blutjunge Leonore bei sich auf und über die Jahre wird sie mehr und mehr ein Teil ihrer kleinen Familie. So das Hannes ihr, wie seine Mutter zuvor ihm das Geschäft überschrieb. Doch die Mehrheit im Dorf lässt sie spüren, dass sie eine dahergelaufene ein Flüchtling ist. Als sie dann auch noch Schwanger wird und einen gesunden Jungen Paul zur Welt bringt, ist die Dorfgemeinschaft in heller Aufregung. Und die Frauen beschauen sich den kleinen Paul sehr genau wehe der eigene Ehemann ist der Vater von diesem Balg. Als kurz darauf ihr alter Freund Hannes plötzlich verstirbt steht sie ganz alleine da und muss sich und ihren Sohn mit der Bäckerei über Wasser halten. Das kleine Dorf wächst weiter. Doch Kohleunternehmen sieht nur die Braunkohle unter diesem Dorf und will das Dorf umsiedeln und den Wald dem Erdboden gleich machen. Leonore ist mittlerweile alt geworden und zieht ihren letzten Trumpf. Sie sagt den Vertretern, dass sie ihre Bäckerei ihren Sohn am 18. Geburtstag übergehen wird, der mittlerweile seine Bäckerlehre absolviert hat. Das Dorf wird abgerissen und Paul bleibt nichts weiter übrig als das Angebot anzunehmen. Doch damit ist nicht nur ein Umzug verbunden sondern auch seine Verschuldung und eine Arbeit bei dem Energieunternehmen. Er heiratet, beikommt Kinder, seine Frau lässt sich scheiden. Und eines Tages fängt Paul und seine mittlerweile erwachsenen Kinder nachzudenken, Auslöser war der Suizid der schwerkranken Leonore.


    Der Autor schafft es den Leser in eine andere Zeit zu führen. Man sieht und fühlt ja kann die Vergangenheit förmlich einatmen. Er schafft es, dass sich der Leser fast als gute Freundin der Familie fühlt, da man die Familie über viele Generationen begleitet.


    Der Generationenroman ist in 3 Teile unterteilt. Da währe zum einen der erste Teil indem Leonere im Dorf ankommt und wie sie sie dort einlebt und eben auch das Backhandwerk erlernt. Man sieht wie wohl sie sich bei diesen Bescheidenen Leuten fühlt und wie sie sie in die Familie aufnehmen. Man sieht sie erwachsen werden. Den entgegen ihrer Behauptung ist sie bei ihren Eintreffen im Dorf noch längst nicht volljährig. Im zweiten Teil wird die Geschichte dann aus der Sicht ihres Sohnes Paul erzählt, wie seine Kindheit war und welche Entscheidung er treffen musste und welchen Weg er einschlagen musste. Im dritten Teil wird die Geschichte dann aus der Sicht der Enkel von Leonore erzählt. Leider nimmt hier der Hambacher Forst eine zu dominante Rolle ein. Hier hätte ich mir doch gewünscht, dass der Autor sich ebenso viel Mühe gegeben hätte wie im ersten Teil bei Leonore.


    Leonore der bescheidene Star dieses Generationenromans wächst einen unglaublich ans Herz. Vor allem erinnert mich Leonores Geschichte ein wenig an die meiner eigenen Oma und ihren schweren Start als Flüchtling in einem Dorf. Am meisten hat mich wirklich ihre Entwicklung beeindruckt. Eine Heranwachsende, die die Gräuel des Krieges miterlebte und niemals aufgegeben hat. Sie hat versucht aus dem was man ihr reichte das Beste zu machen. Sie ist eine liebenswerte alte Dame geworden, die es geschafft hat ihre kleine Familie über Wasser zu halten und beieinander zu halten.


    Fazit: Ein wirklich gelungener Generationenroman, der einen berührt und eine andere Zeit auferstehen lässt und doch die Probleme der heutigen Zeit nicht aus den Augen lässt. Besonderen Eindruck hat auf mich Leonore gemacht. Auch wenn der Hambacher Forst gegen Ende des Romans eine etwas zu dominante Rolle eingenommen hat gebe ich für diesen tollen Roman eine klare Leseempfehlung. :love::love::love::love:

    ASIN/ISBN: 342628250X

  • Mich hat „Jahresringe“ vor allem wegen seines realen Hintergrunds des Kohleabbaus im Ruhrgebiet und der damit verbundenen Zerstörung des Bürgerwaldes interessiert. Das wurde auch sehr gut in die fiktive drei-Generationen-Geschichte der Familie Klimkeit integriert, wobei ich mir - anders als Sommerkindt - zwischendurch noch mehr Tiefe gewünscht hätte.


    In jedem der drei Buchabschnitte spielt eine Generation die Hauptrolle und so schlägt es einen Bogen vom Flüchtlingsmädchen Leonore zu den Enkeln Jan und Sarah, die zur Rodung des Hambacher Forsts ganz unterschiedlicher Meinung sind. Mit Abstand am stärksten fand ich diesen 3. Teil. So hätte ich mir das ganze Buch gewünscht. Da werden nicht nur verschiedene Meinungen vertreten, sondern vor allem dürfen wir mit der Familie Klimkeit mitleben und ihre Gedanken, Gefühle und Konkflikte hautnah erfahren. Diese Direktheit hat mir vor allem im mittleren Teil gefehlt, in dem sehr distanziert berichtet wird, wie Paul, der Sohn Leonores seine Jugend erlebt. Langatmig, ohne Emotionen und auch für mich thematisch nicht relevant. Im ersten Teil bin ich der Geschichte Leonores, die in Lich-Steinstraß eine neue Heimat findet, gerne gefolgt. Nur mit den mystischen Geschehnissen in diesem Teil konnte ich überhaupt nichts anfangen. Ich habe nichts gegen Übersinnliches in Büchern, wenn es denn passt – das hat es hier für mich aber gar nicht, abgesehen davon fand ich es auch völlig unnötig.


    Mit dem letzten Abschnitt schließt sich der Kreis und sowohl die Familien- wie auch die tatsächliche Geschichte wird rund. Vom Grundaufbau gut gemacht und auch die die lebendigen Charaktere waren gut gewählt. Nur ihre spontanen Handlungen – gerade wenn es um das Thema Wald ging – haben mich immer wieder gestört. Das hätte man auch plausibler erzählen können.


    Das Thema Heimat spielt durchgehend eine (große) Rolle, was mir sehr gut gefallen hat. Heimat, aus der man gewaltsam vertrieben wird; Heimat, die zu keiner Heimat wird; aber auch Heimat, die man selbst findet. Ich habe wie erhofft auch etwas über den geschichtlichen Hintergrund des Braunkohleabbaus und der damit verbundenen Zerstörung des Bürgerwaldes und dem Kampf im Hambacher Forst erfahren, allerdings hätte dieser Aspekt für mich durchaus ausführlicher und noch mehr in die Tiefe gehen dürfen. Das ist aber persönliche Vorliebe, andere LeserInnen werden das anders sehen.


    Fazit: Familiengeschichte mit zeitgeschichtlichem Hintergrund. Gut gewähltes Thema, die Umsetzung hatte für mich ein paar Schwächen. Durch den gelungenen dritten Abschnitt aber doch noch gute 8 Eulenpunkte.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Jahresringe - Andreas Wagner


    Mein Eindruck:

    Der Roman hat mir wegen der Struktur und den Figuren sehr gut gefallen. Das gilt im verstärkten Maße für das erste Romandrittel, in dem die junge Kriegsvertriebene Eleonore nach Nordrhein-Westfalen flüchtet und dort von einem Bäcker aufgenommen. Er ist eine sympathische Nebenfigur.

    Eleonore bleibt wichtigste Figur obwohl sie schließlich den Erzählstab an ihren Sohn und an die Enkel abgibt.


    Der in verschiedene Zeitabschnitte gelegte Plot zeigt den Gemütszustand Deutschlands über die Jahrzehnte.

    Nebenbei wird auch der Begriff Heimat gut thematisiert.


    Mich hat der Roman sehr gefesselt und ich habe lange Abschnitte am Stück gelesen.