Die Unschärfe der Welt - Iris Wolff

  • Klett Cotta, 2020
    216 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Iris Wolff erzählt die bewegte Geschichte einer Familie aus dem Banat, deren Bande so eng geknüpft sind, dass sie selbst über Grenzen hinweg nicht zerreißen. Ein Roman über Menschen aus vier Generationen, der auf berückend poetische Weise Verlust und Neuanfang miteinander in Beziehung setzt.

    Hätten Florentine und Hannes den beiden jungen Reisenden auch dann ihre Tür geöffnet, wenn sie geahnt hätten, welche Rolle der Besuch aus der DDR im Leben der Banater Familie noch spielen wird? Hätte Samuel seinem besten Freund Oz auch dann rückhaltlos beigestanden, wenn er das Ausmaß seiner Entscheidung überblickt hätte? In »Die Unschärfe der Welt« verbinden sich die Lebenswege von sieben Personen, sieben Wahlverwandten, die sich trotz Schicksalsschlägen und räumlichen Distanzen unaufhörlich aufeinander zubewegen. So entsteht vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden Ostblocks und der wechselvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts ein großer Roman über Freundschaft und das, was wir bereit sind, für das Glück eines anderen aufzugeben. Kunstvoll und höchst präzise lotet Iris Wolff die Möglichkeiten und Grenzen von Sprache und Erinnerung aus – und von jenen Bildern, die sich andere von uns machen.


    Über die Autorin:
    Iris Wolff, geboren 1977 in Hermannstadt/Siebenbürgen. Studium der Germanistik, Religionswissenschaft und Grafik & Malerei in Marburg an der Lahn. Langjährige Mitarbeiterin des Deutschen Literaturarchivs Marbach; 2013 Literatur-Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg.
    2019 wurde die Autorin mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnet und mit dem Marieluise-Fleißer-Preis für ihr Gesamtwerk geehrt. Sie ist Mitglied im Internationalen Exil-PEN.


    Mein Eindruck:
    Iris Wolff beschreibt die Geschichte einer Familie in Rumänien über mehrere Generationen. Bei aller Komplexität ist der Roman dennoch relativkurz und episodenhaft erzählt.
    In den 7 Abschnitten wechseln die Figuren, die im Mittelpunkt stehen, aber es gibt immer Bezüge zueinander. Alle Figuren haben miteinander zu tun.
    Da sind als zentrale Figuren Florentine Hannes, die mit Samuel einen Sohn bekommen.
    Die älteste Figur ist Hannes Mutter Karline.
    Es gibt noch Ruth und Severin, deren Sohn ertrunken ist und Hannes besucht sie in seiner Funktion als Pfarrer und Seelsorger.
    Da ist Stana, in die Samuel sich verliebt, deren Vater aber auch regimetreu und verschlagen ist.
    Die Gefahr durch die Securitate nimmt zu. Dann kommt die Wende und manche verlassen das Land.
    Weitere Figuren sind Oz, Bene und Livia.
    Wie alle diese Figuren miteinander verknüpft sind, ist von der Autorin geschickt gemacht.


    Der Stil von Iris Wolff ist zugänglicher als die anderer Autoren, die über den Banat geschrieben, wie Herta Müller oder Richard Wagner, von dem sogar ein Gedicht dem Buch vorgestellt ist.
    Am Anfang gibt es stilistische Anklänge an Kafka mit ein Landarzt. Später wird es moderner und es gibt vermehrt Sätze, die bemerkenswert und erinnerungswert sind.


    Der Roman befindet sich auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2020. Die Chancen auf die Shortlist würde ich mit Mittel bis gut einschätzen.


    ASIN/ISBN: 3608983260

  • Gerade habe ich den Roman „ Die Unschärfe der Welt“ von Iris Wolff beendet und versuche die ersten Eindrücke zusammenzufassen.


    Fasziniert hat mich von Beginn an der gewaltige Sog, der durch Stil und Sprache von Iris Wolff entsteht. Nichts Manieriertes und doch eine gehobene Sprache in der sie die Geschichte von sich wandelnden Freundeskreisen erzählt. Eine mehrdimensionale Geometrie von eben diesen Freundschaften, zeitweilig von innen hinaus, dann wieder aus der Aussenperspektive erzählt. Familiäre und persönliche Geschehnisse, die glücklich enden sollen, oder wie Menschen von der grossen europäischen Geschichte gebeutelt wurden in ihrer persönlichen Welt.


    Ein Roman, der mich berührt hat und dem ich viele Leser wünsche.


    Das Hörbuch wird von Eva Gosciejewicz gelesen, deren Stimme mir persönlich zu zaghaft klingt für die gewaltige Geschichte.

  • Meine Meinung:


    Titel: Begegnungen mit Folgen...

    Auf diesen Roman bin ich aufmerksam geworden, weil er auf der Longlist des deutschen Buchpreises stand. Gespannt begann ich zu lesen und musste feststellen, dass man auch auf recht wenigen Seiten sehr viel erzählen kann.

    In der Geschichte geht es um die Familie von Florentine und Hannes, die in der Region Banat aufwachsen. Sie spüren am eigenen Leib die Gesetze und strenken Regeln des Ostblocks. Als Pfarrer hat der Staat ihn immer im Blick. Welchen Einfluss hat der Umbruch auf die vier Generationen der Familie?

    Im Roman werden vier Generationen dargestellt, von denen nahezu jede in einem anderen politischen System aufwächst. Der Fokus liegt jedoch auf den handelnden Figuren, was ich mochte. Die politischen Einflüsse werden nur am Rand beleuchtet.

    Das Leben von Florentine und Hannes habe ich als recht karg und arbeitsreich empfunden. Sie haben wenig, scheinen damit aber nicht unglücklich zu sein. Ihre ruhige und bedachte Art hatte schon etwas für sich.

    Die Generation der Eltern hat Enteignung erlebt. Mir schien als wenn dieser Umbruch die Betroffenen irgendwie gebrochen hat. Vor dem Sozialismus genossen sie einfach mehr Freiheiten.


    Die Kinder und Enkel haben das Glück einen neuen politischen Umbruch mitzuerleben zu dürfen, der ihr Leben verbessert.


    Ich gehe deswegen nicht auf alle Figuren einzeln ein, weil ich sonst bereits zu viel vom Inhalt und den Zusammenhängen verraten würde. Jeder Abschnitt dreht sich um einen anderen Protagonisten und erst nach und nach wird klar wie derjenige zur Familie gehört.


    Meine Lieblingsfigur hingegen war Benedikt, was wohl keine Überraschung ist. Seine Liebe zu den Büchern und sein Gespür anderen einen guten Roman zu empfehlen, das hat mir gefallen und ich konnte mich am besten mit ihm identifizieren. Seine Suche nach der Liebe hat mich ebenfalls berührt.


    Sprachlich ist der Roman schlichtweg ein Gedicht. Es gab so viele Sätze, die ich mir beim Lesen herausschreiben musste, weil sie mich beeindruckt haben. Alles ist so gut beschrieben, dass man die Geschichte wie einen Film vor seinem inneren Auge abspielen sieht.

    Mein einziger Kritikpunkt ist der Schluss. Hier überstürzen sich die Ereignisse und die Jahre stolpern nur so dahin, so dass ich beim Lesen etwas die Orientierung verloren habe. Hier hatte ich stark das Gefühl, dass man jetzt nun aber ganz schnell zum Ende kommen und jeden Handlungsstrang auflösen will. Das hätte es in meinen Augen gar nicht gebraucht


    Fazit: Ein sprachgewaltiger Roman, der mich gut unterhalten hat. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus. Gelungen


    Bewertung: 8/ 10 Eulenpunkten