Dorit David: Unter ihren Augen

  • Großartig


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    Hannover, Anfang der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts: Die Elevin Lieselotte absolviert erfolgreich die Abschlussprüfung an der berühmten Gymnastikschule von Berta Habenicht. Was Lieselotte nicht weiß: Die Schulleiterin hat die begabte und willensstarke junge Frau längst als Nachfolgerin im Auge. Was Berta Habenicht nicht weiß: Die talentierte Schülerin ist schon seit einiger Zeit in die kühle, etwas narzisstische und heimlich in einer lesbischen Beziehung lebende Schulinhaberin verliebt. Als sie dies - einige Zeit nach der erfolgten Prüfung - schüchtern zu gestehen versucht, wird sie brüsk zurückgewiesen. Diese Zurückweisung und eine Reihe nachfolgender Missverständnisse legen das Fundament für einen Konflikt, der zwischen den beiden beeindruckenden Frauen jahrelang schwelen wird - und jede von ihnen mehrfach an die Grenzen der eigenen Existenz führt. Außerdem ist es dieses Ereignis, das Lieselotte für eine sehr lange Zeit davon abhält, sich die eigene sexuelle Präferenz einzugestehen und sie stattdessen zwingt, ein bürgerlich-normales (Ehe-)Leben zu führen, zumindest nach außen.


    Dorit David erzählt in diesem wissensreichen, einfühlsamen, elegischen, liebenswürdigen und sehr authentisch anmutenden Roman - ihrem sechsten - aber nicht nur die Geschichte der beiden Frauen und ihrer Hassliebe. Sie erzählt von der Gymnastik und vom Tanz, vom Körperkult und der Körperschule, aber auch von der Bedeutung der "Ertüchtigung" aus Sicht der Nazis, die zuerst im Hintergrund stehen und im Verlauf der Handlung mehr und mehr Einfluss auf sie nehmen. Die anwachsende Bedrohung, die von nicht wenigen als Instrument verwendet wurde, um sich leidiger Widersacher zu entledigen - eine Versuchung, der auch die Heldinnen nicht widerstehen können -, baut sich wie eine braune Wand auf, die am Ende alles umschließt und erdrückt. "Unter ihren Augen" ist insofern ein historischer Roman, der sich nicht in Effekthascherei versteigert, um die Bedrohung zu vermitteln, weil er sich ganz und gar auf seine sehr plastischen Figuren, sein bis in jede Nebenrolle perfektes Personal verlassen kann. Er ist auch eine Liebesgeschichte, ein Entwicklungsroman, eine Milieustudie und ein Zeitbild.


    Es klingt immer ein bisschen ungut, von "Mühe" zu sprechen, wenn es um Kunst geht, aber es ist an dieser Stelle, finde ich, nicht falsch, die Mühe zu erwähnen, die sich die Autorin ohne Zweifel gemacht hat, um diese Geschichte so zu erzählen, dass man beim Lesen jederzeit das Gefühl hat, in der Zeit und Welt von Lieselotte, Berta Habenicht und all den anderen Figuren zu stecken, die vor hundert Jahren mit ganz ähnlichen Problemen konfrontiert waren wie wir jetzt, und zugleich mit völlig anderen. Diese Zeit, die am Anfang der Schilderung so beschaulich, possierlich und nostalgisch wirkt, entpuppt sich als mindestens ebenso problematisch wie jede andere, und sie ist letztlich der Nährboden für ein Grauen, das rasch in alle Ritzen der Gesellschaft drang. An dieser Stelle ist "Unter ihren Augen" auch eine Warnung.


    Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann vielleicht, dass der Roman am Anfang der zweiten Hälfte ein bisschen durchhängt und sich allzu viel Zeit mit der Geschichte lässt, bis er dann aber wieder an Fahrt aufnimmt, um umso fulminanter auf sein Ende zuzurauschen, das nicht wenige Überraschungen bereithält. Ich habe ihn ungeheuer gerne gelesen, und war trotz der Länge ziemlich wehmütig, als die letzte Seite erreicht war.


    ASIN/ISBN: 3896562851

  • Hannover in den zwanziger und dreißiger Jahren. Tanz und Gymnastikschulen erleben eine Hochkonjunktur. Berta Habenicht ist Leiterin einer solchen Schule und Lieselotte Daube ihre Schülerin. Lotte verliebt sich in Berta und daraus entsteht ein Drama, das beide ein Leben lang begleiten wird.

    Wir begleiten die beiden bis in die dreißiger Jahre. Lotte baut sich selbst eine Tanzschule auf und tritt so in Konkurrenz zu Berta. Immer wieder geraten die beiden aneinander, bis eine die andere fast vollständig ruiniert. Das Buch beruht auf einer wahren Begebenheit, die Autorin hat hier eine Geschichte aufgegriffen die sich, man muss sagen leider, tatsächlich so zugetragen hat. Da sieht man wieder einmal was aus verletzten Gefühlen für Unheil entstehen kann.


    An sich hat mir das Buch gut gefallen, es besticht durch eine wunderbare, poetische Sprache. Schwierig fand ich nur, dass ich mich mit den beiden Hauptpersonen Berta und Lotte so schwergetan habe. Beide hätte ich schütteln mögen für ihre Ich-Bezogenheit und ihre Sturheit. Das hat mir in der Mitte das Buch etwas verleidet. Gegen Ende zog dann aber das Erzähltempo noch einmal ordentlich an und so habe ich es nicht bereut, durchgehalten zu haben.


    Mir haben vor allem einige Nebenpersonen und deren Entwicklung sehr gut gefallen, da war teilweise mehr Flexibilität im Wesen zu erkennen als bei den beiden Hauptdarstellerinnen.

    Alles in allem war es ein schönes Buch, das vor allem auch die lesbische Gesellschaft im Hannover des letzten Jahrhunderts beleuchtet. Es ist schon erstaunlich, welchen Unterschied es damals ausgemacht hat, ob man in Berlin oder in einer der kleineren Großstädte Deutschlands lebte.


    8 von 10 Punkte

  • Vor etwa 100 Jahren, in den 1920er Jahren, macht Lieselotte ihren Abschluss als Tanz- und Gymnastiklehrerin bei der berühmten Bertha Habenicht in Hannover. Sie himmelt Bertha an und verliebt sich in die ältere Frau. Bertha wiederum sieht in Lotte eine mögliche Nachfolgerin für die Tanzschule, weist Lottes Liebesbekenntnis aber brüsk ab.

    So entwickelt sich eine Hassliebe zwischen den beiden und sie werden zu erbitterten Konkurrentinnen, die sich immer wieder in der Wolle haben und sich mit immer größeren Geschützen bekämpfen bis Lotte Bertha schließlich im Jahr 1933 denunziert. Genau das wird schon im Prolog angekündigt, was ich ein wenig schade fand. Der Weg dorthin ist dennoch spannend und durch viele Details und Informationen über die damalige Zeit sehr interessant.

    Mir haben die ganzen Nebenfiguren, Hannover in dern 1920er Jahren und der Tanz ganz wunderbar gefallen - die beiden Hauptfiguren Bertha und Lotte und ihre ewigen Zickereien fand ich recht anstrengend.

    Dennoch hat es mir gefallen, dass zwei so starke Frauen die Hauptpersonen waren und beide auch erfolgreiche Unternehmerinnen waren.

    Im 2. Viertel hatte ich ein Lesetief und habe mich da vorallem wegen der Leserunde durchgekämpft. Und das hat sich gelohnt! Die 2. Buchhälftte hat mir dann wieder sehr gut gefallen und ich habe sie nur so verschlungen.

  • Dorit David - Unter ihren Augen


    Inhalt:


    Hannover 1924. Die 18-jährige Lieselotte Daube macht ihren Abschluss an der bekannten Tanzschule von Berta Habenicht. Sie fühlt sich zu ihrer Lehrerin hingezogen, doch als sie endlich den Mut findet und ihr ihre Liebe gesteht, stößt Berta sie auf harte Weise von sich. Damit bringt diese einen Stein ins Rollen, der in einen fast 10 Jahre langen Streit zwischen den beiden Frauen mündet und beider Leben maßgeblich beeinflusst ...


    Meine Meinung:


    Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und war immer gespannt, ob und wenn ja, wie die Rivalität der beiden Frauen enden wird - und welcher Schaden durch den langen Streit noch entstehen wird.


    Die beiden Heldinnen machen es mir als Leserin nicht leicht, denn der Kleinkrieg kostet Nerven. Allerdings ist in den meisten Fällen durchaus nachvollziehbar, warum die eine oder andere ein weiteres Mal zurückschlagen muss, wenn auch die Mittel dazu manchmal zu hart erscheinen und ich mir immer wieder überlegt habe, ob es da am Ende noch eine Versöhnung geben kann?


    Die Geschichte dreht sich um die beiden Frauen bzw. die beiden Tanzschulen, aber es kommen noch eine ganze Reihe weiterer Personen vor. Manche tauchen nur kurz auf und werden nicht weiter charakterisiert, aber die Personen im engeren Kreis um Berta und Lieselotte bekommen deutliche Tiefe. Zum Beispiel Dorothee, Bertas Lebensgefährtin oder Erwin, Lieselottes Ehemann. Ab und zu tauchen auch bekannte Namen aus dieser Zeit auf, das gibt den Flair der Zeit.


    Bedrückende Momente gibt es in der Geschichte, wenn der Aufstieg der Nationalsozialisten beschrieben wird. Der Handlungszeitraum spielt vom Jahr 1924 bis 1933 und die Autorin hat sehr gekonnt aufgeführt, wie sich langsam die Stimmung ändert - erst in Kleinigkeiten, dann aber im Großen.


    Vielen Dank an die Autorin Dorit David, die uns durch die Leserunde begleitet hat! Sie hat mir viel Spaß gemacht. Danke auch an die Mitleser*innen - es ist immer interessant, andere Blickwinkel kennenzulernen.

  • Buchrückentext

    1922 – Zeit des Aufbruchs. Begeistert befreit sich auch die 16-jährige Lieselotte von alten moralischen Verkrustungen.

    Tanzend.

    Etliche Frauen verdienen ihr Geld selbst und vor allem ohne Mann. Den vermisst das ehrgeizige Mädchen ohnehin nicht. Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung sind die Zauberworte ihrer Zeit. Dass sie ernsthaft „lila“ sein könnte, darauf kommt Lotte nicht einmal im Traum.

    Wie ein Gestirn am Himmel erscheint ihr Berta Habenicht, und Lotte umkreist die Lehrerin seit dem Moment, als sie deren Schule betritt. Nur wenige Augenblicke später gehört sie bereits zu den Elevinnen, denn Berta hat ein Auge auf sie geworfen.

    Turnen und Tanzen - nur davon träumt Lotte. Und die Sterne stehen günstig für sie in der Weimarer Republik. Dass die junge Frau jahrelang ihre Sexualität verdrängt, bemerken alle, nur Lotte selbst nicht, und dass Berta in einer lesbischen Beziehung lebt, führt sie beide in einen gefährlichen Strudel aus Konkurrenz, Verleumdung und Verrat. Nicht ungefährlich in einem Land, das mehr und mehr zur Diktatur wird.


    Ulrike Renk: „Lesenswert! Authentisches und spannendes Thema.“


    Autorin:

    Dorit David, Jahrgang 1968, geboren und aufgewachsen in der Uckermark, lebt seit über 20 Jahren als freischaffende Künstlerin in Hannover. Zehn Jahre lang arbeitete sie an der Doris-Reichmann-(Gymnastik)Schule als Dozentin für Bewegungstheater. Sie veröffentlichte bislang zehn Bücher, davon fünf Romane. Auch im Querverlag erschienen: Gefühl ohne Namen (2012), Tür an Tür (2104) sowie Die Dritte (2016).



    Meine Meinung

    In klarer Sprache, durchsetzt mit schön poetischen Beschreibungen, schildert die Autorin den immer ernster werdenden Konkurrenzkampf der beiden Frauen Berta und Lotte.

    An deren Beispiel und ihrem näheren Umfeld werden die Lebensumstände und Schwierigkeiten für Frauen in der Weimarer Republik verdeutlicht. Da sind zum einen die Verlockungen der neuen Freiheit und die Möglichkeiten zur Selbständigkeit; zum anderen kleben noch die alten Moralvorstellungen an, zu denen die Bevölkerung mit Hilfe der nationalistisch gesinnten Partei zurück strebt: Die Frau soll sich nicht frei entfalten, sondern sich brav um Mann und Kinder kümmern. Sportliche Bewegung soll nur soweit gefördert werden, wie sie einem gesunden Nachwuchs zu Gute kommt.

    Wir sind hier nicht in Berlin, wo das von vielen Autoren (damals und später) geschilderte Leben der 1920er Jahre in all seinen Auswüchsen tobt, sondern in Hannover, das eine eigene Stadtentwicklung durchmacht. Historische Ereignisse und Personen sowie reale Firmen fließen gekonnt in den Text ein und lassen ein authentisches Bild dieser Jahre entstehen.

    Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, weil er die Hauptpersonen bis in ihre Tiefe ausleuchtet und die turbulente Zeit glaubhaft verdeutlicht.

    Dorit David hat unsere Leserunde begleitet und war mit Antworten in dem interessanten Austausch dabei, was diesen noch bereicherte. Vielen Dank dafür!

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

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  • Unter ihren Augen erzählt die Geschichte von der charismatischen Schulleiterin einer bekannten Gymnastikschule in Hannover und ihrer Lieblingsschülerin, die sie heimlich als ihre Nachfolgerin auserkoren hat. Teil dieser Geschichte ist, wie wir bereits im Prolog erfahren, dass diese Lieblingsschülerin ihre von ihr einstmals geliebte Lehrerin 1933 nach der Machtergreifung Hitlers denunziert.
    Im Roman wird vor allem der Weg zu dieser Denunziation erzählt, es wird erzählt, wie ein immer weiter eskalierender Kampf zwischen zwei sich sehr ähnlichen Frauen entstehen konnte.

    Bei diesem Roman kommt vieles zusammen. Dorit David besitzt ein fundiertes Wissen über genau diese Gymnastikschule in Hannover und den diesem Roman zugrundeliegenden realen Fakten, sie hat selbst dort ein Jahrzehnt unterrichtet und durfte sich des Archivmaterials der Schule zur Recherche bedienen. Dieses Wissen und diese Recherche und vor allem ihre Fantasie, die Fakten dramatisch auszugestalten, ermöglichen ihr ein sehr authentisch wirkendes Bild von der Tanzschule und ihrer Ausbildung, sowie von Ort, Zeit und den Charakteren entstehen zu lassen. Dank einer präzisen, einfühlsamen Sprache und einem guten Gespür für Szenen, Symbolik und Erzählsequenz erzählt sie eine sehr verwobene, detailreiche Geschichte. Gleichzeitig wirkt diese Geschichte nicht nur, als wäre ihr Beginn 100 Jahre her, es klingen - zumindest für mich - auch sehr aktuelle Bezüge durch.
    Die Bedrohung durch die Nazis entsteht dabei lange nur im Hintergrund, die Geschichte lebt stark von den Konflikten der Charaktere und bezieht hierher ihre Spannung.

    Ein Buch, das mir die Zeit vor der Machtergreifung der Nazis nähergebracht hat und mich mit seinen vielen Details immer mal wieder zu weiterer Recherche angeregt hat. Ich habe es sehr gerne gelesen.

  • Unter ihren Augen - ein Buch, auf dass ich normalerweise nicht aufmerksam geworden wäre, denn mir gefällt das Cover leider gar nicht. Ich wäre in einer Buchhandlung achtlos daran vorbei gegangen, muss ich gestehen.


    Was mich daran gereizt hat, waren jedoch zum einen die Zeit, in der es spielt (20er und 30er Jahre) und zum anderen der Ort, denn ich kenne Hannover ganz gut. Dass wir es in einer Leserunde gelesen haben, hat mich außerdem überzeugt.


    Die beiden Hauptfiguren Lieselotte Daube und Berta Habenich sind Konkurrenten und mehr als das, nämlich erbittert verfeindet. Lieselotte war einst Bertas Schülerin an der Tanzschule und hat dort 1924 ihren Abschluss gemacht. Dabei hat sie sich in ihrer Lehrerin verliebt. Unglücklicherweise führt Lieselottes Liebesgeständnis zu einer harschen Zurückweisung Bertas, die sich ihre ehemalige Schülerin nicht als Lebensgefährtin, sondern nur als Nachfolgerin in der Schulleitung vorstellen konnte. Zudem lebt Berta bereits in einer lesbischen Beziehung samt Alibifreund.


    Dieses Zerwürfnis führt zu jahrelangem Streit, der beiderseits fortgeführt wird. Das machte mir beide Figuren nicht gerade sympathisch, zudem konnte ich mich mit keiner von beiden identifizieren oder gedanklich anfreunden, was mir normalerweise am Lesen Freude macht. Dieser Roman ist definitv kein Wohlfühlbuch.


    Doch es ist ein Zeugnis der damaligen Geschichte, was die Tanzkultur angeht, denn sowohl Berta als auch später Lieselotte sind Expertinnen auf ihrem Gebiet und geben an ihre Schüler die Liebe zum Tanz und zur Bewegung wieder.


    Die historischen Gegebenheiten um die Entwicklung der Stadt und der Menschen in Hannover der 20er und 30er Jahre haben mich gefesselt. Da taucht beiläufig ein Theo Lingen in seinem ersten Auftritt in der Schauburg auf oder aber es wird von Fritze Haarmann berichtet, dem Hannoverschen Massenmörder. Ada und Theodor Lessing sind Nebenfiguren, die zunächst Einfluß nehmen, doch später vor den Nazis fliehen müssen. z.B. Ritter-Sport Schokolade oder Pelikan sind Markennamen, von denen ich gar nicht wusste, dass es diese Produkte schon so lange gibt. Das macht den Ausflug in die vergangenheit lebendig und anschaulich.


    Überhaupt gefallen mir die Nebenfiguren besser als die beiden Protagonisten. Else Marie als Freundinvon Lieselotte bildet das handfeste Gegenstück, die ihre Ausbildung dann für Showtanz nutzt und Lotte zur Seite steht. Aenne Heise als Freundin, die bekannt war als Fotografin. Oder Dorothea als Lebensgefärtin von Berta, die auch mal leise Kritik übt, wenn ihr etwas nicht zusagt.


    Das markante Thema bildet jedoch die unterdrückte Sexualität Lieselottes. Sie will sich nicht eingestehen, dass sie sich von Frauen angezogen fühlt, sie verweigert das Gespräch dazu und flüchtet sich in eine Vernunftehe mit Erwin, der ihr ein sehr guter Partner im Geschäft und im Alltag ist. Die Liebe lässt sie jedoch nicht zu.


    Eine interessante Leserunde zu einer interessanten Zeit mit einem interessanen Thema. Das Buch hat mich dazu gebracht, über die Stadt, die Personen und die Geschichte zu recherchieren und zu hinterfragen. Es zeigt auch, wie wichtig es sein kann, offen miteinander zu reden, da doch einiges an Leid hätte verhindert werden können. Besonders gut gefiel mir, dass der Roman einen wahren Hintergrund hat, der gut recherchiert und detailliert dargestellt wird, da merkt man, wie sehr diese Geschichte von der Autorin erzählt werden wollte.


    Von mir 8/10 Punkten.

  • Der Roman "Unter ihren Augen " von Dorit David handelt von den zwei starken Frauenfiguren Berta Habenicht und Lieselotte Daube.

    Die Geschichte beginnt im Jahre 1922 als die 16 jährige Lotte als Schülerin in der berühmten Gymnastik-und Tanzschule in Hannover ihre Ausbildung zur Gymnastiklehrerin macht. Berta Habenicht ist die Schulinhaberin. Sie lebt in einer lesbischen Beziehung und führt die Gymnastikschule mit strenger Hand. Berta erkennt schnell das Potential der begabten Lotte und möchte sie gerne fördern. Sie sieht in ihr eine eventuelle Nachfolgerin für die Schulleitung.

    Lotte dagegen verliebt sich in ihre strenge und kühle Schulleiterin. Sie kann jedoch mit ihren Gefühlen nicht viel anfangen. Sie ist verwirrt und sucht ein offenes Gespräch mit Berta. Da diese aber an einer sexuellen Beziehung zu ihrer Schülerin nicht interessiert ist, wird Lotte von ihr brüsk und ohne weitere Erklärungen abgewiesen.

    Dieses Ereignis hat weitreichende Folgen, sowohl für die Entwicklung von Lotte als auch für die Zukunft von Berta und ihrer Gymnastikschule.


    Mir hat dieser Roman unheimlich gut gefallen. Die Figuren sind alle so unglaublich lebendig und liebenswert gezeichnet und es macht Spaß ein Buch zu lesen, in dem zur Abwechslung vor allem starke Frauenfiguren im Mittelpunkt der Handlung stehen. Besonders gefallen hat mir, dass es bei den Personen keine Schwarz-Weiß-Zeichnung gibt. Sie sind einem als Leser auch nicht immer nur sympathisch. Aber sie wirken alle sehr echt und authentisch und entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter.

    Neben der eigentlichen Geschichte rund um Berta und Lotte erfährt man als Leser auch noch viel Interessantes über die Gymnasitk-und Tanzschule und den Körperkult und die Körperschulen in der 20er und 30er Jahren. Außerdem spielt natürlich auch die politische Entwicklung immer mehr in die Handlung mit hinein.


    Man merkt dem Buch deutlich an, dass die Autorin viel Zeit für die Recherche verwendet hat und das sie sich gut in der Tanz- und Gymnastikszene auskennt.


    Ich hätte dieses tolle Buch bestimmt nie gelesen, wenn es nicht hier bei den Büchereulen eine Leserunde dazu gegeben hätte.

    Ich gebe gerne eine dicke Leseempfehlung für dieses tolle, abwechslungsreiche, spannende und unterhaltsame Buch.

    Vielen Dank auch noch mal an die Autorin, für die ausführliche Begleitung der Leserunde.

    Ich gebe gerne 9 von 10 Eulenpunkten.

  • Ein historischer Roman, der in meiner Wahlheimat Hannover spielt, ist für mich absolute Pflichtlektüre. Und bei diesem Buch war das wirklich eine gute Entscheidung. Es brachte mir eine Zeit des Umbruchs, die schon in sehr vielen anderen Romane behandelt worden ist, aus völlig neuer Perspektive nahe. Natürlich war auch mir vorher schon klar, dass Homosexualität in dieser Zeit sehr schwer zu leben war und in den folgenden Jahren häufig sogar ein Todesurteil bedeuten konnte - aber wie es in der Praxis aussah, was es mit einem jungen Menschen machen konnte, wenn er oder sie die Neigung zur gleichgeschlechtlichen Liebe bei sich erkannte - darüber habe ich vorher noch nicht so wahnsinnig viel nachgedacht.


    Die handelnden Figuren waren für mich absolut glaubwürdig, lebendig und dreidimensional angelegt, mit Stärken und Schwächen, mit liebenswerten und nicht so netten Eigenschaften - eben wie wirkliche Menschen, nicht wie Figuren, die eine Handlung tragen sollen, ohne selbst von Bedeutung zu sein. Nicht alle waren mir sympathisch, tatsächlich waren gerade die beiden Hauptfiguren mir herzlich unsympathisch - aber ich habe sie und ihre Handlungsweisen nachvollziehen können.


    Die politische und gesellschaftliche Situation wird in diesem Buch hervorragend herausgearbeitet - zunächst erlebt man als Leser eine Zeit, in der so viel mehr möglich zu sein scheint, in der auch Frauen ganz andere Möglichkeiten offenstehen, auch wenn einige Beschränkungen und Konventionen noch nicht überwunden sind. Aber nach und nach schleichen sich Vorboten der kommenden Schrecken in den Alltag. Die Bedrohung durch die Nationalsozialisten und die Beschränkungen und Ängste, die dies für den Einzelnen bedeutet, wird greifbar.


    Auch was die lokale Geschichte angeht, wurde ich nicht enttäuscht. Ich habe vieles wiedererkannt, einiges neu gelernt (Ich wusste bisher nicht, dass Theo Lingen hier zur Schule gegangen ist) und das Buch hat mich dazu gebracht, stundenlang zu googeln, um zu sehen, wie die Schauplätze damals aussahen.


    Ein Roman, der aus der Masse anderer Bücher, die diese merkwürdige Zeit beschreiben, deutlich herausragt. 9/10 Punkten

  • „Unter ihren Augen“ von Dorit David ist, wenn man es genau betrachtet, eigentlich gar kein Buch für mich. Ich habe es in einer Leserunde bei der Büchereule gelesen und es hat mir, obwohl ich die Charaktere nicht besonders sympathisch fand, wirklich gut gefallen.


    Lieselotte (oder Lotte, wie sie von ihren Freunden genannt wird) ist Schülerin der Gymnastikschule Habenicht und stellt irgendwann fest, dass sie in ihre Lehrerin Berta Habenicht, die auch die Inhaberin der Schule ist, verliebt ist. Als sie ihr ihre Liebe gesteht, weist Berta Lotte ab und das Drama beginnt, denn es wird ein immer währender Kampf, den Lotte und Berta gegeneinander führen.


    Drama deswegen, weil ich eigentlich diese Art von Verhalten gar nicht nachvollziehen kann und auch gar nicht mag. Interessant zu wissen ist hier, dass der Inhalt auf einer wahren Begebenheit beruht. Das Buch ist gespickt von Intrigen, Neid, Hass (ich glaube, so kann man es nennen) und vor allem vom Nicht-Miteinander-Reden. Die Figuren überlegen sich, was das Gegenüber vielleicht denken könnte und handeln dann dementsprechend, wie es im realen Leben auch sehr oft ist. Das macht das Buch sehr authentisch und auch spannend zu lesen, denn man weiß nie, was als nächstes passiert. Ich muss zugeben, dass ich oft weder Lotte noch Berta in ihren Handlungen so recht verstanden habe.


    Ein wichtiges Thema ist für mich in dem Zusammenhang die Homosexualität. Ich habe bisher noch nie ein Buch gelesen, in dem Frauen Frauen lieben bzw. Männer Männer lieben. Es hat sich einfach nicht ergeben. Da das Buch Anfang der 1920er Jahre spielt, ist es hier natürlich ein sehr heikles Thema, über das Lotte gar nicht gern spricht und es sogar als Krankheit ansieht. Berta dagegen lebt mehr oder weniger heimlich mit ihrer Freundin zusammen. Für mich war es interessant zu erfahren, wie die Frauen damals mit ihrer Neigung umgegangen sind und welche Möglichkeiten es trotz der Umstände gab.


    Gymnastik und Tanzen sind nicht gerade meine Steckenpferde, aber die Autorin hat es sehr gut verstanden, die einzelnen Unterrichtsstunden anschaulich zu beschreiben, so dass sogar ich es mir richtig gut gefallen hat. Besonders gern mochte ich den Improvisationstanz, den Lotte später auch unterrichtet.


    Wenn euch die Rumzickerei und die Intrigen im Buch nicht stören, kann ich euch das Buch wärmstens ans Herz legen. Mir hat es als Gesamtbild sehr gut gefallen, vor allem der Schreibstil der Autorin.