Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Mit einem frisch gezapften Bier und einem beiten Lächeln brachte Ned Pearsall einen Trinkspruch auf seinen verstorbenen Nachbarn Henry Friddle aus, über dessen Tod er eine ungeheure Genugtuung empfand.

    Henry war durch einen Gartenzwerg ums Leben gekommen, als er vom Dach seines zweistöckigen Hauses auf die fröhlich dreinblickende Figur gefallen war. Der Zwerg war aus Beton, Henry hingegen nicht.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Mitten auf der Wiese hockt ein Bär. Er hat mich längst bemerkt, sitzt womöglich schon seit einer Weile da, hat mir in aller Seelenruhe zugeschaut, wie ich den Nachttopf neben der Hütte ausgeschüttet habe. Jetzt reckt er die Nase in die Luft und schnuppert.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Natürlich war der Tod auf der Farm nichts Neues und die Schmeißfliegen waren nicht wählerisch. Sie machten keinen Unterschied zwischen einem Kadaver und einer Leiche.

    Die Dürre hatte den Fliegen den Sommer über eine reichhaltiges Angebot beschert.

  • Die Stadt flirte vor Hitze, Abgaswolken hingen in der schwülen Luft. Der Bus wand sich die schmale Straße hoch, vorbei an bunten Häusern, die sich wie Bauklötze stapelten und in der Sonne glänzten, hellrosa, zartgelb und türkis. Cléo lehnte ihren Kopf gegen die Scheibe und blickte hinaus.


  • "Im Lande Ingari, wo es Dinge wie Siebenmeilenstiefel und Tarnkappen wirklich gibt, gilt es als großes Pech, als ältestes von drei Geschwistern geboren zu werden. Denn wie jederman weiß, versagt das älteste Kind als erstes und am schlimmsten, wenn die drei sich aufmachen, um ihr Glück zu suchen.

    Sophie Hatter war die älteste von drei Schwestern."


    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Was war das für ein Tag, um nach St. Piran zurückzukehren. Dies war ein Sommer, wie Gott ihn entworfen hatte. Die Sonne stand hoch am klar blauen Himmel, nur am Horizont war es etwas dunstig.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zum wahrscheinlich hundertsten Mal kontrolliert Fredrik, dass durch die Plastiktüte nichts zu sehen ist. Er will die Bombe nicht zu früh platzen lassen. Die Sommersonne knallt ihm ins Gesicht, draußen ist es noch immer drückend heiß.

  • Prolog


    In meiner frühesten Erinnerung bin ich drei Jahre alt und versuche, meine Schwester umzubringen. Manchmal ist die Erinnerung so deutlich, dass ich wieder genau weiß, wie kratzig sich das Kopfkissen anfühlte, wie ihre Nasenspitze gegen meine Handfläche drückte. Sie hatte natürlich keine Chance gegen mich, aber geklappt hat es nicht.


  • Der liebe Vaterlandsboden gibt mir wieder Freude und Leid. Ich bin jetzt alle Morgen auf den Höhen des Korinthischen Isthmus, und, wie die Biene unter Blumen, fliegt meine Seele oft hin und her zwischen den Meeren, die zur Rechten wie zur Linken meinen glühenden Bergen die Füße kühlen.

    Besonders der eine der beiden Meerbusen hätte mich freuen sollen, wär ich ein Jahrhundert früher hier gestanden.


  • Ich habe schon immer die Fähigkeit mancher Menschen zum Vergessen beneidet, für die die Vergangenheit wie Winterkleidung oder ein paar alter Schuhe ist - man muß sie nur ganz hinten in den Kleiderschrank verbannen, damit sie nicht auf leisen Sohlen zurückkommen können. Ich hingegen hatte das Pech, mich an alles und jedes zu erinnern und umgekehrt jedem in Erinnerung zu bleiben. Ich erinnere mich an eine frühe Kindheit voller Kälte und Einsamkeit, untätige Stunden, in denen ich das Grau der Tage betrachtete und jenen schwarzen Spiegel, der den Blick meines Vaters verhexte.


    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • Der Spätherbst in Berlin hat gewöhnlich noch einige schöne Tage. Die Sonne tritt freundlich aus dem Gewölk hervor, und schnell verdampft die Nässe in der lauen Luft, welche durch die Strassen weht. Dann sieht man eine lange Reihe, buntgemischt – Elegants, Bürger mit der Hausfrau und den lieben Kleinen in Sonntagskleidern, Geistliche, Jüdinnen, Referendare, Freudenmädchen, Professoren, Putzmacherinnen, Tänzer, Offiziere usw. durch die Linden nach dem Tiergarten ziehen.

  • Nahe dem Ufersaum saß der Same auf einem Felsen, die Arme auf den Knien abgestützt. Er schaute über das Meer. Doch er sah weder die kleinen Wellen, noch hörte er die Möwen, die über ihm kreisten.

  • Die Männer, mit denen ich manchmal Bier trinke und die keine Ahnung von mir haben, sagen, ich sollte unbedingt mit etwas Lustigem beginnen. Ein Mann kommt in die Bank, hält der Frau am Schalter eine Pistole an die Stirn und sagt: Keine Angst das ist kein Überfall, das ist nur ein Amoklauf. Mein Freund, der Schriftsteller Sebastian Lukasser, der mich mag und eine Ahnung von mir hat, rät mir zu einer literarischen Anspielung.

  • Es wurde nicht hell an diesem Sonntag im November. Der Nordwind trieb Regenwolken vor sich her, die sich am Horizont ballten. Die Scheibenwischer des silbernen Rollys-Royce arbeiteten wie ein Uhrwerk.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Harry glitt durch das Menschengewimmel der morgendlichen Rushhour wie eine Haifischflosse durchs Wasser. Ich folgte ihm in zwanzig Metern Abstand auf der anderen Straßenseite, schwitzend wie alle anderen in dieser für den Oktober in Tokio untypischen Hitze, und staunte, wie gut der Junge umsetzte, was ich ihm beigebracht hatte. Beweglich wie Quecksilber nutzte er die kleinste Lücke, bevor sie sich wieder schließen konnte, und wich jedem drohenden Engpass rechtzeitig aus.