Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Er liegt direkt unterhalb der Böschung, mit der Wange im taunassen Gras. Der verknitterte Frackschoß ist unter den Rücken gerutscht, sein rechter Arm unnatürlich abgewinkelt. Er sieht aus, als würde er schlafen.

  • Beginne niemals ein Buch mit dem Wetter.

    Wer hat das noch gleich gesagt? Ich kann mich nicht erinnern - irgendein berühmter Schriftsteller, nehme ich an.


  • Am 24. Mai 1863, einem Sonntag, kehrte mein Onkel, Professor Lidenbrock, überstürzt zurück in sein kleines Haus in der Königstraße 19, einer der ältesten Straßen der Altstadt von Hamburg.

    Seine Haushälterin Marthe musste glauben, sich verspätet zu haben, denn das Mittagessen auf dem Herd fing gerade erst an zu schmoren.

    "Na wunderbar", dachte ich, "wenn mein Onkel, dieser ungeduldigste aller Menschen, Hunger hat, wird er gleich Zeter und Mordio schreien."

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Ich, Jakob, Sohn von niemandem, Vater, von niemandem, geliebt von niemandem, Sklave, Hure, ein Cineadus, Eunuch, Mörder, Zuhälter, vielleicht Jude, vielleicht Syrer, vielleicht Nilschlamm, Arbeiter, Aufseher, Krüppel, Schwindsüchtiger, herrenloses Gut, verwittertes, von der Flut angespültes Treibholz, letzter Bewohner einer menschenleeren Stadt in einer aufgegebenen Provinz am äußersten Rande eines sterbenden Imperiums, schreibe die Geschichte meines Lebens nieder. Sie wird niemals fertig gestellt, denn wer sollte mein Ende schildern? Doch es wird sie wohl auch niemand lesen, denn zweifellos wird sie mit mir sterben, und ich sterbe bald.


  • Seltsame Gruppen berittener Männer durchstreifen die Straßen Griechenlands. Die Bauern beobachten sie mißtrauisch von den Feldern aus oder von den Hüttentüren. Aus Erfahrung wissen sie, dass nur gefährliche Leute reisen: Soldaten, Söldner, Sklavenhändler.


    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • Sorry, dass ich hier wieder fragen muss. Möchte halt nichts falsch machen hier. :engel

    Welche ersten drei Sätze des aktuell lesenden Buches sind gemeint? Die von ganz am Anfang, wo das Buch beginnt oder ab da, wo man grad stehen geblieben ist mit Lesen?

    Du darfst doch immer fragen! :knuddel1


    Es sind die allerersten Sätze des jeweils aktuellen Buches gemeint.

  • Kindheit

    Friedrich der Grosse erlaubte meinem Urgrossvater mütterlicherseits als einzigem Juden in Samotschin, einer kleinen Stadt im Netzebruch, sich anzusiedeln. Mein Urgrossvater bezahlte eine Summe Geldes, dafür ward ihm der Schutzbrief eingehändigt. Auf diesen Akt war der Urenkel stolz, er sah darin Auszeichnung und adlige Erhöhung und prahlte damit vor den Schulkameraden.

  • Hausdurchsuchung und Verhaftung erfolgten am 23. Juni 1941. Alles zusammen dauert sechs Stunden. Ein Routinevorgang, und doch ist die Atmosphäre angespannt – tags zuvor hat Deutschland der Sowjetunion den Krieg erklärt.

  • Im Jänner 2013, kurz nachdem Barack Obamas zweite Amtsperiode begonnen hatte, reiste ich in den Mittleren Westen der USA, nach Wisconsin. Ich war vom St. Julian College eingeladen worden, das Sommersemester als Writer in Residence in Green Bay zu verbringen. Untergebracht war ich in der Gästewohnung der Universität, die sich im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes befand, in einem Betonquader aus den siebziger Jahren; die Einrichtung stammte aus den Achtzigern, die Klimaanlage aus den Neunzigern.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Prolog


    Ich beobachte ihn, wie er mit geballten Fäusten über die Gangway eilt. Er huscht unauffällig an dem abgelenkten Besatzungsmitglied am Durchgang und an der langen Schlange von Passagieren vorbei, die darauf brennen, die Reise ihres Lebens anzutreten. Durch das Fernglas sieht er mickrig aus, ein Abklatsch eines Mannes.


  • Als ich noch ein ziemlich junger Mann war, nicht mehr Student und noch nicht Schriftsteller, habe ich für fast kein Geld im Piemont ein kleines Haus gekauft. Es war ein wirklich kleines Haus. Ganz allein stand es in einem Seitental eines Seitentals an einem terrassierten Sonnenhang, der wohl einst ein Rebberg gewesen war.

  • Noch heute höre ich manchmal die Stimmen meiner Urgroßmutter Agnes. Sie weht mir zu wie eine sanfte Brise durch ein offenes Fenster.

    „Das Haus weint“, sagte ich zu ihr, als Wasser die Wände hinunterrann.


    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Der Vater sitzt an seinem Schreibtisch, sieht hinunter auf den Fluß, den Kurgarten, ist immer zuhaus von früh bis spät, unterbricht die Tagesarbeit nur zu den Mahlzeiten und dem Mittagsschlaf. Natürlich, das Kind darf oder soll ihn nicht stören, aber dafür ist er auch immer da, immer in der Nähe, man hört seine Schritte im Flur, man wird mitgetragen von seinem akkuraten Regelwerk.

    Er ist kein Schriftsteller.


  • Sechzehn Jahre zuvor

    Es war ein sehr windiger Tag, und genau aus diesem Grund hatten Rose und er beschlossen, den neuen Drachen das erste Mal steigen zu lassen. Helle und dunkle Wolken bildeten ein Marmormuster am hellblauen Himmel und ließen das schwache Sonnenlicht hindurch, ohne ihm die Wärme zu nehmen. Aber hier im Unterholz konnte Billy davon nichts sehen.


  • Ein dichter Flußnebel, hochgekocht in der Hitze des Tages, hatte sich von der Seine hereingewälzt und die Nacht noch grausiger gemacht, denn er hatte die Häuser und Paläste von Paris mit seinen grauen, geisterhaften Fangarmen umschlungen.

    Das Abendläuten war vorüber und in den Straßen und Gassen von Paris war es still bis auf ein paar stöbern Katzen und den Abschaum der Pariser Unterwelt, der rattengleich nach leichter Beute witterte.

    Eudo Tailler, vorgeblich Weinhändler, huschte mit gezücktem Dolch auf ein verfallenes Haus zu, das an der Ecke stand.