Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Der Junge steht im Gegenlicht. Sein Gesicht, eingerahmt von den glatten Haaren eines echten Jungen, kann man kaum erkennen. Zuerst ist er bloss das Bändel seiner roten oder blauen Badehose, die sich auf schlanken Beinen dem reglosen Schauspiel nähert, das ich bis eben noch allein betrachtet habe.

  • Sie hatte ihn nicht kommen hören.

    Er kam von hinten auf Eliza zugerannt, und als sie ihn bemerkte, war es zu spät.

    Ihr Pfefferspray steckte in der blauen Shopping-Bag, die zu Hause im Entree auf dem Konsolentischchen stand.

    Irrlicht und Hexe (7. Hexenregel: Unterschätze nie die Kraft des Wortes - es hat eine besondere Kraft, es kann befreien, anstoßen und verändern, aber auch verletzen und zerstören)

  • Die Babysitterin war zu spät. Das Paar ging abends fast nie aus,deshalb hatten sie sich lange im Voraus vergewissert, dass sie Zeit hatte. Sie wohnte um die Ecke und hatte schon ein paarmal für sie babygesittet, doch abgesehen davon wusste das Paar nicht viel über sie und ihre Familie, obwohl sie die Mutter vom Sehen kannten und grüßten, wenn sie ihr in der Nachbarschaft begegneten.


  • On January 6, 2021, the Covid pandemic was still raging, and amid the lockdown, it had been months since I had set food in the Washington Post newsroom or covered a story in person. That once bustling D.C. newsroom was largely shuttered, along with the smaller New York City office where I often worked, and most of us – reporters, editors, and columnists – were working from home. Like almost everyone else, I watched Donald Trump’s “Stop the Steal” rally, and the horrifying riot at the Capitol that followed, on TV.

  • Ende Dezember 2015 ließ der Winter noch immer auf sich warten. Weihnachten kam mit seiner Überdosis Glöckchenklang, und die Leute trugen weiterhin T-Shirts und Sandalen, freuten sich über die Verwirrung der Jahreszeiten oder fürchteten sich vor der Klimaerwärmung, während hinter den Fensterscheiben künstliche, mit künstlichem Raureif bestäubte Bäume aufgestellt wurden, die unter Eichhörnchen und Vögeln Verwirrung stifteten. Drei Wochen nach Neujahr, als schon niemand mehr an eine kalendarische Verspätung glaubte, kam die Natur plötzlich zu sich und ließ den ärgsten Schneesturm seit Menschengedenken über der Stadt niedergehen.


  • Ihre Finger umschlossen die Reling, krampften sich immer mehr um das Holz, je näher sie dem Hafen kamen. Anne kannte jede Biegung der Elbmündung, wie oft war sie hier mit ihrem Vater gesegelt, als sie noch Kind war. Glückstadt, die Elbinseln Schwarztonnensand, Pagensand und Bishorster Sand, schließlich Wedel und Neßsand.


  • Es war eine für Juni ungewöhnlich kühle und regnerische Nacht, als sich eine junge Frau, nur mit einem Nachthemd bekleidet, um vier Minuten vor ein Uhr an der Autobahn auf das Eschborner Dreieck zubewegte. Sie war barfuß, die halblangen blonden Haare klebten an ihrem Gesicht. Sie ging unsicher, als wäre sie betrunken.


  • Er fasste sich immer wieder an den oberen Kragenknopf seiner Uniformjacke. Warum nur, fragte sich Friedel. Glaubte er, sie könne nicht mal mehr einen Knopf richtig annähen?

  • Die Frau auf der Treppe sah ganz anders aus, als Kolbeinn sie sich am Telefon vorgestellt hatte. Die tiefe Stimme passte nicht zu ihrer schlanken Figur und ihrer freundlichen Ausstrahlung. Er hatte eine viel verlebtere Person erwartet, mit Zigarette im Mundwinkel und einem Wodka-Flachmann in der Jackentasche.

  • Die Frau auf der Treppe sah ganz anders aus, als Kolbeinn sie sich am Telefon vorgestellt hatte. Die tiefe Stimme passte nicht zu ihrer schlanken Figur und ihrer freundlichen Ausstrahlung. Er hatte eine viel verlebtere Person erwartet, mit Zigarette im Mundwinkel und einem Wodka-Flachmann in der Jackentasche.

    Da berichte mal bitte wie es Dir gefällt. Hatte es schon angefangen, aber ich war dann nicht in der richtigen Stimmung.

  • Es regnet und stürmt. Unfreundlich sei es da draußen, hat die Nachbarin gesagt, die schon mit ihrem Hund spazieren war, hat vom unfreundlichen Draußen gesprochen, als sei das Draußen ein mürrischer Mensch. Es ist November, die Zeit des fahlen Lichts, der Anfechtungen, der Trübnis und des pandemischen Hustens.


  • Robert Simon verließ die Wohnung, in der er mit der Kriegswitwe Martha Pohl lebte, um halb fünf an einem Montagmorgen. Es war im Spätsommer des Jahres 1966, Simon war einunddreißig Jahre alt. Er hatte allein gefrühstückt - zwei Eier, Brot mit Butter und schwarzen Kaffee.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Jedes Haus hat seine Geschichte und sein Geheimnis.

    Unter der Esszimmertapete verbergen sich vielleicht noch Bleistiftstriche, mit denen einst die Größe der Kinder dokumentiert wurde, die vor Jahrzehnten dort wohnten. Unter dem sonnengebleichten Linoleum liegt vielleicht ein Holzboden, über den während des Revolutionskrieges Soldaten trampelten.

  • Bei mir war es so: Ich drehe mich mitten im Winter in einer verdreckten Kellerbar in Ohio von 'nem überlaufenden Klo weg: draußen grölt gerade eine Horde Affen in Lederjacken im Chor, während ein weiterer Affe in Stretchhosen auf die Imitation einer Les Paul Gitarre eindrischt, die über 'nen schrottreifen Marshall-Amp läuft. Das Licht, der Lärm, das Mädchen an der Bar, durch deren verschwitztes T-Shirt ich beinahe hindurchschauen kann...Urplötzlich trifft mich der Schlag angesichts der Sinnlosigkeit, der Absurdität, der schier überwältigenden Verrücktheit von all dem.


  • Es war noch nicht einmal Sommer, die erste Woche im Juni, und doch schon ein schwüler, dunstiger Tag auf dem Feuerschiff Texel. Alles dampfte: die See unter der stechenden Sonne, das geschrubbte Deck vor den geöffneten Bullaugen, das Haschee auf den Tellern der Maschinisten und Matrosen.

    Der Koch, der den Männern wie gewohnt in der Reihenfolge ihrer Dienstjahre die Teller gefüllt hatte, war auf dem Weg zur Kombüse in der Tür stehen geblieben und hatte sich umgedreht, die leere Schüssel noch in den Händen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Capiataine Roger Blanc hatte in zwanzig Dienstjahren bei der Gendarmerie noch nie so viel Blut gesehen: Ein toter schwarzer Kampfstier blockierte die Straße, ein dunkler Koloss, in dessen linker Flanke mindestens zwei Dutzend Neun-Millimeter-Parabellumgeschosse steckten. Einige Meter dahinter lag die Leiche eines Mannes mit schrecklich aufgeschlitzten Leib.