Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Der Schnee wehte herab, bedeckte das bereits mit Frost überzogene spröde Gras und ließ es weicher wirken. Soweit das Auge reichte, erstreckten sich nach allen Seiten die Grampian Highlands, deren Gipfel und Täler von grünem Gebüsch übersät waren. Der Himmel darüber war so eintönig grau, daß er unendlich schien.

  • Der August nahte im Sommer des Jahres 1141 lohfarben wie ein Löwe und schläfrig und schnurrend wie ein Kätzchen am Herd. Nach den reichhaltigen Regenfällen des Frühlings hatte das Wetter zu einer engelhaften Ruhe gefunden. Zum Fest der heiligen Winifred schien die Sonne und dieses wohlwollende Antlitz behielt während der ganzen Kornernte die Oberhand.


  • Die Geschichte hat uns im Stich gelassen, aber was macht das schon.

    Um die Jahrhundertwende beschlossen ein älterer Fischer und seine Frau, Mieter aufzunehmen, um etwas hinzuzuverdienen. Die beiden waren in dem Fischerdorf Yeongdo auf der gleichnamigen fünf Meilen breiten Halbinsel vor der Hafenstadt Busan geboren und aufgewachsen.


  • Der Wald will kein Ende nehmen. Dabei müsste sie doch längst am Ziel sein. Den ganzen Tag ist sie schon unterwegs und langsam bekommt sie es mit der Angst zu tun.


  • Es kursierten schon lange die unterschiedlichsten Gerüchte über ihn. Manche sagten, er habe sich in ein Kloster auf dem Berg Athos zurückgezogen, um zwischen Steinen und Eidechsen zu beten, andere schworen, ihn in einer Villa in Sotogrande gesehen zu haben, umschwärmt von vollgekoksten Models. Wieder andere behaupteten, sie seien auf der Startbahn des Flughafens von Schardscha, im Hauptquartier der Donbass-Milizen oder in den Ruinen von Mogadischu auf seine Spuren gestossen.

  • Sommersonnenwende 2008


    Es ist einer dieser lauen Abende, an denen die Luft satt ist von Düften, Klängen und Sehnsucht. Das Licht wechselt allmählich ins Rötliche, aber immer noch ist es hell, auch zwei Stunden vor Mitternacht. Niemand, so scheint es, mag nur einen Augenblick dieser magischen Nacht verschlafen.


  • Vor einiger Zeit bin ich mitten in der Nacht auf der Berliner Kastanienallee in einem sogenannten Spätkauf zufällig und unverhofft meinem Psychoanalytiker begegnet - zwei Jahre nach dem Ende der Psychoanalyse und zum allerersten Mal ausserhalb des Raumes, in dem ich jahrelang auf seiner Couch gelegen hatte.


    An diesem Abend war ich mit G. unterwegs, mit dem ich befreundet bin. Wir hatten bei einem Italiener auf der Eberswalder Strasse gegessen, vor einer Bar einige Gläser Wein miteinander getrunken, G. hatte mich zur Strassenbahn bringen wollen, auf dem Weg zur Strassenbahn hatten wir angefangen, von unseren Müttern zu sprechen.

  • An einem Dienstagmorgen im April stand Amtsärztin Annette Bäumler vor ihrem Haus und spürte ein Grummeln im Bauch. Nein, etwas Falsches gegessen hatte sie nicht- das Gefühl war eher seelischer Natur. Und mit Fragen der Gemütslage kannte sie sich aus: Seit drei Jahren leitete sie den Sozialpsychiatrischen Dienst der Insel Rügen.




    ASIN/ISBN: 3442715245

  • Mein lieber Martin, nun bist Du also wieder in Deutschland. Wie sehr ich dich beneide! Obwohl ich dieses Land seit meinen Studienzeiten nicht mehr gesehen habe, wirkt der Zauber von Unter den Linden immer noch auf mich - die geistige Freiheit, die Diskussionen, die Musik und die freundschaftliche Wärme.

  • Erinnerst Du Dich daran, wo Du warst, als die Friendship-Sonde auf dem Mars landete ? Ich steckte gerade mitten in den Vorbereitungen für meine Rückreise vom Mond, wo ich eine Dreimonatsschicht in der Basis absolviert und geologische Angestellte von unsere kleine Kolonie zu ihren verschiedenen Untersuchungsgebieten geflogen hatte. Obwohl wir alle Astronautinnen und Astronauten waren, konnte nur eine Handvoll von uns tatsächlich fliegen.


  • "Wir brauchen Rosen",sagte Marco. "Rosen?", wiederholte Antonella und warf dem Mann an ihrer Seite einen ungläubigen Blick zu. Sie standen vor den wenigen Weinstöcken, die zu dem Pachtland gehörten, auf dem sie sich vor den Carabinieri versteckten.


  • Berlin, 4. September 1908


    Wie hässlich lachende Menschen sind, dachte das kleine Mädchen, während sie die Zuschauer betrachtete, die im Halbkreis um sie herumstanden. Ihre aufgerissenen Münder waren rote Höhlen, in denen fleischige Zungen lagen und schadhafte, schiefe Zähne standen davor wie kaputte Zäune. Sie ekelte sich vor ihnen.


  • Nordirland

    Freitagvormittag, 13. Mai 2016

    Was zum Teufell machen wir hier?

    Obwohl sie Lust hatte, die Frage laut auszusprechen, beliess sie es beim blossen Gedanken. Gab es eine noch absurdere Art von Ferientour, als in einem nordirischen Dorf herumzukurven auf der Suche nach einem Grab?

  • Heute Morgen hat mich Rino angerufen, ich dachte, er wollte wieder einmal Geld, und wappnete mich, es ihm zu verweigern. Doch der Grund seines Anrufs war ein anderer. Seine Mutter war unauffindbar.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin