Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Bomben fielen vom Nachthimmel, als der Junge sein Gefängnis verließ, den Raum ohne Fenster, den Raum voller Bücher. Er war zehn Jahre alt und ebenso lange eingesperrt gewesen. An den Wänden seines Zimmers reichten die Regale bis zur Decke, die Bücher standen Rücken an Rücken, viele in dichten Doppelreihen.


  • Plötzlich hat er ein Gewehr in der Hand. Noch vor einer Minute hatten wir Kartoffeln gegessen. Beinahe in Ruhe. Meine Schwester quasselte. Wie so oft.


  • Damit fing es an: Großvater war nicht mehr da. Auch wenn dies ein ziemlich misslicher Ausgangspunkt für eine Geschichte sein mag, handelte es sich doch auch um eine unstrittige Tatsache. Etwa so, wie morgens die Sonne aufgeht oder man mittags Hunger verspürt - eine Tatsache also, an der nicht zu rütteln war.


  • Nichts hat jemals einen Anfang.

    Es gibt keinen ersten Augenblick; kein einzelnes Wort oder einen Ort, wo diese oder eine andere Geschichte ihren Anfang hat.

    Man kann die Fäden stets zu einer früheren Geschichte zurückverfolgen und zu den Geschichten, die dieser vorausgehen; doch wenn die Stimme des Erzählers in den Hintergrund tritt, verblassen die Zusammenhänge scheinbar, denn jedes Zeitalter möchte die Geschichte so erzählt haben, als wäre sie sein ureigenes Produkt.


    Irrlicht und Hexe (7. Hexenregel: Unterschätze nie die Kraft des Wortes - es hat eine besondere Kraft, es kann befreien, anstoßen und verändern, aber auch verletzen und zerstören)

  • Xiao Qian war erstaunt. Als er im Oktober 1945 das erste Mal durch das zerstörte Nürnberg lief, erinnerte ihn die Stadt als einzige europäische Stadt an Peking. Nicht nur der alten Stadtmauer wegen, des Flusses, der sich hindurchschlängelte, oder der Trauerweiden, sondern wegen der Ruhe, die die Stadt ausstrahlte.


  • OSCAR

    Feed zu einem Desaster

    Habe Rebecca Latté gesehen, in Paris. Sofort sind in meiner Erinnerung alle Frauenfiguren aufgepoppt, die sie gespielt hat, gefährliche, toxische, verletzliche Frauen, berührende, auch heroische - wie oft habe ich mich nicht in sie verliebt, wie viele Fotos von ihr habe ich nicht in wie vielen Wohnungen über wie viele Betten aufgehängt, wo sie mich zum Träumen gebracht haben. Tragische Metapher einer Epoche, die den Bach runtergeht - diese göttliche Frau, die zu ihren besten Zeiten so viele Teenies in die Faszination der weiblichen Verführung eingeführt hat - heute zu einer Schlampe verkommen.


  • Im Herzen des West End gibt es viele stille Winkel, fast nur Taxifahrern bekannt, die sie dank ihrer Ortskenntnisse souverän durchqueren und auf diese Weise zielsicher zur Park Lane, zum Berkeley Square oder zur South Audley Street gelangen. Biegt man, vom Hyde Park kommend, an einer unscheinbare Straße ab und wendet sich dann ein-, zweimal nach links und nach rechts, findet man sich auf einer ruhigen Straße wieder und sieht rechter Hand Bertram's Hotel. Bertram's Hotel gibt es schon lange.


  • das erste Mal durch das zerstörte Nürnberg lief,

    Ich war nur einmal bis jetzt in Nürnberg, Lupus, ist schon bestimmt über 20 Jahre her, ich denke, der Eindruck von der Stadt hat sich inzwischen geändert. Aber damals fand ich sehr schön.:love:Nürnberg hatte auf mich eine angenehme, entspannende Wirkung. Fachwerkhäuser, alte Bauwerke, sehr behaglich.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Ich war nur einmal bis jetzt in Nürnberg, Lupus, ist schon bestimmt über 20 Jahre her, ich denke, der Eindruck von der Stadt hat sich inzwischen geändert. Aber damals fand ich sehr schön.:love:Nürnberg hatte auf mich eine angenehme, entspannende Wirkung. Fachwerkhäuser, alte Bauwerke, sehr behaglich.

    Nürnberg ist immer noch eine Reise wert mit sehr schönen Ecken - und nicht zuletzt wegen den Frankeneulen. :zwinker :unschuld:chen

  • Mit dem Korb am Arm ging sie zügig über den Markt. Ein kalter Wind wehte vom Meer her, die Händler hatten sich in ihre Ponchos gehüllt. Es war Juli, der Winter war dieses Jahr früh nach Laguna gekommen.


  • "Macht mir eine gute Figur", sagte die Konsulin, wie sich Frau Waterbloem auch nach dem Tode des Konsuls noch immer anreden ließ, zu ihrer Tochter Mathilde, kurz Tilli genannt, und zum Schwiegersohn Robert Langfeld, Kapitän zur See und Kommandant des Linienschiffs "Bayern". Ihre ein wenig hervorquellenden Augen musterten nicht ohne Stolz Tillis lang herabfallenden Pelzmantel, den sie der Tochter erst vor wenigen Tagen, am heiligen Abend, geschenkt hatte. Tillis Schwester Claudia, verheiratet mit dem Rechtsanwalt Dr. Spitz am anderen Ende der Stadt, hatte sich zum Fest mit einem Teppich begnügen müssen, solide zwar, aber knapp von halbem Wert.


  • Morris leidet an dem Gebrechen, das allgemein unter der Bezeichnung "Abstinenz" bekannt ist. O nein, kein Tropfen Fusel kommt ihm mehr über die Lippen, bis er mit den Füßen voran aus dieser Welt scheidet, hat er mir grad erst erklärt, in der Dancehall, während Mighty Sparrow sein "Barack the Magnificent" aus dem Soundsystem schmetterte.

    Letztes Mal hatten wir das, als er beschloss, Vegetarier zu werden, ganz großer Witz, schließlich hat der Mann sein Leben lang so ziemlich jedes Teil vom Tier in sich reingestopft, bis auf Fell und Zähne.

  • Die Sache war älter als das Wort. Denn nie konnten die Menschen die Zeit abschreiten, durchmessen, einzäunen wie den Raum; sie mussten Zeit stets durch Zeichen wahrnehmen und darstellen, die ihrerseits der Deutung bedurften und verschieden gedeutet werden konnten. Auf den Gedanken, Zeit durch Linien, Kreise oder Zahlen abzubilden, verfiel freilich keine Frühkultur.


  • Es ist das jüdische fünfte Gebot, das bis heute den fundamentalsten Einfluss auf unsere Psyche hat. Über das Gebot, den anderen nicht zu morden oder ihm nichts wegzunehmen, kommen die Menschen erwiesenermassen genauso gut hinweg wie darüber, seinen Partner nicht zu betrügen. Selbst Neid und Missgunst sind inzwischen gesellschaftsfähig geworden.