Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Mein lieber Marwan,

    in den langen Sommern der Kindheit,

    als ich noch so jung war wie du,

    haben deine Onkel und ich unsere Matratzen

    auf das Dach des Bauernhauses

    deiner Großmutter gelegt,

    vor den Toren von Homs.


    Wenn wir morgens erwachten,

    raschelten die Olivenbäume im Wind,

    die Ziege deiner Großmutter blökte,

    ihre Kochtöpfe klapperten,

    die Luft war lind, die Sonne

    ein blasser orangeroter Streif im Osten.


    Einmal warst du mit uns dort, du warst noch sehr klein.


    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Der katholische Freund schließt nicht aus, dass der Evangelist Lukas persönlich das Bild gemalt habe. Er hat Artikel darüber geschrieben, wie er es aufstöberte, von denen ich erst einen las. Im Labor ist das Holz noch nicht untersucht worden.


  • Der katholische Freund schließt nicht aus, dass der Evangelist Lukas persönlich das Bild gemalt habe. Er hat Artikel darüber geschrieben, wie er es aufstöberte, von denen ich erst einen las. Im Labor ist das Holz noch nicht untersucht worden.


    Das Buch hat mir sehr gefallen. Viel Freude damit!

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Der Winter 1933 war schlimm. Am Abend stieg ich durch Berge von Schnee nach Hause. Meine Zehen brannten, die Ohren glühten, Schneeflocken wirbelten um mich her wie ein Schwarm wütender Nonnen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Gestern saß die Frau, die meinem Herzen lieb war, in diesem stillen und einsamen Zimmer.

    Gestern legte sie ihr liebliches Haupt auf diese zart geblümten Kissen. Aus diesem kristallenen Becher trank sie einen Mund voll Wein, vermischt mit einem Tropfen Parfüm.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht. Die meisten Bilder, die ich zu Gesicht bekam, fand ich entweder unansehnlich oder nichtsagend. Bisweilen auch beides zugleich.

  • Reverend Dodd, Pfarrer von St.-Michael's-on-the-Cliff, stand am Fenster seines behaglichen Junggesellenstudierzimmers und schaute in die Nacht hinaus. Es regnete heftig und Windböen vom Atlantik her rüttelten am Fensterrahmen und heulten jämmerlich in den wenigen dürren Fichten, die das Pfarrhaus umstanden. Es war eine bedrohliche Nacht.


  • Zitat

    Die Familie Dashwood war seit langem in Sussex ansässig. Ihr Besitz war ausgedehnt, und ihr Herrenhaus lag in Norland Park, im Zentrum ihrer Ländereien, wo sie viele Generationen lang auf so achtbare Weise gelebt hatten, dass sie bei den Bekannten in der Umgebung allgemein in hohem Ansehen standen. Der vorherige Eigentümer des Besitzes war ein Junggeselle, der ein sehr hohes Alter erreicht und in seiner Schwester viele Jahre lang eine ständige Gefährtin und Haushälterin gehabt hatte.

    Sasaornifee :eiskristall

    _______________________
    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Im ersten Jahr des neuen Jahrtausends fiel mir ein Buch in die Hände, aus dem ich erfahren sollte, dass ich zwanzig Jahre im Haus eines ehemaligen Mitglieds der SS gewohnt hatte. Nicht, dass es vorher keine Hinweise darauf gegeben hätte: Selbst Notar De Potter hatte an dem Tag, als ich mit ihm das Haus besichtigte, den früheren Bewohner beiläufig erwähnt; ich schenkte dem jedoch nur wenig Aufmerksamkeit. Vielleicht verdrängte ich es danach auch, beeindruckt, wie ich damals war von den schmerzvollen Gedichten Paul Celans, den Zeugnissen Primo Levis und den ungezählten Büchern und Dokumentarfilmen, die sprachlos machten angesichts des Unvermögens einer ganzen Generation, das Undenkbare in Worte zu fassen.

  • Im Oktober färbten sich die Bäume gelb. Dann wurden die Uhren eine Stunde zurückgestellt, und die Novemberwinde kamen, wehten unablässig übers Lnd und entblößten die Bäume. In der Stadt New Ross stießen die Schornsteine Rauchschwaden aus, die sich herabsenkten und in haarfeinen, langgezogenen Fäden davonschwebten, bevor sie sich entlang der Kais verteilten, und bald schwoll der Fluss Barrow, dunkel wie Stout, mit Regenwasser an.

  • Ich sah Martha zum ersten Mal auf dem vierzigsten Geburtstag meiner Mutter. Damals wusste ich nicht, dass sie Martha hiess, ich kannte sie nur als »Frau Gruber«.

    Die Geburtstagsfeier sollte unten im Gemeindesaal stattfinden, das war der Keller in unserem Hinterhof.

  • Lloyd las das letzte Kapitel, dann klappte er das Buch aus der Leihbücherei mit einem Seufzer der Erleichterung zu. Warum schaffte er es einfach nicht, nach der Hälfte aufzuhören ? Doch auch wenn die Handlung noch so vorhersehbar und die Dialoge fürchterlich gestelzt waren, er fühlte sich wie durch eine Art Naturgesetzt geradezu verpflichtet, jedes Buch zu Ende zu lesen.


  • Dies ist die Geschichte meiner zwei Familien, der furchterregenden Herzöge von Aquitanien und der niederträchtigen Karpetinger, der Herscher Frankreichs. Sie erzählt davon, wie wir uns hassten und unsere Lebenswege sich ein ums andere Mal kreuzten, bis wir uns gegenseitig zerstörten in jenem turbulenten zwölften Jahrhundert, in dem der Okzident sich für immer veränderte.

    Zwei Heranwachsende - Louis, König von Frankreich, und ich, Herzogin von Aquitanien - zogen mit rasenden Federstrichen, unter Verrat und Belagerungen, Blut und Samen die Grenzen dessen, was später Europa sein würde.

  • Manchmal stelle ich mir Tøyen vor. Dann sehe ich es bildlich vor mir.

    Leute schleppen Einkaufstüten aus dem Spar und schieben Kinderwagen durch den Schnee, Kinder laufen mit hüpfenden Rucksäcken zur Schule, und in der großen Pause steht der Hausmeister neben dem Torpfosten des riesigen Durchgangs und raucht.


  • Am Ende der Rue Guénégaud, von den Quais kommend, befindet sich die Passage du Pont-Neuf*, eine Art schmaler, dunkler Korridor, der von der Rue Mazarine zur Rue de Sine führt. Diese Passage ist höchstens dreissig Schritte lang und zwei in der Breite; sie ist mit abgenutzten, losen, gelblichen Fliesen gepflastert, die nie frei von beissender Feuchtigkeit sind; die quadratischen Glasscheiben, die das Dach bilden, sind schwarz von Schmutz.

    An schönen Tagen im Sommer, wenn die Strassen in der prallen Sonne brennen, fällt weissliches Licht von der schmutzigen Glasur über dem Dach und zieht elendig durch die Passage.

    * Für Literatur begeisterte Paris Besucher und die es noch werden wollen: Die Passage du Pont-Neuf ist kurz vor dem 1. Weltkrieg umgebaut worden zu einem Strässchen, die Rue Jacques-Callot.

  • Viele schöne Lesestunden dir Sequana  :wave. Von Emile Zola und Guy de Maupassant habe ich absolut alles mit großem Vergnügen gelesen. :thumbup:

    WOW! Hut ab Estha absolut alles von Emile Zola und Guy de Maupassant gelesen zu haben, tat ich sogar nicht als Teenie, als ich die russischen, französischen und englischen Romane des 19. Jahrhunderts nur so in mir hineinzog.

    Viele Romane und Erzählungen von Zola habe ich gelesen, aber alle 20 Bände der Rougon-Macquart habe ich nie geschafft. Da fehlen mir heute noch "La Conquête de Plassans" und "Une page d'amour"; "Le Rêve" habe ich nie beendet. Aus der Serie der Städte kenne ich nur den Roman zu Paris, die Serie der "Quatre Evangiles" habe ich nie in die Hände genommen. Dafür habe ich vieles aus Zolas journalistischer Tätigkeit gelesen, seine Literaturkritiken, Kunststudien, etc. Er war eben ein toller Beobachter des Fin de Siècle und hilft mir gerade auch wieder wie ich mich mit den Brüdern Goncourt beschäftige.

    Von Maupassant habe ich die Erzählungen so sehr gemocht, dass ich viele immer und immer wieder las, andere nur überflog und den Überblick verlor, was ich gelesen habe. Ich lese sie auch heute noch immer wieder gern. Die Romane habe ich erst viel später entdeckt und mehrfach gelesen, wobei "Mont-Oriol" weiterhin auf mich wartet. Das ist das schöne an der Kollektion der Pléïade, wo alle Romane mit dem literaturgeschichtlichen Beiwerk in einem Band herausgegeben sind.
    Ich komme ins Schwärmen, muss aber arbeiten...

  • Die Familiengeschichte der Hohenzollern begann nicht in Preußen, sondern in Süddeutschland, in Schwaben und in Franken. Die Dynastie bezog ihre Legitimation nicht zuletzt aus der Genealogie, die Friedrich II. in seiner "Geschichte des Hauses Brandenburg" mit dem Grafen Tassilo aus dem 8. Jahrhundert beginnen ließ, einer Gestalt, die allerdings bereits die historische Forschung des 19. Jahrhunderts ins Reich der Legende verwiesen hat.

    Die erste Erwähnung der (Hohen) Zollernfamilie stammt aus dem Jahr 1061.


  • WOW! Hut ab Estha absolut alles von Emile Zola und Guy de Maupassant gelesen zu haben, tat ich sogar nicht als Teenie, als ich die russischen, französischen und englischen Romane des 19. Jahrhunderts nur so in mir hineinzog.

    Hört sich mehr an, als es damals war. Ich hatte eine absolut französische Phase im Alter von ca. 15–17 Jahren. Da kamen mir all die Geschichten von den beiden Autoren unheimlich erwachsen und unterhaltsam vor. :love:

    Da die Bibliothek alle Bücher hatte, war es kein Zaubertrick. Ich mochte die beiden unglaublich gern: Tragik, Liebe, Emotionen. Genau das richtige für mich.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume