Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Die Nacht war tiefschwarz, der Lago d'Orta unter einem sternenlosen Himmel fast unsichtbar, die Luft von einem stetigen Rauschen erfüllt. Der See toste, es regnete in Strömen. Ein Gewittersturm fegte über das Wasser, türmte düstere Wellen mit weißen Schaumkämmen auf, die wuchtig auf das Dorf zurollten, klatschend an der Ufermauer brachen und Gischt hochschießen ließen.


  • "Was?"

    Es war die vierte Nacht in Folge, in der Cecily Beresford aus dem Schlaf hochschreckte, weil eine Stimme ihr etwas zugeflüstert hatte. Sie saß kerzengerade im Bett und sah in die dunkle Nacht, dabei hielt sie eine Hand auf ihre Brust gedrückt, um ihr hastig schlagendes Herz zu beruhigen.


  • Sie träumte, ein kleiner Junge habe an ihrer Haustür geklingelt. Sie wimmelte ihn ab, so wie sie jeden abwimmelte, der ungebeten vor ihr stand und irgendetwas haben wollte. Dieses überfallartige Betteln war ihr schon immer ein Dorn im Auge gewesen, sie fühlte sich bedrängt und genötigt, wenn jemand plötzlich auf ihrem Grundstück aufkreuzte und die Hand aufhielt.


  • Er kommt vom Fluss. Schleicht sich ihne Vorwarnung in meinen Garten. Ich sitze im Kameliengarten oberhalb der Mündung, warte auf den Sonnenuntergang, beobachte ein paar Austernfischer am Ufer und überlege mir, wer Major Palgrave ermorden wird.


    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • Jeden Morgen, außer sonntags, fuhr Johnnie Butt zwischen halb acht und halb neun seine Runde durch das Dorf Chipping Cleghorn. Dabei pfiff er auf dem Fahrrad laut durch die Zähne und hielt an jedem Haus oder Cottage, um die Morgenzeitungen durch den Briefkastenschlitz zu schieben, welche die jeweiligen Hausbewohner vom Zeitungshändler Mr Totman an der Hauptstraße bestellt hatten. So lieferte er dem Colonel und Mrs Easterbrook die Times und den Daily Graphic aus, Mrs Swettenham bekam die Times und den Daily Worker, Miss Hinchcliffe und Miss Murgatroyd den Daily Telegraph und den New Chronicle und Miss Blacklock erhielt den Telegraph, die Times und die Daily Mail.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Heute hat mein Vater seine neue Braut heim geführt. Klip-klop sind sie über die Ebene gekommen, in einem Einspänner, gezogen von einem Pferd, dem an der Stirn eine Straußenfeder wehte, und staubig nach der langen Fahrt. Oder vielleicht wurden sie gezogen von zwei federgeschmückten Eseln, auch das ist möglich.



  • Jeden Morgen, außer sonntags, fuhr Johnnie Butt zwischen halb acht und halb neun seine Runde durch das Dorf Chipping Cleghorn. Dabei pfiff er auf dem Fahrrad laut durch die Zähne und hielt an jedem Haus oder Cottage, um die Morgenzeitungen durch den Briefkastenschlitz zu schieben, welche die jeweiligen Hausbewohner vom Zeitungshändler Mr Totman an der Hauptstraße bestellt hatten. So lieferte er dem Colonel und Mrs Easterbrook die Times und den Daily Graphic aus, Mrs Swettenham bekam die Times und den Daily Worker, Miss Hinchcliffe und Miss Murgatroyd den Daily Telegraph und den New Chronicle und Miss Blacklock erhielt den Telegraph, die Times und die Daily Mail.


  • Mein Heimatort war nicht mehr als ein Dorf mit etwa sechshundert Einwohnern (und ist das weiterhin, wenngleich ich weggezogen bin), aber genau wie in der Großstadt hatten wir Internet, weshalb mein Vater und ich zunehmend weniger echte Post bekamen. Normalerweise brachte Mr. Nedeau nur die wöchentliche Ausgabe von Time, dazu an "Bewohner" oder "Unsere lieben Nachbarn" adressierte Prospekte oder die monatlichen Rechnungen. Ab 2004 jedoch, als ich neun wurde und anfing, für Mr. Harrigan oben am Hang zu arbeiten, konnte ich damit rechnen, dass ich jedes Jahr mindestens vier von Hand beschriftete Umschläge bekam.


  • Mein erster Tag als Kindermädchen drohte ein totaler Reinfall zu werden.

    "Du bist ganz bestimmt das schlechteste Kindermädchen der Welt, Fanny Funke", meinte auch Don, als ich hektisch an ihm vorbeilief und dabei "Jungs! Das ist nicht komisch! Kommt doch bitte wieder her!" rief.


  • In der Folterkammer war das Feuer herunter gebrannt, während Irene darauf wartete, dass der Graf kam. Die Steinwand hinter ihrem Rücken war kalt; das spürte sie sogar durch mehrere Lagen Kleidung - Dirndl, Bluse, Schürze und Schultertuch. Und die eisernen Fesseln scheuerten an den Handgelenken.


  • Man kann einen schönen Frühlingstag in London nicht mit dem Frühling auf dem Land vergleichen, doch die Stadt gibt sich Mühe.

    Die staubbedeckten Bäume treiben aus.

    Über den Dächern hängt ein Leichentuch von feinem Schmutz, jedoch ist es dünner als die schlimme schwarze Decke, unter der die Straßen während des Winters ersticken.


    Irrlicht und Hexe (7. Hexenregel: Unterschätze nie die Kraft des Wortes - es hat eine besondere Kraft, es kann befreien, anstoßen und verändern, aber auch verletzen und zerstören)

  • Gelbe Blüten raschelten im Sommerwind. Die junge Frau ging langsam durch den verwinkelten Klostergarten und ließ sich von der Wärme liebkosen. Ihre Haut hatte eine gesunde Bräune angenommen, ihre Wangen waren voller geworden und die dunklen Ränder unter den Augen verschwunden.