Die Eisenbahn zu Kaisers Zeiten - Andreas Knipping

  • Immer wieder faszinierend: mit einer Dienstzeit von 44 Jahren war eine solche Lok Zeitgenossin noch von vielen 1A1-Loks, von Schnellzügen aus ofenbeheizten Abteilwagen, Zeitgenossin natürlich auch von Bismarck, dem alten Kaiser und dem bayerischen König Ludwig II. - um dann aber auch noch Auto, Flugzeug, U-Boot, S 3/6 und G12, den elektrischen Eisenbahnbetrieb sowie den Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik zu erleben. (Seite S. 20)


    ASIN/ISBN: 3882553111

    144 Seiten, ca. 200 s/w Abbildungen, gebunden, Querformat ca. 29,5 x 21 cm

    Verlag: EK Verlag, Freiburg 2012

    ISBN-10: 3-88255-311-1

    ISBN-13: 978-3-88255-311-6



    Zum Inhalt (Buchrückentext, eigene Angabe)


    Mit „Es war einmal“ fangen viele Märchen an. Auch auf den Inhalt dieses Buches trifft dieses „es war einmal“ zu - nur, daß der Autor keine Märchen erzählt, sondern eine Vergangenheit zeigt, die für viele Menschen einmal Gegenwart und harte Realität war. Eine Zeit, in der Deutschland ein Kaiserreich wurde, technischer Fortschritt, wirtschaftlicher Aufschwung und das Selbstbewußtsein der Gründerzeit zu einem Höhepunkt der Eisenbahn-Epoche führten.

    In Wort und Bild stellt der Autor eindrücklich diese Epoche dar - bis hin zum unrühmlichen Ende auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges.


    Mit der Einordnung in eine Rubrik habe ich mich sehr schwer getan, das Buch ist kein reiner Bildband, sondern eine Mischung aus Technik, Geschichte und Technikgeschichte. Blieb nur noch "Sonstige Sachbücher" übrig.



    Über den Autor


    Andreas Knipping, geb. 1952, ist im Hauptberuf Jurist und war u. a. als Richter am Sozialgericht tätig. Seit den 70er Jahren hat er zahlreiche Bücher zu Eisenbahnthemen veröffentlicht. Er lebt in der Nähe von München.


    Informationen im Internet:

    - Die Seite zum Buch beim EK-Verlag

    - Die Wikipedia-Seite zum Autor




    Meine Meinung


    Es war einmal - hier nicht als Beginn eines Märchens, sondern als zutreffende Beschreibung des Buchinhaltes. Denn alles, was in diesem Buch zu finden ist, ist Vergangenheit - vorbei, aber nicht vergessen. Dafür sorgen schon die zahlreichen zeitgenössischen Fotos von längst verstorbenen und meist wirklich vergessenen Menschen bis hin zu den Lokomotiven und Wagen, die meist den Weg alles Irdischen gegangen sind. Nur wenige haben es in Museen oder zu Eisenbahnvereinen geschafft, wo sie liebevoll gepflegt und vielleicht sogar fahrfähig aufgearbeitet wurden.


    So, wie jene Zeit eine langsamere war, so sollte man sich auch für das Betrachten der Fotografien Zeit nehmen, nicht einfach ansehen und umblättern zur nächsten. Wenn man sich hinein vertieft, beschleicht einen nicht selten das Gefühl, selbst dabei zu sein, so lebensecht wirken die alten Schwarzweiß-Fotografien. Kaum zu glauben, daß von den Männern (und die Eisenbahn war damals ein reiner Männerberuf) kein einziger mehr am Leben ist, vielleicht nicht mal mehr die Gräber existieren. Und dennoch blicken sie stolz und selbstbewußt in die Kamera, wissend, daß das vielleicht das einzige Mal in ihrem Leben ist, daß sie fotografiert werden. Und wir Betrachter das Einzige sehen, was von ihrem Leben noch übrig ist.


    Der Autor spannt einen weiten Bogen von den Anfängen der Kaiserzeit bis hin zu deren bitteren Ende 1918. „Die Form der Annäherung an eine ferne Zeit ist nicht die der wortreichen Analyse, sondern die des Albums aussagekräftiger Bilddokumente.“, so schreibt der Autor im Vorwort auf Seite 3. Und besser kann man den Inhalt nicht zusammenfassen. Wenn man die Postkarten sieht mit den in Sütterlin an die (uns) unbekannten Empfänger geschriebenen Mitteilungen, mag man ins Sinnieren kommen, ob von uns einstens wenigstens so ein Vermerk übrig bliebt, den irgendjemand lesen und an uns denken wird. Doch auch die negativen Seiten werden nicht verschwiegen - bis hin zum blutigen Ende des Kaiserreiches 1918.


    Wenn man die Fotos sieht, vor allem die aus den preußischen Landen, kann man sich kaum vorstellen, daß die Eisenbahngeschichte dort mit allem Möglichen, nur nicht mit Glanz und Gloria begonnen hat. Beim Betrachten der Bilder dieses Buches mag man sich ein verklärtes Bild jener Epoche machen, mit dem Wolfgang Klee in seiner „Preußischen Eisenbahngeschichte“ jedoch recht gründlich aufräumt. Aber davon demnächst an anderer Stelle mehr.


    Hier überwiegt beim Betrachten eher eine leise Melancholie im Hinblick auf das, was alles vorbei und nicht mehr ist. Schließlich gelangt man auf die letzte Seite; ein Menschenauflauf ist zu sehen, die Eisenbahn deutlich in den Hintergrund gedrängt. „Der Krieg ist verloren, das Kaiserreich ist untergegangen. Jahre einer nie gekannten Unruhe und der hasserfüllten politischen Leidenschaften haben begonnen. Die von uns besichtigte Epoche ist vorbei.“ (S. 144)



    Mein Fazit


    Mit wenig Text und in vielen Originalfotografien ersteht eine längst untergegangene Eisenbahnepoche vor dem Auge des Betrachters. Mit einer gewissen Wehmut, zumal wenn man selbst noch Dampfloks im täglichen Betrieb erlebt hat, mag einem selbst der Gedanke an die „gute alte Zeit“ kommen. Es war einmal...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")