7 Bücher in 7 Tagen: Mini-Lesechallenge

  • Hallo,


    inspiriert durch das Buch von Nina Sankovitch: Tolstoi und der lila Sessel (in dem eine Frau zur Trauerbewältigung 365 Tage lang täglich ein dünnes Buch liest),

    möchte ich die nächsten 7 Tage vom 26.07. - 01.08.2020 täglich ein dünnes Buch lesen. Die Bücher haben alle mehr oder weniger als 200 Seiten, ein Buch ca. 266 Seiten,

    aber das lese ich heute, da habe ich Zeit.


    Vielleicht inspiriert jemanden diese Mini-Challenge.


    Folgende Bücher möchte ich lesen vom 26.07. - 01.08.20


    1. Elizabeth von Arnim: Verzauberter April: 266 Seiten

    2. Yoko Tawada: Send bo-o-te: 186 Seiten

    3. Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther: 118 Seiten

    4. Christine Wunnicke: Der Fuchs und Dr. Shimamura: 137 Seiten

    5. Lewis Carroll: Alice im Wunderland: 129 Seiten

    6. Amélie Nothomb: Der Professor:188 Seiten

    7. Mercè Rodoreda: Der Garten über dem Meer: 230 Seiten



    Liebe Grüße, Nina

  • Danke schön Bella :)


    Ich muss gestehen, dass das Büchereibücher sind, in meinem eigenen SUB sind auch nicht so vielle dünne Bücher. Aber wenn ich meine Büchereibücher ausgelesen habe, werde ich mich vermehrt meinen eigenen Büchern widmen.


    lg, Nina

  • Nur zu Streifi :lesend:-]


    Im September oder Oktober werde ich dann vermutlich eine 21-Tage Challenge starten, die aber dann mit eigenen dünnen Büchern.


    Ich mag Challenges, sie spornen einen an, am Ball zu bleiben und diszipliniert zu lesen, wobei ich mich ja nie zum Lesen zwingen muss. Und dünne Bücher hat man schnell gelesen. :freude

  • Murmelito : Ohne belladonnas Kinder zu kennen: vergiss es :lache. Kinder wollen ihre Eltern immer sofort und unverzüglich. Aber zum Glück werden ja alle Kinder früher oder später älter und freuen sich dann, wenn SIE ihre Ruhe haben. :-]


    Dir wünsche ich viel Spaß bei deiner challenge, das hört sich sehr interessant an! Früher möchte ich keine dünnen Bücher, weil ich irrtümlich dachte, es wäre dann keine komplexe Geschichte. Mittlerweile habe ich (auch durch den Lesekreis, in dem wir verstärkt dünne Bücher lesen) gemerkt, dass eine gute kurze Geschichte verdichtet und dadurch sehr intensiv ist. Und manchmal auf 100 Seiten viel mehr steht als auf 700. Lass doch bitte hören, wie dir die Bücher gefallen.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Och, stören tun sie mich nicht, die Jüngste ist mittlerweile 13! :grin Aber ich hab halt nicht automatisch auch frei, wenn die anderen frei haben, der Haushalt muss ja trotzdem gemacht werden, auch wenn das Jungvolk zur Mithilfe genötigt wird. Und ab und an unternehmen wir auch was und schwupps sind die Wochen rum und ich hab auch nicht wesentlich mehr gelesen als während der Schulzeit.


    LG, Bella

  • Ja, ich denke, Du hast recht, lese-rina - mit Kindern im Hintergrund zu lesen, einzutauchen in eine Geschichte ist sicherlich schwer.


    Dann hoffe ich mal, belladonna, dass Du Dir trotzdem schöne Lesestunden gönnen kannst.


    Ich mochte früher auch keine dünnen Bücher, ich dachte so wie Du, lese-rina: was kann in knapp 200 Seiten schon reinpassen, aber mittlerweile schätze ich sie, man kann sie gut mal so zwischendurch lesen und es kommt letztlich auch auf die Qualität an und manchmal die Dichte der Handlung und die Schönheit der Worte.


    Jedem, der auch so eine Challenge machen möchte, rate ich, sich vorab Gedanken zu machen, was er tun wird, wenn ihm das Buch nicht gefällt..:(... so, wie es mir heute sogar 2 x ging.


    Ich habe mich voller Elan an das Buch "Send bo-o-te begeben. Es ist teilweise sehr schön geschrieben, poetisch, ungewöhlich, Science Fiction, skurril, schöne Formulierungen, aber ich wurde nicht warm mit ihm und fing an, mich zu quälen. Nach 60 Seiten legte ich es weg und sagte mir, dass es ja nicht darum geht, mich durch Bücher zu quälen, sondern eine bestimmte Anzahl zu lesen in einer bestimmten Zeit. Also nahm ich das nächste: Alice im Wunderland, weil ich dachte, ich müsse das mal gelesen habe. Aber auch das Buch konnte mich nicht fesseln, es ist ein Kinderbuch, klar, aber es ist mir zu sehr Kinderbuch, es lag mir nicht.


    Gut, also werde ich die Liste ändern. Ich habe noch ein Buch gefunden, dass ich dann las, ein esoterisches Märchen, ganz nett, nichts allzu Neues für mich als Thema, aber okay und angenehme 72 Seiten.


    Hier also meine geänderte Liste:

    Folgende Bücher möchte ich lesen vom 26.07. - 01.08.20


    1. Elizabeth von Arnim: Verzauberter April: 266 Seiten - gelesen

    2. Marie-Claire van der Bruggen: Das Märchen vom Tod: 72 Seiten - gelesen

    3. Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther: 118 Seiten

    4. Christine Wunnicke: Der Fuchs und Dr. Shimamura: 137 Seiten

    5. Hideo Okuda: Die seltsamen Methoden des Dr. Irabu: 231 Seiten

    6. Amélie Nothomb: Der Professor:188 Seiten

    7. Mercè Rodoreda: Der Garten über dem Meer: 230 Seiten



    Ich habe gemerkt, dass etwas mehr als 200 Seiten doch nicht so wenig sind, wie ich dachte.


    Hier mein Kommentar zu den Büchern:


    1. Elizabeth von Arnim: Verzauberter April


    Ein schönes, bezauberndes und leichtfüßiges Buch in einer etwas altertümlichen Sprache. Es geht um einen Monat, April, in Italien, der einige Menschen, die dort Urlaub machen, verwandelt, der seinen südländischen, duftenden Zauber über alle ergießt und sie mit Liebe und Lebensfreude durchdringt. Es geht um Beziehungen, um Verflechtungen, um Konventionen, die wie starre Mauern allmählich sonnentrunken bröckeln und die Menschen zu sich selbst kommen lassen, fernab von allem Steifen und Wesensfremden, hin zu ihrer Sehnsucht.


    Mit feinem Humor gewürzt, manchmal zog es sich etwas, man musste sehr konzentriert lesen, aber ich kann es sehr empfehlen.


    Hier ein paar nette Zitate zum Schmunzeln:

    Seite 13: "Danach schaute sie Mrs. Arbuthnot mit einem Kettenhundblick an. "Dieses arme Geschöpf, dachte Mrs. Arbuthnot, deren Leben aus Helfen und Trösten bestand, "braucht Rat".


    Seite 21: "Und Frederick, einst ihr heißgeliebter Bräutigam, ihr angebeteter junger Ehemann, war an die zweite Stelle direkt hinter Gott auf die Liste ihrer Pflichten und Verzichte gerückt. Da schwebte er, an zweitwichtigster Stelle, etwas Lebloses, bis zum Weißbluten ausgepreßt durch ihre Gebete".


    Seite 195: "Ja, Mellersh liebkoste sie sogar. ...doch der Einfluß von San Salvatores auf ihn war, wie Lotty vermutete, so groß, daß er sie in der zweiten Woche manchmal an beiden Ohren zog, eins nach dem anderen, statt bloß an einem und Lotty, die sich über solche rasch zunehmende Zärtlichkeit wunderte, fragte sich, was er, sollte es bei dieser Geschwindigkeit bleiben, in der dritten Woche machen würde, da ihr Vorrat an Ohren erschöpft war".



    2. Bruggen: Das Märchen vom Tod


    Es geht um eine kleine Seele, die in seeliger, warmer Geborgenheit im Himmel vor sich hinschwebt und die nun auf die Erde möchte, um Lebenslektionen zu lernen. Sie sucht sich im Himmel ihre Familie, Freunde, ihren Feind aus und inkarniert dann auf der Erde, vergißt ihren Aufenthalt im Himmel und erst ganz allmählich blitzen Erinnerungen wieder auf an den wunderbaren Zustand der Glückseligkeit. Es geht um das Höhere Selbst, zu dem sie Kontakt aufnehmen kann, um ihren Schutzengel, der ihr beisteht. Sie fühlt stets ein unbestimmtes Sehnen nach etwas Höherem, fühlt sich fremd auf der Erde. Sie findet ihren Seelenpartner, der sie dann aber verletzt, aber dadurch lernt sie wieder Dinge, die sie weiterbringen.


    Ganz nett, wenn man noch nichts zu dem Thema gelesen hat, es hat mich nicht wirklich gefesselt, da mir vieles schon bekannt war.

  • Ich mag mich nicht zum Lesen zwingen oder animieren. Es gibt 500 SeitenBücher, die habe ich in 3 Tagen ausgelesen und welche mit 200 Seiten da brauche ich eine Woche. Außerdem habe ich nicht immer die nötige innere Ruhe dazu. Aber Dir viel Spaß bei den Challenges

  • Ein interessantes Unterfangen. Allerdings sollte man bedenken, das auch bei "schmalen" Büchern durchaus dazu kommen kann, dass einen das Buch mehr als einen Tag beschäftigt. Lesen sollte in meinen Augen Freude bereiten, es sollte aber nicht zu einem Lesewettlauf kommen. Was bleibt bei diesem Lesetempo denn beim Lesenden hängen?

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo,


    ich zwinge mich zu nichts - weder bei dicken noch dünnen Büchern - wie ich ja gestern auch schrieb. Wenn sie mir nicht gefallen, breche ich sie ab. Ich lese immer mit Freude, wenn Bücher mir keine Freude machen, lese ich sie nicht weiter.


    Es ist ein Experiment - ich gucke mal, wie es für mich ist - langfristig werde ich natürlich nicht täglich ein Buch lesen, aber dadurch, dass ich darüber schreibe (rezensiere), kann ich es für mich schon verarbeiten.


    Das ist sicherlich nicht bei jedem Buch möglich, aber auch wenn ich ein weiteres lese, kann ich ja trotzdem über ein anderes Buch nachdenken. Manche Bücher liest man, sie gefallen einem oder nicht, aber nicht jedes Buch wirkt nach.


    Lg, Nina

  • Ich habe mir eine Leseliste für den Sommer gemacht, also eigentlich auch eine Art Challenge. Und ich scheitere mal wieder grandios :rofl Irgenwie erliege ich jedes Jahr dem Irrglauben, dass Sommerferien für die Kinder auch Sommerferien für mich bedeuten... 8o


    LG, Bella

    Ja, da vertue ich mich auch jedes Jahr ... Ich habe mehr Zeit zu lesen, wenn die beiden in der Schule sind :lache

  • Folgende Bücher möchte ich lesen vom 26.07. - 01.08.20

    1. Elizabeth von Arnim: Verzauberter April: 266 Seiten - gelesen

    2. Marie-Claire van der Bruggen: Das Märchen vom Tod: 72 Seiten - gelesen

    3. Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther: 118 Seiten - gelesen

    4. Christine Wunnicke: Der Fuchs und Dr. Shimamura: 137 Seiten - gelesen

    5. Hideo Okuda: Die seltsamen Methoden des Dr. Irabu: 231 Seiten - gelesen

    6. Amélie Nothomb: Der Professor:188 Seiten- gelesen

    7. Mercè Rodoreda: Der Garten über dem Meer: 230 Seiten


    3. Christine Wunnicke: Der Fuchs und Dr. Shimamura

    Ein interessantes Buch, manchmal zäh zu lesen, manchmal anstrengend. Es geht um einen japanischen Neurologen, der in Japan über Fuchsgeister forscht, um Neurosen und Hysterie. Er lebt in erstickender Nähe von 4 Frauen auf einem schmalen Grad zwischen Normalität und Wahnsinn. In seiner Jugend verbrachte er eine Zeit in Europa zu Forschungszwecken.


    Das Buch ist skurril, poetisch formuliert, teilweise mühsam durch langwierige medizinische Passagen.


    Zitate:

    S. 11" Auch hielt sie die vier Frauen nicht von Dr. Shimamura fern. Sie rumorten, während er neben seinem Schreibtisch im Rattansessel saß und auf das Fenster blickte, an vier verschiedenen Stellen im Haus, und bald würden drei von ihnen durch die Tür hereinkommen, um nach ihm zu sehen. Hanako und Yukiko waren beide schon weit über achtzig. Hanako war, wie ihr Sohn, asthenisch und lang. Yukiko, eine weiche Kugel, kam gelassener durch den Tag. In seinen Träumen verschmolzen sie oft zu einer einzigen Muttergestalt, die sich abwechselnd dehnte und ballte..."


    S. 46 "Ein Leben, fand Hanako, zumal das eines gebildeten Mannes und insbesondere das ihres Sohnes, sollte unter einem einfachen Motto stehen. Dieses Motto, so hatte sie nach langen Überlegungen und nach der Lektüre sehr vieler Romane herausbekommen, musste in gewisser Weise edel, in gewisser Weise auch verzweiflungsvoll sein. .."


    S. 56" Die ägyptischen Zigaretten waren aufgeraucht. Die zwei japanischen Romane, die ihm die unfreundliche Fremde, mit der er verheiratet war, ohne ein Lächeln mit auf den Weg gegeben hatte, waren ausgelesen, vergessen und verloren..."


    4. Hideo Okuda: Die seltsamen Methoden des Dr. Irabu - Erzählungen

    Okuda hat einige Erzählbände über seinen Dr. Irabu geschrieben. Sie sind alle ähnlich aufgebaut: es geht um interessante, originelle, seltsame Neurosen, die Menschen unfreiwillig in die Arme von Dr. Irabu, einem übergewichtigen und recht ungewöhnlichem Psychiater treibt. Dr. Irabu gelingt es durch bizarre Methoden, seine Patienten auf eine gewisse Weise zu kurieren, teilweise durch merkwürdige Vorschläge, teilweise indem er selbst aktiv eingreift. Dr. Irabu selbst ist recht albern, was vermutlich zu seiner Methode gehört. Mich nervte es gelegentlich, denn die Erzählungen sind nach demselben Schema F konstruiert: Fälle wie z.B. ein Trapezkünstler, der nicht mehr arbeiten kann und die Schuld anderen gibt - ein Yakuzua-Chef (japanische Mafia), der Angst vor spitzen Gegenständen hat - ein Arzt, der aus seiner steifen Biederkeit ausbrechen will und davon träumt, seinem Schwiegervater das Toupet vom Kopfe zu reißen...Die Fälle sind das Interessante, ungewöhnliche Ticks und Neurosen - aber der Psychiater selbst ist eher die Rahmenhandlung und manchmal störender Hintergrund.


    Das ist eines der Bücher, die nicht nachwirken, die man nicht gelesen haben muss. Man kann mal ein paar dieser skurrilen Erzählungen lesen, aber dann wird es etwas fade - meine Meinung. Ich habe sie auch eher deshalb gelesen, weil mich japanische Literatur interessiert, aber mehr muss ich davon nicht lesen.


    Aber ich merke, dass es anstrengend ist, täglich ein Buch - auch wenn es dünn ist - zu lesen und dass ich zwar das Experiment beenden möchte, weil ich manchmal gerne Dinge zuende bringe. Aber ich empfehle es nicht und werde es sicherlich nicht wiederholen.




  • 5. Amélie Nothomb: der Professor


    Ich liebe Bücher von Amélie Nothomb, sie kann einfach schreiben und man kann sich genüßlich in ihre Geschichten fallen und einweben lassen. Sie schreibt witzig, klug, pointiert und fein formuliert und ihre Bücher wirken nach, kratzen an die Oberfläche des Selbstverständlichen und bringen einem zum Nachdenken über die teilweise verborgenen moralischen Werte, die in uns schlummern.


    Ein altes Ehepaar, seit Schulzeiten zusammen, nun endlich in Rente, möchte seinen Lebensabend in stiller Abgeschiedenheit genießen, fernab vom Trubel der Welt, eingesponnen in trauliche Zweisamkeit. Sie finden ein passendes Haus, ziehen ein und zelebrieren wonnige Glückseligkeit, alles scheint perfekt bis….


    auf einmal sich der Nachbar vorstellt (Monsieur Bernadin, ein Kardiologe): ein schweigsamer, muffeliger und höchst merkwürdiger älterer Mann, der sich angewöhnt täglich von 16:00 – 18:00 Uhr aufzutauchen, um sich mit unverschämter Flegelhaftigkeit im Sessel zu lümmeln und zu schweigen. Das Ehepaar ist verblüfft, konsterniert, hilflos, quält sich mit zäher Konversation, ringt dem Griesman mühsam Wort um Wort aus seiner kommunikativen Verweigerung ab. Sie versuchen zaghaft und unbeholfen, sich abzugrenzen, ihm nicht aufzumachen, aber es nützt nichts, da der Nachbar auf Einlass besteht und sie beide (mehr noch der Mann) in Höflichkeit und Konventionen versklavt sind und sich nicht wehren können. Sie lernen die behinderte Frau kennen, mit der sie Mitleid empfinden, weil sie zusammen mit dem unfreundlichen Muffel zusammen vegetiert und allmählich bahnt sich eine Lösung an….


    Ich fand es interessant zu lesen, wie die moralischen Grundprinzipien, die man als wohlerzogener Mensch mitbekommen hat ausgehebelt werden durch jemanden, der sich einfach nicht um Konventionen schert und sich jeglicher Höflichkeit widersetzt. Was darf mal aus Egoismus für sich in Anspruch nehmen, wann kann ich aus Konventionen ausbrechen, inwieweit darf ich mich einmischen.


    Eine klare Empfehlung von mir.


    Zitate:


    S. 9: "Ich war Latein- und Griechischprofessor an einem Gymnasium. ..Trotzdem sehnte ich den Ruhestand herbei wie der Mystiker den Tod. Ich bemühe diesen Vergleich nicht umsonst. Juliette und ich haben immer nach der Befreiung von all dem gestrebt, was die Menschen aus dem Leben gemacht haben. Studien, Arbeit und selbst die bescheidensten Formen der Geselligkeit, das war uns alles schon zuviel“.


    S. 16“ Ich entrang ihm noch einige weitere elementare Auskünfte – ich musste sie ihm entringen, denn er antwortete so wenig wie möglich. Wenn ich nichts sagte, sagte er auch nichts. …Er verzog keine Miene. Ich fand, er sah aus wie ein trübsinniger Buddha. Geschwätzigkeit konnte man ihm jedenfalls nicht vorwerfen.


    S. 23“ Verblüfflung. Dieser Mann, so verblödet er mir vorkam, war Kardiologe. Das setzte ein schwieriges, beharrliches Studium voraus. In diesem Kopf steckte also Intelligenz“.


    S. 24“ Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich beim Zusammensein mit jemandem stumm blieb. Genauer gesagt, mit Juliette hatte ich das schon getan; zwischen uns war dies sogar die häufigste Form der Verständigung, denn wir hatten, seit wir sechs waren, genug Zeit gehabt, die Sprache hinter uns zu lassen. Aber dergleichen konnte ich im Umgang mit Monsieur Bernadin nicht erhoffen“.


    S. 37“ Dies musste einer der Gründe sein, warum seine Anwesenheit so lästig war. Hätte er ein zufriedenes Gesicht gehabt, so glaube ich nicht, dass sein Schweigen mich ebenso bedrückt hätte. Von der Stagnation in dieser fetten Verzweiflung ging etwas Zermürbendes aus“.