'Septimus Harding, Spitalvorsteher' - Kapitel 06 - 10

  • Geht es Bold wirklich nur um Anerkennung? Ich bin mir dessen nicht sicher. Seinen Charakter richtig einzuschätzen, fällt mir nicht leicht.


    "Bold ist in seinem patriotischen Bestreben, die Menschheit zu verbessern, durchaus aufrichtig, und die Energie, mit der er auf dieses Ziel hinarbeitet, allem Übel abzuhelfen und der Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten, hat etwas Bewundernswertes; ..." (Kap. 2 Ott, S.23)


    Bold ist sehr von sich überzeugt. Und ja, er schießt über das Ziel hinaus.

  • Ich denke schon, dass er etwas bewirken will, aber es denkt nicht bis zum Ende. „ Es wäre gut, wenn ein so junger Mensch etwas weniger an sich glaubte und dafür mehr an die redlichen Absichten der anderen, ... , „(Manesse, S. 23). Er selbst ist der Sohn eines Arztes, der mit seiner Ausbildung zum Chirurgen und Apotheker fertig wurde, als sein Vater starb und ihm soviel hinterließ, dass er nicht praktizieren musste. Man kann nun nur mutmaßen, was gewesen wäre, wenn er gezwungen wäre zu arbeiten. „John Bold beschloss, sich in Barchester niederzulassen und sich um seinen Besitz zu kümmern sowie um die Knochen und Körper jener Mitmenschen, die ihn bei ihren Gebrechen um Hilfe bitten würden.“ (Manesse S. 21) Er tut dies gratis für die Leute aus ärmeren Schichten, die seine Überzeugungen teilen (S. 22). Interessanter Fakt, finde ich. Trollope bezeichnet ihn als eifrigen Reformer. „Seine Leidenschaft gilt der Abschaffung aller Missstände in Staat, Kirche und Gemeinde ( er hat sich in den Stadtrat von Barchester wählen lassen und drei Bürgermeistern nacheinander dermaßen zugesetzt, dass es allmählich schwierig wird, einen vierten zu finden), der Missstände der Medizin und überhaupt aller Missstände auf der ganzen Welt.“ (S. 23) Schwer beschäftigt dieser Mann ...

  • "Bold ist in seinem patriotischen Bestreben, die Menschheit zu verbessern, durchaus aufrichtig, und die Energie, mit der er auf dieses Ziel hinarbeitet, allem Übel abzuhelfen und der Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten, hat etwas Bewundernswertes; ..." (Kap. 2 Ott, S.23)

    Aber Menschen, die so denken und handeln, sind meistens nur auf eine Art tolerant: sie tolerieren, daß man sich ihrer Meinung widerspruchslos anschließt. Und darin liegt das Problem: es gilt nur eine einzige Meinung und Weltsicht, nämlich die eigene.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Aber Menschen, die so denken und handeln, sind meistens nur auf eine Art tolerant: sie tolerieren, daß man sich ihrer Meinung widerspruchslos anschließt. Und darin liegt das Problem: es gilt nur eine einzige Meinung und Weltsicht, nämlich die eigene.

    Das sind allerdings zwei Seiten einer Medaille: Oft bringen gerade die Menschen, die kompromisslos und empathiearm gegenüber ihren Gegnern für ihre Sache kämpfen, die Gesellschaft voran, gerade weil sie keine oder nur wenig Rücksicht nehmen. Deshalb brauchen wir auch diese Flammen- und Sturköpfe und müssen ihren Überschwang dann halt in der gesellschaftlichen Diskussion abdämpfen.

  • Das sind allerdings zwei Seiten einer Medaille: Oft bringen gerade die Menschen, die kompromisslos und empathiearm gegenüber ihren Gegnern für ihre Sache kämpfen, die Gesellschaft voran, gerade weil sie keine oder nur wenig Rücksicht nehmen. Deshalb brauchen wir auch diese Flammen- und Sturköpfe und müssen ihren Überschwang dann halt in der gesellschaftlichen Diskussion abdämpfen.

    Darüber kann man geteilter Meinung sein. Vor allem, ob sie ihren "Überschwang" wirklich in der "gesellschaftlichen Diskussion abdämpfen", für meine Begriffe ist das oft nicht so.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")