'Septimus Harding, Spitalvorsteher' - Kapitel 11 - 15

  • In diesem Abschnitt geht es richtig zur Sache.

    Es wird deutlich, dass es viele Verlierer geben wird und vermutlich wenig bis gar keine Gewinner.

    Eleanor möchte ihre Verliebtheit und damit auch ihre Zukunft - inklusive der damit verbundenen finanziellen Absicherung - opfern, um ihrem Vater zu helfen.

    Mr Bold beginnt zu begreifen, dass er viel Flurschaden angerichtet hat und verspricht Eleanor, dass Vorgehen gegen ihren Vater einzustellen.

    Eleanor ist am Ende des Gesprächs überrumpelt, weil sie ihrem Vater einerseits geholfen hat aber mit Mr Bold Liebesbeteuerungen ausgetauscht hat. Nix war's mit der edlen Heldin wie im Roman :grin


    Mr Bold versucht daraufhin, ein Gespräch mit dem Erzdiakon. Dieser benimmt sich ihm gegenüber so gar nicht wie ein Gentleman. Mr Bold ist ob der ausgesprochenen Beleidigungen zwar einerseits zu recht sauer. Aber ich habe beim Lesen des 12. Kapitels immer wieder gedacht, dass ich den Erzdiakon auch verstehen kann. Nur die Art und Weise des Erzdiakons ist völlig daneben (aber das ist ja nichts neues mehr).


    Der gutmütige Mr Harding trifft die Entscheidung, das Spital zu verlassen. Zuvor möchte er nach London reisen, um die Anwälte aufzusuchen. Ihn treibt weiter die Frage um, ob die - wie von den Anwälten festgestellt - unzulässige Klage begründet wäre. (Nur weil Mr. Bold die falschen Leute verklagt, bedeutet es nicht, Mr Harding hat Anspruch auf die Achthundert Pfund im Jahr). Da er regelrecht Angst vor dem Erzdiakon hat, soll diese Reise heimlich erfolgen. Ich bin gespannt! ;)

  • Es ist eine für gewöhnliche Sterbliche verblüffende Tatsache, dass Der Jupiter niemals Unrecht hat. [...]

    Täte es uns in unserer Ahnungslosigkeit nicht gut, wenn wir all unsere Probleme dem Jupiter anvertrauten? Wäre es nicht klug von uns, wenn wir das unnütze Reden, müßige Denken und ergebnislose Handeln aufgäben? Fort mit den Mehrheiten im Unterhaus, den nach langem Zögern ausgesprochenen richterlichen Urteilen, den fragwürdigen Gesetzen und den unsicheren, missglückenden Versuchen der Menschheit! Trifft nicht Der Jupiter, der täglich fünfzigtausend gedruckte unfehlbare Urteile zu jedem Thema auf Erden herausbringt, alle nötigen Entscheidungen?


    :rofl

    Auch wenn es bitterböse und leider tatsächlich sehr ernst ist - ich

    bin in den letzten beiden Kapiteln dieses Abschnitts aus dem Lachen kaum herausgekommen. Mr Bold begreift nun auf die harte Tour, dass er die Angriffe gegen Mr Harding nicht mehr stoppen kann. Was Lesern bereits einige Kapitel früher verstanden haben ;)


    Der Autor geht auch mit Charles Dickens hart ins Gericht. Da Herr Trollope nicht mit Kritik spart, hat mich das sehr überrascht.

  • Bis einschl. Kapitel 13 und Anfang Kapitel 14


    Eleanor faßt also den Plan, Mr. Bold ins Gewissen zu reden und ihn von seinem „Kreuzzug“ abzubringen. Daß das letztlich nicht gut gehen würde, dachte ich mir schon. Dazu ist die Sache zu weit gediehen. Da nützt weder sein Besuch beim Erzdiakon noch beim Anwalt in London, der typisch reagiert: sofort eine Rechnung. Wenns böse geht, ist Mr. Bold pleite.


    Ob Mr. Harding seinen Entschluß so recht wird umsetzen können, bleibt abzuwarten. Wenn es ganz übel geht, könnte er auch seine letzte kleine Pfründe verlieren. Auf jeden Fall stürzt er den Hilfspfarrer ins Elend - und ob er das wird durchhalten können?


    Im Moment sehe ich also durchgehend schwarz.



    Aber ich habe beim Lesen des 12. Kapitels immer wieder gedacht, dass ich den Erzdiakon auch verstehen kann.

    Ich habe das nicht so schlimm empfunden - der Erzdiakon handelt und spricht in sich logisch und folgerichtig, was hätte er anderes sagen sollen?




    Der Autor geht auch mit Charles Dickens hart ins Gericht. Da Herr Trollope nicht mit Kritik spart, hat mich das sehr überrascht.

    Wieso mit Charles Dickens?




    Mit diesem Abschnitt war ich gestern Vormittag durch. Ich lege das Buch nun erstmal zur Seite und warte, bis die anderen Teilnehmer etwas aufgeholt haben.

    Ich werde mich mit Leserunden wohl noch mehr zurückhalten, als ich es in den letzten Monaten getan habe. Ich stelle immer wieder fest, daß meine Lesezeit sich nicht mit meiner Onlinezeit in Einklang bringen läßt. Lies, wenn ein Abschnitt zu Ende ist, kann ich nicht direkt hier posten. Wenn ich aber das Lesen unterbreche, bis ich erst posten kann, würde ich oft mehr als doppelt so lange für ein Buch brauchen, was auch nicht sehr ersprießlich ist.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Wieso mit Charles Dickens?

    Im 15. Kapitel Tom Towers, Dr. Anticant und Mr. Sentiment

    In meiner Ausgabe (Manesse) ist in Fußnote 69 erläutert, dass Mr. Popular Sentiment ein Spitzname der Kritiker (!) von Charles Dickens ist - bis heute.

    Auf S. 269 steht dann:

    Von all diesen Reformern ist Mr. Sentiment der mächtigste. Unglaublich ist die Zahl der Missstände, die er schon beseitigt hat; es steht zu befürchten, dass ihm bald die Themen ausgehen und ihm, wenn er der Arbeiterklasse ein sorgenfreies Leben verschafft hat [...], nichts mehr zu tun übrigbleibt. Mr. Sentiment ist ein überaus mächtiger Mann, und vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil seine Armen so besonders gut sind, seine harten Reichen so besonders hart und die wirklich Redlichen so besonders redlich. Sentimentaler Kram wird heutzutage nicht abgelehnt, wenn er vor dem richtigen Hintergrund präsentiert wird.

    In diesem Stil geht es dann noch ein paar Seiten weiter.

  • Ich stelle immer wieder fest, daß meine Lesezeit sich nicht mit meiner Onlinezeit in Einklang bringen läßt. Lies, wenn ein Abschnitt zu Ende ist, kann ich nicht direkt hier posten. Wenn ich aber das Lesen unterbreche, bis ich erst posten kann, würde ich oft mehr als doppelt so lange für ein Buch brauchen, was auch nicht sehr ersprießlich ist.

    Mir geht es genauso. Ich habe mich fürs Weiterlesen entschieden; stelle aber fest, dass es mir dann nicht mehr leichtfällt, darüber zu schreiben.

  • Das Kapitel 11 "Iphigenie" fand ich köstlich.


    Hinsichtlich Eleanors Absicht und dem Mitgefühl ihrer Geschlechtsgenossinnen:


    "Mädchen unter zwanzig und alte Damen über sechzig werden ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen, ... Aber ich fürchte, daß die Mehrheit der Frauen zwischen diesen beiden Lebensaltern Eleanors Plan nicht gutheißen wird. Ich fürchte, unverheiratete Damen um die fünfunddreißig werden behaupten, es sei völlig unwahrscheinlich, daß sich ein so aberwitziger Plan durchführen lasse; ..." (Ott, S.176-177)


    Die Einteilung allein der mit Romanen und der menschlichen Natur vertrauten Damen zeigt den wunderbaren Humor von Trollope.


    Und so kommt unvermeidbar:


    Bold "schwor wie alle Männer einiges Wahres und viel Erdichtetes, ..." "... ob sie selbst einen Widerwillen gegen ihn empfinde (Widerwille! Gott helfe ihr, dem armen Mädchen! Schon bei dem Wort sprang sie ihm fast in die Arme), ... (Ott, S.196)


    :rofl

  • Equal  

    Geht es Bold wirklich nur um Anerkennung?


    Obwohl Bold den Prozess, wie er glaubt, erfolgreich vorantreibt, wähnt er seine Liebe zu Eleanor nicht davon betroffen. Er wälzt einige Pläne in seinem Kopf.


    "... er wollte den Prozeß aufgeben, nach Australien auswandern - natürlich mit ihr - und den Jupiter und Mr. Finney die Sache allein ausfechten lassen. Manchmal, wenn er morgens aufgeregt und gereizt erwachte, wollte er sich eine Kugel durch den Kopf jagen und all seinen Sorgen ein Ende bereiten - aber diese Idee kam ihm gewöhnlich nur nach einem unvorsichtigen Nachtmahl mit Tom Towers." (Ott, S.184)


    Bolds Freundschaft zu Tom Towers besteht schon länger. Der Einfluss von diesem speziellen Journalisten auf Bold, denke ich, trägt manches zum Verhalten Bolds bei.


    Köstlich in Bezug auf Tom Towers fand ich folgende Stelle:


    "Es gibt welche, die am Jupiter zweifeln! Sie leben und atmen irdische Luft, sie gehen unbehelligt, wenn auch verachtet, umher - Menschen, geboren von britischen Müttern und aufgezogen mit englischer Milch, die sich nicht scheuen, zu behaupten, daß der Olymp seinen Preis hat, daß Tom Towers für Gold gekauft werden kann!" (Ott, S.230-231)

  • Wenn ich die Beschreibung des „Olymps“ bzw. des „Jupiter“ lese (S. 228f Manesse), kann ich kaum glauben, daß es sich um einen Text aus der Mitte des 19. Jahrhunderts handelt. Das paßt heute noch genauso wie damals.


    Oder über „die großen Männer“. (S. 240 Manesse) Oder S. 259: „Ha, es würde ihm keine Sekunde Unbehagen verursachen, schon morgen seine Politik zu ändern, wenn es die Zeitung fordert.“ Nur, daß es heute mit dem Druck der Medien noch viel schlimmer ist. Ein Franz Josef Strauß oder auch ein Herbert Wehner hätten heute keine Chance mehr. Was ist durch die „Macht der (neuen) Medien“ doch alles verloren gegangen!


    Interessant fand ich auf S. 260 (Manesse) den Begriff „Groschenroman“. Im Original steht da übrigens „shilling numbers“.



    Lorelle

    Danke für die Erklärung; mir war nicht bewußt, daß das erst nach dem bis zu meinem vorigen Post gelesenen kommt. Inzwischen habe ich den Abschnitt durch und auch Dickens verstanden.




    Mir geht es genauso. Ich habe mich fürs Weiterlesen entschieden; stelle aber fest, dass es mir dann nicht mehr leichtfällt, darüber zu schreiben.

    Ich stelle überhaupt ganz allgemein fest, daß ich zunehmend weniger weiß, was ich in Leserunden schreiben soll. :rolleyes



    Obwohl Bold den Prozess, wie er glaubt, erfolgreich vorantreibt, wähnt er seine Liebe zu Eleanor nicht davon betroffen.

    Das ist ein Problem, dem man oft begegnet. In Filmen (oder auch Büchern) heißt es in solchen Fällen "It's just business" (= es ist rein geschäftlich) mit der Implikation, das von den privaten Beziehungen zu trennen. Nur daß das für viele Menschen schlicht nicht funktioniert. Für Eleanor mit Sicherheit auch nicht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich hoffe, dass liegt nicht an den anderen Teilnehmern oder deren Beiträgen. :gruebel

    Es wurde ja kürzlich im Forum schon über den Qualitätsverlust diskutiert.

    Nein, das liegt einzig und alleine an mir. Ich stelle das schon seit geraumer Zeit fest, daß ich in Leserunden (obwohl ich deren Anzahl sehr reduziert habe) Probleme habe, etwas zu schreiben, was über eine Inhaltsangabe hinaus geht. Irritiert mich selbst und ich weiß nicht so recht, wo das her kommt.


    Im Moment habe ich auch keine Ahnung, wie das Buch ausgehen wird, welche Entwicklungen noch kommen. Vielleicht dann im letzten Abschnitt mehr, wenn ich besser der Überblick habe. Denn von einer "Haßfigur" kann ich beispielsweise beim Erzdiakon nicht sprechen, da er für mich in sich schlüssig und nachvollziehbar handelt - und so, wie es Menschen in seiner Stellung (das bezieht sich nicht nur auf die Kirche, sondern auch auf den Staat und die Wirtschaft) auch heute noch tun.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich habe ähnliche Schwierigkeiten wie ihr, Lorelle und SiCollier : Die Lesezeit und die Zeit zum Posten verlaufen selten synchron. Bei Klassikern finde ich es eigentlich auch nicht nötig, dass man diese Kapiteleinteilungen macht, weil es da ja weniger um die spannende Handlung als um den Lesegenuss an sich geht. Dann könnte man einen großen Thread machen und müsste sich nicht so künstlich wieder auf die Kenntnis bis nur zum x. Kapitel.
    Aber nun zum Inhalt. Diese fünf Kapitel sind meiner Ansicht nach recht zentral, durch die Kritik am JUPITER und auch dadurch, dass die Charaktere der Hauptpersonen nochmal deutlicher werden. Das knuffige Iphigenie-Kapitel fand ich auch sehr schön, @Brigitte H.H., Trollope zeigt hier, dass er auch die "Guten" nicht überstilisiert, sondern auch ihnen taktische Manöver und nur teilweise bedauerte Planänderungen auf den Leib schreibt. Eleanor wird dadurch nicht unsympathischer, sondern nur realistischer.
    Was die Macht der Presse angeht, zeigt uns der JUPITER, der laut Nachwort der TIMES entspricht, wie sehr die Medien die öffentliche Meinung prägen. Das allgemeine Medien-Bashing würde ich aber nicht so unter-schreiben, wir können hier noch froh sein, doch viele gut recherchierende und einigermaßen unabhängige Redaktionen sowohl bei den Print- als auch den Radio-, Fernseh- und auch einigen Onlinemedien zu haben. Schlimm ist eher, dass vieles immer gleich sehr persönlich wird, Politiker oft auf Fehler reduziert werden und die Onlinekommentare so einen großen Einfluss haben.

  • Ich bin im Moment im Urlaub und da ich ungern längere Beiträge am Handy schreibe und zitieren etc. auch sehr umständlich ist, bin ich grad auch etwas kurz angebunden.


    Ich finde es total faszinierend, wie gut die Beschreibung der Presse auch noch auf die heutige Zeit passt, verbessert hat sich da wirklich nichts, im Gegenteil ...


    Mr Bold erinnert mich sehr an den Zauberlehrling. " Die Geister, die ich rief ..."

  • Was die Macht der Presse angeht, zeigt uns der JUPITER, der laut Nachwort der TIMES entspricht, wie sehr die Medien die öffentliche Meinung prägen. Das allgemeine Medien-Bashing würde ich aber nicht so unter-schreiben, wir können hier noch froh sein, doch viele gut recherchierende und einigermaßen unabhängige Redaktionen sowohl bei den Print- als auch den Radio-, Fernseh- und auch einigen Onlinemedien zu haben. Schlimm ist eher, dass vieles immer gleich sehr persönlich wird, Politiker oft auf Fehler reduziert werden und die Onlinekommentare so einen großen Einfluss haben.

    Medienbashing würde ich auch nicht betreiben wollen, solange es sich um seriöse Medien handelt, die nach journalistischen Gesichtspunkten arbeiten. Da sind die durchaus sehr wichtig.


    Aber es gibt auch das alte Lied von Reinhard Mey "Was in der Zeitung steht", wo die verheerende Wirkung eines solchen Artikels drastisch beschrieben wird. Eine gewisse Vorsicht ist also angesagt.



    Ich bin im Moment im Urlaub und da ich ungern längere Beiträge am Handy schreibe und zitieren etc. auch sehr umständlich ist,

    Das verstehe ich.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Medienbashing würde ich auch nicht betreiben wollen, solange es sich um seriöse Medien handelt, die nach journalistischen Gesichtspunkten arbeiten.

    Ich muss zugeben, dass ich die Times zu den seriöseren Tageszeitungen gezählt habe.

    Allerdings erlebe ich auch bei meiner Lokalzeitung, dass Meinungen nicht nur durch das gebildet werden, was drin steht, sondern auch durch das, was nicht drin steht...

    Aber das ist ein sehr weites Feld und nicht mehr Thema des Romans.

  • Es hat sich vermutlich auch in den letzten 100 und mehr Jahren etwas an der Entwicklung dieses Presseorgans getan. Gerade weil in Großbritannien die wenig seriösen Zeitungen so viel Einfluss haben, hat die "Times" vielleicht ihr seriöses Profil als Gegenentwurf geschärft.