Alice Hasters – Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten
Inhalt:
Warum ist es eigentlich so schwer, über Rassismus zu sprechen?
„Darf ich mal deine Haare anfassen?“, „Kannst du Sonnenbrand bekommen?“, „Wo kommst du her?“ Wer solche Fragen stellt, meint es meist nicht böse. Aber dennoch: Sie sind rassistisch. Warum, das wollen weiße Menschen oft nicht hören.
Alice Hasters erklärt es trotzdem. Eindringlich und geduldig beschreibt sie, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland prägt. Dabei wird klar: Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesellschaft. Und sich mit dem eigenen Rassismus zu konfrontieren, ist im ersten Moment schmerzhaft, aber der einzige Weg, ihn zu überwinden.
Meine Meinung:
Ich habe dieses Buch gestern gekauft und es gleich danach fast in einem Rutsch gelesen.
Alice Hasters klagt in ihrem Buch nicht an, sie zeigt an vielen, von ihr selbst erlebten Beispielen, was Alltagsrassismus ist und wie schwer es ist, ihn auch offen als solchen zu benennen. Denn oft ist weißen Menschen überhaupt nicht bewusst, was sie gerade sagen. Im Gegenteil, sie fallen aus allen Wolken, geraten sofort in eine Verteidigungshaltung und reagieren manchmal sogar aggressiv, wenn sie erfahren, wie es beim Gegenüber ankommt. (Über diese Reaktion gibt es übrigens ein interessantes Buch, das demnächst in deutscher Übersetzung herauskommt: „White Fragility“ bzw. „Wir müssen über Rassismus sprechen“ von Robin DiAngelo.) Also dann doch lieber nichts sagen, um die gute Stimmung nicht zu zerstören? Es ist ein Anliegen der Autorin, hier aufzuklären und ich meine, das gelingt ihr sehr gut. Wobei ich mich schon wundere, wie übergriffig manche Menschen sind – es käme mir nie in den Sinn, einer fremden Frau in die Haare zu fassen.
Im größten Teil des Buches berichtet Frau Hasters über ihre eigenen Erlebnisse und die ihrer Familie. Das war alles interessant zu lesen, besonders ihr Jahr in Philadelphia, als sie bei den Familienangehörigen ihrer Mutter lebte und auf eine amerikanische Schule ging, fand ich sehr spannend. Erstaunt haben mich die Erlebnisse der Autorin in Deutschland bei ihrem Studium auf der Sport-Hochschule – wie tief der Alltagsrassismus sitzt, hat mich gewundert und machte mich traurig. Ich hätte da schon etwas mehr Sensibilität bei den Studierenden und auch bei den Lehrenden erwartet. Wobei die Autorin nur beweist: (unbewusster) Rassismus geht durch alle Bevölkerungsschichten. Ihn nur in der politisch rechten Ecke zu verorten, ist einfach falsch, damit macht man es sich zu einfach.
Doch das Buch ist nicht nur ein reiner Erlebnisbericht, in etlichen informativen Abschnitten konnte ich z. B. etwas über den deutschen Kolonialismus erfahren und seine Auswirkungen bis heute. Das ist ein Thema, über das ich nicht viel weiß – im Geschichtsunterricht wurde das in meiner Schulzeit vermutlich nur gestreift, ich werde mich damit demnächst auch noch etwas ausführlicher beschäftigen müssen. Von mir aus hätten die „theoretischen“ Teile im Buch durchaus etwas länger sein können, aber das hätte das persönliche Anliegen der Autorin vermutlich verwässert. Da werde ich eben andere Bücher dazu lesen müssen.
Zur Sprache: Ich hatte beim Lesen das Gefühl, Alice Hasters spricht direkt zu mir. Ich habe das Buch fast wie eine Unterhaltung erlebt, bei der die Autorin neben mir sitzt und erzählt. Sie doziert nicht, sie erhebt nicht den Zeigefinger, stattdessen erklärt sie geduldig, verständlich und eindringlich in Augenhöhe mit den Leser*innen. Ungewohnt war zuerst die genderneutrale Sprache, aber nach zwei Seiten hatte ich mich daran gewöhnt und zum Schluss fand ich sie sogar sehr angenehm.
Für mich war dieses Buch überfällig – wie überfällig fällt mir auf, wenn ich die Amazon-Kommentare lese. Und nein, die Autorin betreibt kein „Weißen-Bashing“, sie berichtet sachlich und auf Augenhöhe. Das scheint schon zu genügen, um manche Menschen sehr nervös zu machen.
Ein paar Büchereulen haben dieses Buch auch gelesen, ich würde mich auf eine Diskussion mit ihnen freuen.
ASIN/ISBN: 3446264256 |