Woody Allen: Ganz nebenbei

  • "Ich bin 84, mein halbes Leben ist vorbei"


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    Es sind Sätze wie dieses Zitat, die Allens lakonischen Humor spiegeln, für den er bekannt ist und mit dem er erfolgreich wurde. Woody Allen, geboren im Jahr 1935 als Allen Stewart Konigsberg, anfangs Gagschreiber, Stand-Up-Comedian und Kleindarsteller, inzwischen Regisseur und Drehbuchautor von mehr als 50 Kinofilmen, außerdem Theaterdramaturg, Schriftsteller, Jazzklarinettist. Man könnte eine ganze Woche damit verbringen, ausschließlich Filme von Allen anzuschauen, und das wäre nicht die schlechteste Verwendung dieser Zeit.

    Zu diesen fünfzig Filmen gehört "The Purple Rose of Cairo" aus dem Jahr 1985. Den habe ich mir damals dreimal nacheinander im Kino angeschaut, so sehr hat er mich bezaubert. Ich habe zwar einige Filme mehrfach gesehen, auch aus Allens Oeuvre, aber nur diesen einen dreimal im Uraufführungslichtspielhaus. Es hat mich ein bisschen glücklich gemacht, als ich jetzt in dieser bemerkenswerten Autobiografie lesen durfte, dass Allen genau diesen Film für einen seiner besten hält. Ich bin da ganz seiner Meinung. Er hat auch recht schrottige Filme gemacht, finde ich (und findet er selbst), und sich an so manchem Stoff ein wenig verhoben, aber die Perlen sind nicht nur meiner Meinung nach in der überwältigenden Mehrheit.


    Um Meinungen geht es übrigens bemerkenswert selten in diesem Buch, das die Lebensgeschichte dieses, wie er sich selbst nennt, Schlemihls erzählt, der ein bisschen humoristisches Talent hat, eigentlich ein Misanthrop ist, unter ein paar originellen Phobien leidet, nie etwas richtig gelernt hat und bis heute technisch über das Filmemachen nicht viel mehr weiß als jemand über die Herstellung von Fahrrädern, der auf einem Fahrradsattel sitzt. Woody Allen hatte eine Menge Glück, wie er selbst feststellt, und das bisschen Talent, das noch nötig ist, um das Glück zum eigenen Vorteil einzusetzen. Unterm Strich stehen besagte fünfzig Filme bisher - Allen erweckt nicht den Eindruck, sich aktiv mit Ruhestandsgedanken zu befassen -, Zusammenarbeiten mit praktisch allen Größen des amerikanischen und europäischen Filmbusiness (aber er ist nie von Harvey Weinstein produziert worden, obwohl das derzeit gerne behauptet wird), mehrere Oscars, die er allesamt nicht persönlich entgegengenommen hat, und ein entspanntes Desinteresse an der öffentlichen Meinung, um das man ihn nur beneiden kann. Woody Allen hat nie besonders viel darauf gegeben, was (die meisten) Leute von ihm und von seiner Arbeit halten, und ohne diese Eigenschaft hätte er vermutlich auch nicht überstanden, was ihm die Exfreundin Mia Farrow eingebrockt hat, um es euphemistisch zu sagen. Diese Geschichte um den vermeintlichen Missbrauch an der damals - 1993 - sieben Jahre alten Adoptivtochter Dylan nimmt - in zwei Teilen - gut ein Fünftel dieses Buches ein, und es handelt sich um das Fünftel, das beim Lesen alles andere als Spaß macht. Allen setzt sich mit den Vorwürfen detailliert und in bewundernswert entspannter Weise auseinander, und er versucht sogar, um Verständnis für die andere Seite zu werben, aber es ist schade, dass die Autobiografie eines so wichtigen, einflussreichen, originellen, bereichernden und einfach guten Filmemachers von einem solchen Thema beherrscht werden muss. Es gibt noch viele andere bedauerliche Umstände in diesem Zusammenhang, wozu nicht zuletzt gehört, dass deutsche Autoren, die bei Rowohlt veröffentlichen, dieses Buch verhindern wollten. Ich bin zufällig auch Rowohlt-Autor, und ich bin stolz darauf, im gleichen Haus publiziert zu werden wie dieser flirrende, schrullige, kluge, umsichtige, arbeitsame, höfliche, enorm kreative und wahrscheinlich auch liebenswerte Mann, dessen schlimmstes Vergehen nach Lage der Dinge darin besteht, ein paar schlechte Filme und ein paar nicht so gute Gags gemacht zu haben. Und es mit dem Understatement ein bisschen zu weit zu treiben, was sich schon im Titel des Buches niederschlägt.


    "Ganz nebenbei" ist aber viel mehr als die Autobiografie eines bekannten Regisseurs mit einem Bodensatz an Gegendarstellung. Allen erzählt außerdem Filmgeschichte, und längst nicht nur die eigene. Das Buch ist ein kleiner Ritt durch die Unterhaltungskultur der vergangenen siebzig, achtzig Jahre, und ein durchaus vergnüglicher. Die Übersetzung wirkt allerdings an einigen Stellen etwas nachlässig.


    ASIN/ISBN: 3498002228

  • Ich gebe zu, dass ich bei dieser Autobiografie ein wenig gezögert habe. Immerhin gab es in der Vergangenheit all die unschönen Gerüchte und Anschuldigungen. Dann beschloss ich, den Memoiren eine Chance zu geben – und wurde nicht enttäuscht. Woody Allen schildert in „Ganz nebenbei“ seinen beruflichen und privaten Werdegang, und das mit genau dieser Prise schwarzem Humor, die man aus seinen Filmen kennt. Mehrmals musste ich bei seinen Anekdoten und Bezeichnungen schmunzeln. Zudem erfuhr ich eine Menge interessante Details über seine Filme und das Filmemachen im Allgemeinen. In Sachen Privatleben nimmt Woody Allen ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Auf seine lakonische Art berichtet er von seiner Kindheit und Jugend, seinen ersten Beziehungen zu meist ziemlich kuriosen Frauen. Schließlich kommt er auf Mia Farrow zu sprechen und schildert den Auf- und Niedergang ihrer Beziehung aus seiner Sicht. Auch auf die Missbrauchsvorwürfe geht er ausführlich ein – und bezeichnet sie als rachsüchtige Aktion seiner psychotischen Ex-Partnerin. Mehrmals weist er daraufhin, dass kein einziges Gericht jemals einen Missbrauch festgestellt, und dass nie etwas dergleichen je stattgefunden hatte. Anhand seiner Schilderungen bin ich geneigt, ihm zu glauben. Dennoch haben diese Anschuldigen einige dunkle Flecken auf seiner ansonsten reinen Weste hinterlassen und diskreditieren auch sein künstlerisches Werk, was mit der ganzen Angelegenheit noch weniger zu tun hat. Wer sich unvoreingenommen mit dem Leben des ehemaligen Witzeschreibers und späteren Dreh- und Theaterautoren beschäftigen möchte, wird von dieser Autobiografie nicht enttäuscht werden.