Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Als die Frauen operieren lernten: die große Familiensaga um eine Frau, die im 19. Jahrhundert Ärztin werden will
Würzburg im 19. Jahrhundert: Bankierstochter Viviana Winkelmann träumt davon, Ärztin zu werden – obwohl Frauen seit 1800 nicht mehr studieren dürfen. Als die junge Frau sich unstandesgemäß verliebt und schwanger wird, wirft ihre Familie sie aus dem Stadtpalais. Um sich und ihre kleine Tochter Ella über Wasser zu halten, verdingt sich die einst vornehme Viviana als Gehilfin in der Apotheke des renommierten Würzburger Juliusspitals. Doch soll das wirklich alles sein, was sie als Frau im Leben erreichen kann? Sie belauscht Vorlesungen berühmter Ärzte am Spital und lernt Professor Virchow kennen, der einer Weltsensation auf der Spur ist. Ihre Zukunft, das spürt sie, liegt als Ärztin im Spital – auch wenn ihr dadurch nicht nur der eigene Bruder zum erbitterten Feind wird.
Autorinnen (Quelle: Verlagsseite)
Dr. Claudia Beinert, Jahrgang 1978, ist genauso wie ihre Zwillingsschwester Nadja in Staßfurt geboren und aufgewachsen. Claudia studierte Internationales Management in Magdeburg, arbeitete lange Zeit in der Unternehmensberatung und hatte eine Professur für Finanzmanagement inne. Sie lebt und schreibt in Würzburg und Leipzig.
Nadja Beinert studierte ebenfalls Internationales Management und ist seit mehreren Jahren in der Filmbranche tätig. Die jüngere der Zwillingsschwestern ist in Erfurt zu Hause.
Allgemeines
Erster Band um das Juliusspital in Würzburg
Erschienen am 4. Mai 2020 als Knaur TB mit 576 Seiten, als E-Book am 28.04.2020
Gliederung: Verzeichnis wichtiger Personen – Drei Hauptteile mit insgesamt 40 Kapiteln – Nachwort – Bibliographie
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Würzburg, 1850 bis 1855
Inhalt
Nachdem die sechzehnjährige Viviana Winkelmann, Tochter aus dem gehobenen Bürgertum, von einem Handwerker schwanger geworden ist und ihr Kind nicht aufgeben will, kommt es zum Bruch mit ihrer Familie. Fortan lebt sie in der Pleich, dem Würzburger Armenviertel, und verdient sich ihren Lebensunterhalt als „Helfnerin“ in der Apotheke des Juliusspitals. Vivianas zunächst negative Einstellung zum Spital als „Warteraum des Todes“ ändert sich, als sie engagierte Ärzte bei der Arbeit beobachten kann. Dadurch wird ihr eigenes Interesse an der Medizin geweckt und sie beantragt beim Senat, zu den Vorlesungen im Fach Medizin zugelassen zu werden. Zum Studium kann man jedoch nur mit Abitur zugelassen werden und für Mädchen gibt es im Königreich Bayern keine Möglichkeit, das Abitur abzulegen. Inspiriert vom Lebensweg der ersten deutschen promovierten Ärztin, Dorothea Erxleben (1715 – 1762), beginnt sie, für das Recht von Frauen auf eine höhere Bildung zu kämpfen.
Beurteilung
Viviana Winkelmann ist eine fiktive Romanfigur, deren Schicksal vor dem gründlich recherchierten medizingeschichtlichen Hintergrund des 19. Jahrhunderts erzählt wird. Die im Roman auftretenden Ärzte, die in den 1850er Jahren am Juliusspital wirken, sind größtenteils reale historische Persönlichkeiten, deren Arbeit dem Leser detailliert vorgestellt wird. Dazu zählen Rudolf Virchow, Begründer der Zellularpathologie, der mit der Humoralpathologie („Säftelehre“) aufräumt, dessen Kollege Albert von Köllicker, der ebenfalls im Bereich der Zellen forscht, Franz von Rinecker, der erstmals eine eigene pädiatrische Heilkunde etabliert und Karl Friedrich von Marcus, ein besonders einfühlsamer Oberarzt und begnadeter Lehrer der Studenten. Neben bedeutsamen Fortschritten werden auch die Schattenseiten der medizinischen Forschung angesprochen, so z.B. die Experimente mit der Übertragung der Syphilis durch „Impfungen“. Die Schilderungen sind anschaulich und auch recht drastisch (Leichensektionen), der Leser wird quasi zum Augenzeugen neuer Entwicklungen.
Das beherrschende Thema in Vivianas Leben ist der Kampf gegen die Konventionen, die Frauen als vermeintlich sensiblere und intellektuell weniger begabte Menschen von höheren Studien ausschließen. Hier setzen die Autorinnen der ersten deutschen Ärztin Dorothea Erxleben, die sich schon im 18.Jahrhundert für das Frauenstudium einsetzte, ein würdiges Denkmal.
Der Roman ist in einem äußerst ansprechenden, höchst anschaulichen Stil verfasst und durch eine gründliche Charakterisierung seiner Protagonisten geprägt. Lediglich bei den fiktiven Figuren scheint die Charakterisierung gelegentlich überspitzt, Vivianas Mutter Elisabeth und vor allem ihr Bruder Valentin erscheinen in sehr negativem Licht.
Ein sehr umfängliches Nachwort gibt weitere Einblicke in die gesellschaftlichen Verhältnisse im Königreich Bayern sowie ins Leben und Wirken der berühmten Ärzte des Juliusspitals. Hier sollte das Zitat von Rudolf Virchow korrigiert werden. Es muss „Omnis cellula e cellula“ (statt „a cellula“) heißen.
Für medizingeschichtlich interessierte Leser ist im Anhang außerdem eine Bibliographie enthalten.
Fazit
Ein ebenso informativer wie auch unterhaltsamer medizinhistorischer Roman über das Würzburger Juliusspital – sehr empfehlenswert!
9 Punkte