Judith C. Vogt / Christian Vogt - Wasteland

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    Die alten Regeln gelten nicht mehr, seit drei Kriege und das Wasteland-Virus die Menschheit beinahe ausgelöscht haben. Marodierende Banden beherrschen das Land, und auf dem freien Markt sind Waren nur im Tausch gegen Gefallen zu haben.


    Um an Medikamente zu kommen, lässt sich die herumreisende Laylay auf ein Geschäft ein: Weil sie als Einzige immun gegen das Virus ist, soll sie den Marktbewohner Zeeto in der Todeszone aufspüren. Als sie ihn findet, ist er bereits infiziert. Zudem hat er etwas in einer geheimen Bunker-Anlage gefunden: ein Baby. Und obwohl das Virus Laylay nichts anhaben kann, beginnt sie sich zu verändern …


    Eine postapokalyptische Utopie auf den Ruinen eines zerstörten Deutschlands.


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    Wenn die Fiktion zur Realität wird, wird das lesen zur ungewollten mentalen Mutprobe. Ich habe „Wasteland“ gerade erst gelesen und befinde mich im Nichtweltenfluchtmodus weiterhin unter dem Eindruck von Sars-Covid-2 oder Covid 19 oder Corona, dem Virus, dass gerade auf unserem Planeten wütet und bereits tausende von Todesopfern gefordert hat.


    Ich möchte hier den Autoren des Buches, Judith C. Vogt und Christian Vogt, keine prophetischen Fähigkeiten unterstellen, doch ist ihre „Wastelandkrankheit“ sehr nahe an dem dran, was Covid 19 den Menschen antut, die mit ihm infiziert sind.


    Man mag mir diesen kleinen Jetztzeitexkurs nachsehen, doch es drängte sich regelrecht auf, diese Anmerkungen zu machen. Nun zum Buch an sich…

    Die Inhaltswarnung am Ende des Buches – auf die aber schon zu Beginn des Buches hingewiesen wird – besagt folgendes:

    Gewalt, explizite Schilderung von Sex, Depression und bipolarer Neurodivergenz, Kontrollverlust, verbale Androhung sexueller Gewalt, Erwähnung von Sklaverei und sexuellem Missbrauch


    Dem ist auch nichts mehr hinzuzufügen, denn all das genannte kommt im Buch vor. Wem das nun sehr hart und ziemlich brutal erscheint, der sei beruhigt, denn die Schilderungen sind nicht so ausufernd und überdeutlich, dass man sie nicht ertragen könnte. Freunden von weichgespülten Jugend-Love-Dystopien sei allerdings empfohlen, dieses Buch weit zu umfahren, denn für eine saubere Teeny-Opera in apokalyptischen Zeiten ist „Wasteland“ definitiv zu realistisch und zu dreckig.


    Die Welt ist kaputt, denn 2024 bricht alles irgendwie zusammen und bis 2064, dem Jahr in dem die Geschichte spielt, hat man bereits drei Kriege hinter sich und ist in zivilisatorisches Hinterland zurückgefallen.


    Die Lebensräume teilen sich in zwei Gebiete auf: Die Wastelands und die Ödlande. In den Ödlanden fristet der Rest der verbliebenen Menschheit sein Dasein, währen die Wastelands verseuchte Gebiete sind, die nur in Schutzausrüstung kurzfristig betreten werden können. In ihnen holt man sich ohne Schutzkleidung unweigerlich die oben bereits erwähnte „Wastelandkrankheit“, welche nach und nach die Lunge zersetzt und zu einem unschönen Tod führt.


    In dieser Welt leben Laylay und Zeeto, zwei junge Menschen deren Schicksal miteinander verbunden ist, ohne dass sie es auf diese Art und Weise zuerst überhaupt wollen. Laylay reist mit ihrem Vater auf einem Motorrad mit Beiwagen durch die Ödlande, während Zeeto im „Handgebunden-Markt“ lebt, einer Konklave die Handel betreibt. Laylay und Zeeto treffen sich, als Laylays Vater wieder einmal das Medikament für seine Tochter besorgen muss, und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.


    Ich will von der Story nicht zu viel offenbaren, aber ein paar Hinweise zum allgemeinen Setting können nicht schaden.


    Die Menschheit besteht aus mehreren Fraktionen. Da sind die „Hoper“, welche versuchen das Beste aus den Gegebenheiten zu machen und die Menschheit wieder auf die Füße zu stellen – siehe auch die Bewohner des „Handgebunden-Markt“. Dann gibt es die „Toxxer“, anarchistische Gruppierungen, denen es nur darum geht das Beste für sich selbst zu sichern und Macht über andere auszuüben. Und es gibt religiöse Sekten, die versuchen beide Fraktionen zu ihren Glauben zu bekehren und sich so zu vergrößern.


    Die verschiedenen Settings erinnerten mich an Teile aus MAD MAX. Der „Handgebunden-Markt“ erschien mir wie eine Hommage an „Bartertown“ mit seiner „Donnerkuppel“ und die Gangs der „Toxxer“ schienen aus MAD MAX 2 entsprungen zu sein, an die dort marodierenden Motorradbanden angelehnt.


    Es gibt keine Trennungen zwischen männlich und weiblich mehr, denn jeder kann dort das sein, was er gerne sein möchte. Festgelegt wird dies allerdings an den Pronomen „sie“, „er“ und „ser“, was teilweise für recht skurrile Bezeichnungen im Erzähltext sorgt.


    Erzählt wird alles von Zeeto und Laylay, welche die vierte Mauer schon von Anfang an durchbrechen und auch gerne einmal monologische Zwiesprache mit dem Leser halten. Die dritte Ebene ist die eines Toxxers, welcher sich der Technik der alten Welt bedient – die Ebene nennt sich das „No WiFi“.


    Klingt nach einer sehr umfangreichen Welt? Ja – das kann man mit Fug und Recht behaupten.


    Und nicht nur die Gegebenheiten sind interessant. Die Sprache der kompletten Erzählung trieft nur so von Sarkasmus und auch wenn manchmal das lachen im Halse stecken bleibt, so ist der Balanceakt zwischen den dunklen Teilen der Geschichte und den Hoffnungsschimmern sehr ausgewogen getaktet.


    Tiefgang findet man ebenfalls in den Erkrankungen der beiden Hauptprotagonisten, denn Zeeto leidet unter einer bipolaren Störung, welche sehr anschaulich und verständlich erklärt wird. Wenn man selbst unter Depression leidet, so wie der Verfasser dieser Zeilen, so kann man viel von sich selbst in Zeeto wiederfinden. Und die manischen Anteile seiner bipolaren Störung sind so gut nachvollziehbar, dass man sich dem fiktiven Burschen teilweise sehr nahe fühlt.


    Nun habe ich immer Schwierigkeiten damit, bei einem so gelungenen Buch einen zweiten Teil zu akzeptieren, da man damit oft sehr viel verschlimmert. Nach der ungefähren Hälfte des Buches kam mir jedoch die Frage wie man diese ganzen Erzählstränge einfach so zusammenfügen und beenden wolle, denn dafür erschien mir der Rest der Seiten ein wenig zu dünn. Doch nach Seite 370 war mir klar, dass sich eine Quest für Laylay und Zeeto, inklusive Mtoto ( einem Baby aus dem Wasteland), ankündigte, welche dann in „Wasteland 2 – Auf der Suche nach XYZ“ (oder so) nachzulesen sein wird, vermute ich.


    Sehr umfangreiche Dystopie aus deutschen Landen, die im Jugenddystopiegewand daherkommt, aber durch ihren Tiefgang definitiv keine ist.


    Droemer / Knaur


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