Ein Versteck unter Feinden: Die wahre Geschichte von zwei jüdischen Schwestern im Widerstand - Roxane van Iperen

  • Ein Versteck unter Feinden: Die wahre Geschichte von zwei jüdischen Schwestern im Widerstand

    Autorin: Roxane van Iperen

    Übersetzer: Stefan Wiczorek

    ISBN: 978 3455006452

    Hoffmann und Campe

    400 Seiten, 24 Euro

    799 KB, 19,99 Euro


    Über die Autorin: Die Juristin und Publizistin Roxane van Iperen wurde 1976 geboren. Für ihren Ihr ersten Roman „Schuim der Aarde“ wurde sie 2016 mit dem Hebban-Debütpreis ausgezeichnet. Für „t`Hooge Nest“ erhielt sie 2019 den niederländischen Opzij-Literaturpreis; einen Preis für Autorinnen, die sich für die Emanzipation der Frau einsetzen.


    Amazon-Kurzbeschreibung: Nach Kriegsende überbrachten die Schwestern Lien und Janny Brilleslijper der Familie Frank die Nachricht vom Tod ihrer Töchter Anne und Margot. Dass sie darüber hinaus während der Besatzungszeit Teil einer einmaligen Geschichte jüdischen Widerstandes waren, war bislang unbekannt. Als die Autorin Roxane van Iperen im Jahr 2012 in eine Villa einzieht, ahnt sie nichts von den doppelten Böden und Hohlräumen, die es hier gibt: Die jüdischen Schwestern hatten zahlreichen verfolgten Juden hier Unterschlupf gewährt. ’t Hooge Nest, so der Name des Hauses, war umzingelt von den Villen hochrangiger Nazis, unter deren Augen hier der Widerstand für die gesamten Niederlande organisiert wurde. Bis das Versteck im Sommer 1944 verraten und gestürmt wurde. Janny und Lien überlebten mehrere Konzentrationslager – bis zum Tod von Margot und Anne Frank blieben sie an deren Seite.



    Roxane van Iperen zieht 2012 in „das hohe Nest“, wie der Name der Villa „t'Hooge Nest“ übersetzt heißt. Der erste Bewohner des Hauses war Dirk Witte, der Autor des in den Niederlanden bekannten Liedes, „Mensch, trau dich zu leben“. Der Text bekommt angesichts der Geschichte des Hauses ein ganz besonderes Gewicht, doch das stellt sich erst später heraus…


    „…Wer immer Wärme und Liebe im Herzen behält

    Lebt fürstlich auf seinem Fitzelchen Welt

    Was du suchst, kann kein andrer dir geben!

    Mensch, trau dich zu leben!“


    Dass das Haus im zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle im jüdischen Widerstand einnahm, ahnt sie anfangs noch nicht, doch als sie bei der Renovierung im Haus Verstecke findet, auf Widerstandspapiere stößt, Kerzenstummel und Noten hinter den Wänden auftauchen, beginnt sie zu recherchieren und das tut sie gründlich – so ist dieses Buch entstanden. Beworben wird es als Sachbuch, doch die Geschichte des jüdischen Widerstandes in den Niederlanden ist so spannend, dass es sich wie ein Roman liest.



    Hauptfiguren sind die Schwestern Janny und Lien Brilleslijper, die im Widerstand gegen die Nazis eine wichtige Rolle einnahmen. Nachdem die deutsche Wehrmacht in die Niederlande einmarschierte, begannen 1942 die Deportationen, die die Juden zuerst in das Durchgangslager Westerbork und dann weiter in die Vernichtungslager nach Polen führte. Janny und Lien fliehen vor den Meldebefehlen der Machthaber in die Villa, die zwar umgeben von den Häusern hochrangiger Nazis ist, aber doch abgelegen genug ist, um ein relativ unbehelligtes Leben zu führen und viele Familienmitglieder und weitere illegale Gäste aufzunehmen. Vielen retten sie dadurch das Leben. Als sie verraten werden, beginnt ihr Weg in mehrere Lager, die sie alle überstehen werden.


    Der Schreibstil ist überwiegend sachlich, nur selten werden einzelne Szenen etwas ausgeschmückt – die erschreckenden Fakten sprechen für sich, es bedarf nur wenige Ergänzungen. Die Freundschaft mit Anne und Margot Frank wird in der Buchbeschreibung besonders hervorgehoben, spielt aber im Buch selbst eine untergeordnete Rolle. Viele andere Menschen, denen die Schwestern begegnen, nehmen einen größeren Platz ein.

    Es gelingt Roxane van Iperen, ein sehr gutes Bild des Widerstands zu zeichnen. Sie deckt die einzelnen Netzwerke auf, berichtet über die heimlichen Aktivitäten und Verstecke und verfolgt letztlich den Werdegang fast aller genannten Personen.


    Beeindruckend und erschreckend wird geschildert, wie sich die Stimmung gegen die Juden im Land ganz langsam wandelt, bis sie von Freunden und Nachbarn zu Gejagten werden. Wie Menschen, ganz normale Menschen, zum großen Teil kollaborieren und sich darüber hinaus mit den Nazis gegen die Juden verbünden.

    Trotz der Sachlichkeit und der großen Anzahl an Namen, fällt es nicht schwer, dieses Buch gespannt zu lesen. Die Schicksale machen betroffen, man bangt mit den Menschen und hofft mit ihnen, dass sie alle dem brutalen System entkommen mögen. Am Ende werden die Schicksale der Opfer aber auch der Täter genannt – ohne Wertung, doch auch hier reichen die Fakten aus um das Buch erschrocken, beeindruckt und letztlich nachdenklich zuzuschlagen.


    Ich wünsche dem Buch, dass es viele Leser erreichen möge und dass es das Bewusstsein schärft für das, was sich zurzeit ganz leise und schleichend in unserer Gesellschaft einnisten will…