Martina Borger - Wir holen alles nach

  • ASIN/ISBN: 3257071302


    Gebundene Ausgabe: 304 Seiten

    Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (25. März 2020)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3257071302

    ISBN-13: 978-3257071306


    Inhaltsangabe:


    Job und Kind unter einem Hut – die alleinerziehende Sina jongliert damit seit Jahren. Seit kurzem wird sie von ihrem neuen Partner Torsten dabei unterstützt. Und sie haben Ellen, Ende sechzig, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt und das hat, was sich Sinas Sohn Elvis so wünscht: Zeit, Geduld – und einen Hund. Doch dann widerfährt dem sensiblen Jungen etwas Schlimmes. Da er sein Geheimnis nicht preisgibt, spinnt sich ein fatales Netz aus Gerüchten um die kleine Patchworkfamilie.


    Autoreninfo:


    Martina Borger, 1956 geboren, arbeitete als Journalistin, Dramaturgin und Filmkritikerin, bevor sie sich aufs Drehbuchschreiben verlegte. Sie hat bei mehreren Serien als Storylinerin und Chefautorin gearbeitet. Gemeinsam mit Maria Elisabeth Straub veröffentlichte sie zwischen 2001 und 2009 Romane unter dem Label "Borger & Straub". Ohne Co-Autorin erschien 2007 ihr Roman "Lieber Luca". Martina Borger lebt in München.


    Meine Meinung:


    Titel: Vertrau mir!


    Dieser Roman ist mir positiv in der Verlagsvorschau aufgefallen, weil er gesellschaftskritisch und geheimnisvoll daher kommt und gespannt begann ich zu lesen.


    In der Geschichte geht es um die alleinerziehende Sina, deren Leben ein täglicher Kampf ist. Vollzeit arbeiten gehen mit jeder Menge Überstunden, ein Chef ohne Verständis, einen neuen Partner und die Versorgung ihres Sohnes. Da ist sie über jede Betreuungshilfe froh. Doch mit einem Mal verändert sich ihr Sohn. Ist Elvis etwa etwas zugestoßen? Der Junge spricht über sein Geheimnis nicht. Was ist da nur vorgefallen?


    Ein beobachtender Erzähler führt uns durch die Geschehnisse und mal begleiten wir die Nachhilfelehrerin Ellen und mal Sina, die ihren Sohn Elvis zu Ellen in die Betreuung gibt. Dadurch bekommt man als Leser in beide "Familien" einen guten Einblick.


    Mir hat sehr gut gefallen, dass die Frauen trotz zahlreicher Unterschiede das gleiche Schicksal zu bestreiten haben, nämlich sich allein durch das Leben zu boxen. Ich empfand es als sehr realistisch, dass man alleinstehend alle finanziellen Hürden eben auch allein mit einem Gehalt bestreiten muss, auch wenn die Mieten immer mehr steigen, genau wie Strom, Lebensmittel und Co und dass dies einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität der betroffenen Person hat. Großstadt muss man sich heute leisten können.


    Frau Borger schafft ansonsten Figuren, mit denen man sich identifizieren kann und die man mag. Sina hätte ich zwar gern ein ums andere Mal geschüttelt, weil ich ihr Verhalten nicht immer ganz nachvollziehen konnte, aber letztendlich wollte sie ja immer nur alles richtig machen. Und durch Ellen bekommt man einen Einblick in das Leben einer Rentnerin, die sich fragt was ihr im Leben noch Gutes passieren kann oder ob es das schon gewesen ist.


    Der größte Sympathieträger im Buch ist ganz klar Elvis, der Sohn von Sina. Er ist so ein lieber Kerl und beißt sich trotz aller widrigen Umstände durch. Er tut alles, damit seine Mama stolz auf ihn ist. Seine Liebe zu Hunden konnte ich nur zu gut verstehen, weil es mir da genauso geht wie ihm.


    Ebenfalls sehr überzeugend kam die neue Beziehung von Sina daher, denn man spürt genau, dass nach einigen Enttäuschungen vorher das Urvertrauen beider kaum noch vorhanden ist, da alte Verletzungen aus früheren Beziehungen noch nachklingen.


    Im Übrigen spürt man bei jeder Zeile, dass die Autorin sich sehr gut in München auskennt. Ich war noch nie dort, hatte es aber sehr schön bildlich vor Augen.


    Ansonsten ist es der Autorin sehr gut gelungen mich als Leser auf den falschen Weg zu locken, was mir zum Schluss sehr unangenehm war, denn ich merkte, dass auch ich nicht frei von Vorurteilen und Klischees bin. Das Geheimnis wird erst ganz am Schluss gelüftet und hat mich sehr überrascht, denn das hatte ich nicht kommen sehen.


    Fazit: Gelungene Gesellschaftskritik, die zudem unglaublich unterhaltend ist. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Sina hat ein Problem. Mal wieder springt ihr Ex-Mann kurzfristig von einem vereinbarten Termin ab und nun muss sie ihren Sohn Elvis irgendwie anders betreuen lassen. Glücklicherweise gibt es da Ellen, die ihm sonst Nachhilfe gibt und sich bereit erklärt, Elvis für zwei Wochen zu betreuen.

    Ellen ist Renterin und ihre Rente reicht nicht zum Überleben, so trägt sie Zeitungen aus und gibt Nachhilfe. Die Extra Betreuung von Elvis gibt ihr finanziellen Spielraum.


    Was für ein wunderbares Buch! Man ist von der ersten Zeile an voll mit dabei und lernt erst Ellen und dann Sina und Elvis kennen. Ellen ist eine ganz wunderbare, freundliche Frau, die es sich in ihrem Leben eingerichtet hat, wie es ihr gefällt. Schon lange ist sie verwitwet, aber sie hat gute Freunde, einige Nebenjobs und einen Hund, den sie sehr liebt.

    Sina ist seit geraumer Zeit alleinerziehend und reibt sich auf mit ihrem Job und ihrer Rolle als Mutter. Irgendwie hat sie das Gefühl nicht genug für Elvis da zu sein. Und Elvis erst! So ein lieber Junge. Sehr in sich gekehrt, aber wissbegierig. In den Wochen mit Ellen saugt er alles in sich auf und ist mit einfachen Ausflügen voll und ganz zufrieden. Er liebt Ellens Hund heiß und innig, ist doch auch sein größter Wunsch, einen eigenen Hund zu haben. Doch eines Tage verändert sich der eh schon ruhige Junge und wird immer stiller. Als Ellen und seine Lehrer blaue Flecken bei ihm bemerken und dies melden, verselbstständigen sich die Ereignisse plötzlich und Sina muss ihr gesamtes Leben überdenken.


    Die Autorin hat einen wirklich tollen Schreibstil, es macht großes Vergnügen das Buch zu lesen. Ellen ist mir schnell ans Herz gewachsen, ich mochte ihre ruhige und überlegte Art. Ihre Zeit gemeinsam mit Elvis war einfach toll zu lesen. Sina hätte ich zwischendrin gerne mal schütteln mögen, aber ich konnte ihre Handlungsweise gut nachvollziehen. Sie balanciert durch ihr Leben und jede noch so kleine Veränderung kann alles aus dem Lot bringen.

    Die Autorin spielt mit dem Leser, gibt gewisse Gedankengänge quasi vor, nur um dann aufzuzeigen, dass die naheliegendste Lösung nicht immer die richtige ist und man manchmal doch noch genauer hinschauen muss.


    Für mich ist dieses Buch auf jeden Fall eines meiner Jahreshighlights, ein richtig tolles Wohlfühlbuch.

    10 von 10 Punkte