Bis an die Schmerzgrenze
Mitten in Zeiten der Pandemie herauszukommen, ist so ziemlich das Übelste, was einem Buch widerfahren kann: Die Buchläden geschlossen, der Onlinehandel mit Gedrucktem eingeschränkt, die Menschen an Klopapier deutlich stärker interessiert als an neuen Büchern. Doch genau jetzt ist ein neuer Kriminalroman von Martin Calsow erschienen, der auf keinen Fall übersehen werden darf: „Kill Katzelmacher!“
Der Ort, die Zeit, die Figuren und nicht zuletzt der Fall – alles an diesem Kriminalroman ist ungewöhnlich. Wer Spannungsliteratur liebt, aber der Flut belangloser, nicht selten auf dem Niveau von Schulaufsätzen daherkommender Mainstream-Krimis ebenso überdrüssig ist wie anspruchsloser Gewaltpornos, die sich „Thriller“ nennen, wird dieses wuchtige Leseerlebnis schätzen. Fesselnd bis zur letzten Zeile erzählt Calsow eine aufwühlende Kriminalgeschichte, die im Nachkriegsmünchen von 1948 spielt, wo die amerikanische Besatzungsmacht gerade versucht, eine funktionierende Polizeibehörde aufzubauen. Ausgerechnet ein jüdischer US-Offizier und ein ehemaliger Wehrmachtssoldat müssen gemeinsam einen Fall lösen, der beide an ihre menschlichen Grenzen führt. Die Zerrissenheit der Figuren, ihre Lebens- und Kriegserfahrungen, ihre Persönlichkeitsentwicklung in gänzlich unterschiedlichen Welten und Werten, das alles ist historisch gründlich recherchiert und stilistisch gekonnt erzählt – psychologisch einfühlsam und authentisch bis zur Schmerzgrenze.
Calsow beweist mit diesem Buch, welchen literarischen Wert gute Spannungsromane haben können.
Ein großer Wurf – unbedingte Leseempfehlung!
ASIN/ISBN: 3894256753 |
Martin Calsow: „Kill Katzelmacher!“
Grafit Verlag 2020, 13,00 € (Taschenbuch), 9,99 € (Ebook)
ISBN: 978-3894256753