'Der Wal und das Ende der Welt' - Seiten 091 - 177

  • Ich finde es schon ein großer Zufall, ohne es zu bewerten. Wir hätten das Buch ja auch im Dezember oder September auf der Liste haben können. Egal - es ist, wie es ist. Manchmal brauche ich einen solchen Zufall, ich finde das tröstlich und fühle mich euch verbunden.

    Manchmal denke ich, es gibt keine Zufälle. In dem Fall geht es mir wie dir.


    Mich gruselt es trotzdem, obwohl es kein Gruselbuch ist.

  • Clare, leg es dir zurück für eine Zeit, zu der du nicht so dicht dran bist.

    Dann kannst du es immer noch lesen und hast auch Freude dabei.

    Das mache ich. Ich habe es aus der Bibliothek, kann es ja aber eh nicht zurückgeben. Ich werde es mir aber kaufen, weil ich in den ersten 2 Abschnitten gemerkt habe, dass es das Wert ist:)

  • Ich habe mich in diesem Abschnitt nämlich ständig gefragt, ob ich das Buch vor einem Jahr anders gelesen hätte, als heute.

    Bei der Lektüre hatte ich ganz ähnliche Gedanken. Auch ich hätte den Roman ohne den Bezug zur jetzigen Pandemie ganz anders gelesen. Mit Sicherheit mit einem "ganz weit weg"-Gefühl, als eine Fiktion, die man sich nicht als Realität vorstellen kann.

    Mich gruseln die geschilderten Ereignisse allerdings nicht. Vielmehr bin ich fasziniert, wie präzise und vorausschauend Ironmonger die Auswirkungen beschrieben hat. Auch wenn solcherlei Szenarien sicher auch in anderen Büchern bereits durchdacht wurden - hier fällt mir "Blackout" von Marc Elsberg z.B. ein -, das Zusammenspiel mit einer Grippe ist für mich eine neue Variante. Interessanterweise wird diese hier als "asiatische Grippe" betitelt, auch das lässt einen schlucken.

    (Dass es mich nicht gruselt, führe ich übrigens auch darauf zurück, dass ich in gewisser Weise vorbereitet an die Geschichte herangehen konnte - ich habe Entsprechendes also schon erwartet. Das mildert den Leseindruck sicher etwas.)


    Entscheidend für den weiteren Verlauf der Geschichte ist für mich, dass diese Grippe gleichzeitig mit einer Öl-Verknappung durch Konflikte der Golfstaaten etc. auftritt. Hier sind gleich beide der von Kaufmann angesprochenen Schlüsselszenarien eingetreten: Die Furcht der Leute vor Erkrankung und Ressourcenknappheit. Vielleicht wäre eines der beiden Szenarien für sich genommen irgendwie zu händeln, kommt beides zusammen sieht es umso düsterer aus.

    Lew Kaufmann finde ich gruselig. Ich glaube nicht, dass seine Motive Joe und dessen Arbeit gegenüber nicht egoistischer Natur sind. Den großen Weltversteher kann ich ihm nicht abkaufen.

    Lew Kaufmann stehe ich auch zwiegespalten gegenüber: Einerseits wirkt er auf mich wie ein Patriarch, der in seiner Bank die Fäden zusammenhält und sein Lebenswerk verwaltet, da stelle ich mir auch eine gewisse Gutmütigkeit vor. Das ist er andererseits aber nur solange, wie es ihm von Nutzen ist. Von Joe möchte er ja eine konkrete Information haben - die er für seine Zwecke wie nutzt? Daraus bin ich nicht so ganz schlau geworden. Ob es ihm einfach um das Szenario an sich geht? Wahrscheinlich. Aber eines weiß ich sicher: Er würde mit Sicherheit nicht die gleichen Konsequenzen wie Joe ziehen.


    Joe agiert gut, würde ich sagen. Er ist von einer gewissen Furcht getrieben, weil er, anders als die anderen, die weiteren Konsequenzen ahnt, aber er wird nicht von Egoismus geleitet. Und ganz sicher wird er das Dorf gut durch die Krise führen - sonst würde man ihn ja nicht immer noch verehren und mit einem Jahrestag feiern.


    Ich fand das Auftauchen des Wals beruhigend. Ich empfinde ihn als großes Mahnmal, damit das Dorf nicht vergisst, welche Kräfte die Bewohner haben, wenn sie zusammen halten. Der Wal als das große Symbol für Rettung.

    Der Wal strahlt in der Tat etwas Beruhigendes aus, das war auch mein Eindruck. Ich konnte ihn allerdings nicht näher ergründen. Deine Interpretation finde ich sehr treffend - jetzt ergibt der Wal für mich mehr Sinn. :)

  • Clare : Ich kann Dich gut verstehen :knuddel1


    Ich fand diesen Abschnitt schon ein wenig beklemmend - und ich denke, es lässt sich nicht vermeiden, dass man Parallelen zur aktuellen Situation sieht.


    Lew Kaufmann ist für mich jemand, dem ich nicht über den Weg traue - einerseits sicher ein Patriarch, der etwas aufgebaut hat und dieses Lebenswerk nicht loslassen mag. Irgendwie verständlich. Aber bei dieser Szene in der Weinbar habe ich mich gefragt, was er dafür in Kauf nehmen würde. Interessiert er sich nur für Cassie, um den Gewinn für sein Unternehmen zu optimieren, und wie weit würde er damit gehen?


    Ich frage mich auch, warum Joe sich überhaupt noch mit Cassie beschäfitigt? Inwieweit nutzt ihm das?

    Wenn er dieses Szenario, das er Polly beschreibt, schon länger im Sinn hat, ist er vielleicht auch nicht zufällig in diesem Dorf gelandet, sondern hat sich ganz gezielt dorthin zurückgezogen, weil es so abgelegen ist?


    Ich hoffe jedenfalls, dass sich das beklemmende Gefühl beim Weiterlesen nicht verstärkt. Das wäre schade, denn eigentlich gefällt mir das Buch sehr gut.


  • Ich hoffe jedenfalls, dass sich das beklemmende Gefühl beim Weiterlesen nicht verstärkt. Das wäre schade, denn eigentlich gefällt mir das Buch sehr gut.

    Ohne zu viel vorweg zu nehmen, kann ich dir sagen, dass es sich (nach meinem Empfinden) nicht verstärkt.
    Dieser Abschnitt hatte deutliche Parallelen zur Jetzt-Zeit das hat in uns allen wohl ein mulmiges Gefühl erzeugt. Dieses Gefühl bleibt aber nicht.

  • Danke LeseBär , das beruhigt mich.

    Keine Angst, der Autor wollte nicht über die fenauen Auswirkungen einer Pandemie schreiben. Es ging ihm nicht um Schreck-Effekte oder auch nur Details der Katastrophe.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Hier meldet sich der Hinterherhinker.... :schaem Aber ehrlich gesagt musste ich das Gelesene nach diesem zweiten Abschnitt erstmal ein bisschen sacken lassen. Und dann kam dann noch Ostern dazwischen. Auch wenn es wirklich ein sehr ruhiges Osterfest war, war es doch intensive Gemeinsamzeit, die ich genossen habe und daher nicht so zum Lesen gekommen bin.

    Ich fand diesen Abschnitt schon ein wenig beklemmend - und ich denke, es lässt sich nicht vermeiden, dass man Parallelen zur aktuellen Situation sieht.

    Das denke ich auch. Das Pandemie-Thema hat uns doch alle fest im Griff, so dass entsprechende Vergleiche beim Lesen gar nicht ausbleiben können. Aber obwohl das bedrohliche Gefühl beim Lesen zunahm, muss ich dennoch wissen, wie es weitergeht. Ich halte mich da an der Walrettungs-Szene fest und hoffe, dass Joe es schafft, wenn nötig die Gemeinschaft erneut zu mobilisieren.


    Auch ich hätte den Roman ohne den Bezug zur jetzigen Pandemie ganz anders gelesen. Mit Sicherheit mit einem "ganz weit weg"-Gefühl, als eine Fiktion, die man sich nicht als Realität vorstellen kann.

    Ich habe mich auch gefragt, wie ich das Buch empfinden würde, wenn wir nicht gerade in der jetzigen Situation stecken würden. Die Bezeichnung ""ganz weit weg"-Gefühl" finde ich dabei sehr passend. Nur, dass wir eben im Moment mitten drin sind - schon irgendwie verrückt, dass wir das Buch gerade jetzt lesen.

    Ich habe ein bisschen Angst weiter zu lesen. Aber eure Anmerkungen haben mich ermutigt, nicht aufzugeben. Außerdem besteht neben dem beklemmenden Gefühl auch ein Gefühl der Hoffnung und die Sprache ist einfach zu schön, um das Buch weg zu legen.

  • Ich habe das Hörbuch im letzten Jahr gehört und hatte dabei natürlich nicht das Betroffenheitsgefühl, das uns jetzt immerzu begleitet.

    Es war trotzdem ein sehr intensives Leseerlebnis, da für mich die persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen ganz im Vordergrund standen und nicht so sehr das Epidemieszenario.

  • Es war trotzdem ein sehr intensives Leseerlebnis, da für mich die persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen ganz im Vordergrund standen und nicht so sehr das Epidemieszenario.

    Das stimmt. Der Fokus liegt mehr auf den zwischenmenschlichen Beziehungen und wie jeder mit jedem umgeht als auf das Pandemie. Die ist ja eigentlich nur Mittel zum Zweck, um den Zusammenhalt darzustellen.

  • Das stimmt. Der Fokus liegt mehr auf den zwischenmenschlichen Beziehungen und wie jeder mit jedem umgeht als auf das Pandemie. Die ist ja eigentlich nur Mittel zum Zweck, um den Zusammenhalt darzustellen.

    Ihr habt schon Recht. Aber ich muss gestehen, dass das bei mir den Umständen geschuldet doch etwas weiter nach hinten rutscht und die Situation selber im Vordergrund steht. Ich versuche, dem entgegenzuwirken, fällt mir aber nicht leicht.

  • Aber ich muss gestehen, dass das bei mir den Umständen geschuldet doch etwas weiter nach hinten rutscht und die Situation selber im Vordergrund steht. Ich versuche, dem entgegenzuwirken, fällt mir aber nicht leicht.


    Das verstehe ich gut - für mich war die Geschichte, da im letzten Jahr gehört, eine ganz andere als die, die ihr jetzt lest. Das ist auch heute bei mir noch so.