'Der Wal und das Ende der Welt' - Seiten 270 - 360

  • In St. Piran funktioniert es auf jeden Fall. Und ich glaube, das liegt in erster Linie an der dörflichen Struktur, weil eben jeder jeden kennt. Um Bekannte sorgt man sich eher als um anonyme Nachbarn, wie es sie in Großstädten zuhauf gibt. Die persönliche Nähe lässt Menschen sich auch für andere verantwortlich fühlen.

    Ich wohne ja sein über 20 Jahren im gleichen 8stöckigen Hochhaus und 60 % der Mieter kenne ich seit Ewigkeiten. Wir sind auch wie eine kleine Dorfgemeinschaft und halten zusammen. Wir haben einige Mieter im Haus, die schon um die 80 sind und erledigen jetzt Botengänge, falls sie das möchten und achten aufeinander. Ich denke, der Mensch sucht sich überall eine Gemeinschaft. Und das mit Dorfgemeinschaften ist nicht unbedingt besser/einfacher, als in der Stadt. Ich kenne einige Familien, die aufs Land gezogen sind und große Schwierigkeiten hatten, von der Dorfgemeinschaft aufgenommen zu werden.

    Diese Geschichte hier ist natürlich weichgezeichnet und ALLE sind so gut. Aber geben tut es das in der Stadt auch, denke ich. Das Problem ist eher die Menge an Menschen. Die 300 Leutchen hier, kann man besser überblicken und abschotten und versorgen. Bei einer Großstadt wird das natürlich schwierig und eigentlich unmöglich.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich wohne ja sein über 20 Jahren im gleichen 8stöckigen Hochhaus und 60 % der Mieter kenne ich seit Ewigkeiten. Wir sind auch wie eine kleine Dorfgemeinschaft und halten zusammen. Wir haben einige Mieter im Haus, die schon um die 80 sind und erledigen jetzt Botengänge, falls sie das möchten und achten aufeinander. Ich denke, der Mensch sucht sich überall eine Gemeinschaft. Und das mit Dorfgemeinschaften ist nicht unbedingt besser/einfacher, als in der Stadt. Ich kenne einige Familien, die aufs Land gezogen sind und große Schwierigkeiten hatten, von der Dorfgemeinschaft aufgenommen zu werden

    Eigentlich habe ich nichts anderes geschrieben. ;)

    Ich wollte nicht ausdrücken, dass es grundsätzlich auf dem Dorf leichter wäre als in der Stadt, sondern dass es persönliche Nähe braucht, um so zu handeln, wie die Leute in St. Piran das getan haben.

    Ob es sich dabei um ein ganzes Dorf handelt oder um eine eingeschworene Gemeinschaft welcher Art auch immer ist dabei zweitrangig.

  • Ironmonger baut hier ja mit seinem abgeschotteten Dorf ein Modell.

    Diese Geschichte hier ist natürlich weichgezeichnet und ALLE sind so gut. A

    Und da stimme ich dir zu, hier sind die Leute - zumindest bis jetzt - fast zu gut, um wahr zu sein. Das Böse kommt immer nur von außen wie die Raubzüge. Aber ich denke auch nicht, dass so eine Situation, wie von Hobbes angenommen wird, über längere Zeit zu völliger Anarchie führen würde, weil die Menschen wie die die meisten in Gruppen lebenden Säugetiere sehr schnell wieder soziale Strukturen herstellen würden, denn letzten Endes ist es uns evolutionär so eingepflanzt, dass wir nur als Gruppe überleben können. Allerdings würde es sicher Kämpfe zwischen den Gruppen geben.

    Eigentlich begreife ich mich selbst als Optimisten, aber ich bin wohl der Einzige hier, der Joes "Visionen" für real hält. :wow Aus der Sicht eines alternden Mannes, der sich, sowohl aus den Umständen als auch dem Charakter seiner Frau ergebend, ihrer Treue unsicher sein muss, ist der jüngere Konkurrent schlichtweg ein unerträglicher Albtraum. Da mag auch ein Priester mal seinen Mordphantasien erliegen ...

    Ich denke auch, dass Ironmonger es zwar etwas in der Schwebe lassen wollte, es aber schon genügend Andeutungen gibt, dass der Pfarrer tatsächlich Joe das Wasser nicht aktiv gereicht hat und dadurch seinen Tod billigend in Kauf genommen hätte.
    S.358 Mitte der Hardcover-Ausgabe: "Alvins Gesichtsausdruck war eine brodelnde Mischung aus Furcht und Verachtung, 'Ich habe nicht versucht, Sie zu töten, Joe. '"
    Und auf S. 359 Mitte: "'Tun Sie das nicht, Joe', sagte Hocking. Er hatte den Blick abgewandt. 'Wir waren beide dem Tode nah. Und wir beide leben noch. Machen Sie es nicht unnötig kompliziert mit Ihren Verschwörungstheorien.'"
    Und zwischendrin streitet er ab, aus Joes Fieberreden den Wunsch nach Wasser herausgehört zu haben. Ich finde, dadurch legt Ironmonger dem Pfarrer die Schuld sehr nahe.

  • Es wird nicht ganz klar, ob der Pfarrer Joe wirlkich das Wasser verweigern wollte oder ob Joe nur geträumt hat. Die Beerdigung Janies hat mich bewegt. Wenn es darauf ankommt, funktionieren die beiden Männer als Team

    Dieses ambivalente Verhältnis der beiden finde ich sehr interessant. Einerseits funktionieren sie als Team gut, eben bei der Beerdigung von Janie oder auch beim Auflisten der Lebensmittel. Andererseits merkt man, dass sie sich eigentlich nicht grün sind. Besonders der Pfarrer kann seine Sticheleien nicht lassen. Und unter dem Gesichtspunkt sieht es für mich eher so aus, als habe er Joe das Wasser tatsächlich verweigert und als habe Joe das nicht nur geträumt.


    Es ist schön zu sehen, dass das Dorf in dieser Krise zusammenwächst und sie sich gegenseitig unterstützen. In der Realität funktioniert das zumindest teilweise - was ich sehr schön finde, und ich hoffe, dass wir es nach der Corona-Krise in den Alltag hinüberretten können, dass die Menschen auch mal über den Tellerrand hinausblicken und sich nicht nur um sich selbst kümmern.


    Erschreckend fand ich, dass es selbst in diesem abgelegenen Dorf schon zu Diebstählen durch Leute von außerhalb gekommen ist - wahrscheinlich hat man sich an Joes Großeinkäufe erinnert.

  • Aber ich denke auch nicht, dass so eine Situation, wie von Hobbes angenommen wird, über längere Zeit zu völliger Anarchie führen würde, weil die Menschen wie die die meisten in Gruppen lebenden Säugetiere sehr schnell wieder soziale Strukturen herstellen würden, denn letzten Endes ist es uns evolutionär so eingepflanzt, dass wir nur als Gruppe überleben können. Allerdings würde es sicher Kämpfe zwischen den Gruppen geben.

    Ich stimme Dir zu. Ich kann hierzu auch das Buch von Deon Meyer "Fever" empfehlen. Eine Dystophie in der eine Fieberpandemie die Welt ins Chaos stößt. Aber genau wie Du sagst, irgendwann suchen die Menschen nach sozialen Strukturen und schließen sich zu Gruppen zusammen. Nicht alle demokratisch :grin aber das muss man selber lesen. Tolles Buch.


    Ich denke auch, dass Ironmonger es zwar etwas in der Schwebe lassen wollte, es aber schon genügend Andeutungen gibt, dass der Pfarrer tatsächlich Joe das Wasser nicht aktiv gereicht hat und dadurch seinen Tod billigend in Kauf genommen hätte.

    Vielleicht hat er mal kurz drüber nachgedacht und dann ist doch das Gute bei ihm wieder durchgekommen.:/

    Erschreckend fand ich, dass es selbst in diesem abgelegenen Dorf schon zu Diebstählen durch Leute von außerhalb gekommen ist - wahrscheinlich hat man sich an Joes Großeinkäufe erinnert.

    Was würden wir tun, wenn unsere Familien hungern und ganz in der Nähe wären Menschen, die noch relativ viel zu essen hätten? Ich denke, diese Art von Mundraub, kann ich trotz allem nachvollziehen.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ja, ich bin noch am Buch dran.... :schaem So gerne ich es lese, kann ich es trotzdem nur dosiert lesen. Einerseits tut mir das Buch gut und gleichzeitig bringt es mich noch mehr zum grübeln, als dass ich in diesen Tagen eh schon tue. Aber die Hoffnungen an eine starke Gemeinschaft, die das Buch weckt, sind stärker und so lese ich auf jeden Fall weiter

    Eigentlich begreife ich mich selbst als Optimisten, aber ich bin wohl der Einzige hier, der Joes "Visionen" für real hält. :wow Aus der Sicht eines alternden Mannes, der sich, sowohl aus den Umständen als auch dem Charakter seiner Frau ergebend, ihrer Treue unsicher sein muss, ist der jüngere Konkurrent schlichtweg ein unerträglicher Albtraum. Da mag auch ein Priester mal seinen Mordphantasien erliegen ...

    Nein, du bist nicht alleine. :zwinker Ich sehe auch viel lieber das Gute in den Menschen. Aber Alvins Andeutungen lassen erahnen, dass er zumindest Gedanken, Joe etwas anzutun, zugelassen hatte. Ich will ihm zugute halten, dass auch er möglicherweise im Fieberwahn nicht ganz sich selber war. Und schlussendlich hat er es ja nicht getan.


    Die Idee, dass Feinde in der Not zu Verbündeten werden - wie in diesem Falle Joe und Alvin - gefällt mir sehr gut und gibt mir auch wieder Hoffnung. Die Menschen besinnen sich in der Krise daran, dass man gemeinsam stärker ist.

    Und da stimme ich dir zu, hier sind die Leute - zumindest bis jetzt - fast zu gut, um wahr zu sein. Das Böse kommt immer nur von außen wie die Raubzüge. Aber ich denke auch nicht, dass so eine Situation, wie von Hobbes angenommen wird, über längere Zeit zu völliger Anarchie führen würde, weil die Menschen wie die die meisten in Gruppen lebenden Säugetiere sehr schnell wieder soziale Strukturen herstellen würden, denn letzten Endes ist es uns evolutionär so eingepflanzt, dass wir nur als Gruppe überleben können.

    Alle sind gut - außer der Pfarrer... :zwinker Ich finde, dass Ironmonger sehr treffend dargestellt hat, dass das Böse von "außen" kommt. Ist es nicht so, dass die meisten Menschen sehr oft "gezwungenermaßen" böse werden? Ich will natürlich kein Verbrechen schön reden und einfach so entschuldigen. Der Mensch hat grundsätzlich immer eine Wahl. Aber die Umstände können so manchen zum Täter werden lassen. Wie es auch hollyhollunder formuliert hat:

    Was würden wir tun, wenn unsere Familien hungern und ganz in der Nähe wären Menschen, die noch relativ viel zu essen hätten? Ich denke, diese Art von Mundraub, kann ich trotz allem nachvollziehen.