Grenzen der eigenen Sprache

  • Bartlebooth,


    das hat nichts mit Kulturpessimismus zu tun, was immer das auch sein soll. (Für mich gehört der Begriff zu den Totschlagsargumenten.)


    Es geht hier um die Praxis des Schreibens. Vielleicht war das mißverständlich.


    Was Du 'Ausschuß' nennst, ist andernorts 'marktgerecht' (IRIIIIIIIS!!)


    Für Schreibende, die publizieren, sprich verkaufen wollen, stellt sich die Frage, wie man sein Produkt gestaltet.
    'Einfach eine gute Geschichte erzählen' sagen die einen.
    'Mein Handwerkszeug anwenden, dann wird's schon gut' die anderen.
    Aber was ist 'gut'?
    Der Einsatz der Sprache ist ein Mittel dabei. Wie gehe ich damit um?
    Das kann man nicht theoretisch und im Vorfeld lösen. Gleich, wieviele Schreibseminare man belegt, wieviel, zum Teil teure, Unterrichtseinheiten man sich gönnt.
    Die Praxis ist anders.
    Ich will, sagen wir, einen 'guten' Abenteuerroman schreiben.
    GUT.
    Also: wieviele Personen? Wie sprechen sie? Wie beschreibe ich Hintergründe/Zusammenhänge? Viele Adjektive? Wenige? Cliffhanger? Salamitechnik? Wieviel Mord tut gut ( :wave BloodyMary)
    Wann bin ich blumig, lyrisch, kitschig, trivial? Wann bin ich GUT? Wann kommt das Stirnrunzeln aus dem Lektorat?
    Wird es Abenteuierroman, wie die andern veirhundertachtzig, die auf dem Markt sind oder wird das der EINE?
    Wo kommt die Selbstachtung dazu? Wo meine Ziele als AutorIn? Habe ich welche?
    Worauf verzichte ich, wenn ich vier Manuskripte à 450 Seiten pro Jahr abliefere, abliefern muß, weil ich davon leben muß?
    Auf sprachliche Mittel?
    Ist Sprache nur ein Luxus?
    was ist 'Zeitgeschmack'? Muß ich meine Personen 'cool' sagen lassen, wiel das jeder sagt? Muß ich alles 'nachvollziehen', weil jeder Journalist heute nachvollzieht?
    Und schließlich das Verhältnis zur 'Literatur', das berühmte 'gut'-'schlecht', wertvoll-Schund.
    Wer sagt das? Wer definiert das?
    Und hier kommt man dann wirklich zu den Fragen, ob ein großes Vokabular auch einen großen Schriftsteller macht. Oder eine große Schriftstellerin.
    Oder eben nicht.
    Ich weiß nicht, wer bei Goethe oder Shakespeare die Wörter auszählt.
    Ich kann nicht entscheiden, wie wichtig das ist.


    Aber man muß beim Schreiben Überlegungen darüber anstellen.


    Waldfee


    Feen sind eben empfindlich. Deswegen sind sie ja so selten. Wir werden besser aufpassen.
    Ein Schälchen Milch gefällig?
    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Chère magali, :-)


    Ich versteh überhaupt nicht mehr das Problem. Was "gut" ist, ist doch nichts, was man so beantworten könnte, sondern immer Gegenstand von Diskussion. Das war aber bisher doch gar nicht Thema. Deine Fragenbatterie ist für mich auf den ersten Blick sehr nachvollziehbar. Also noch einmal: Wo liegt denn gerade der Gegenstand unseres Dissenses? Ich sehe ihn nicht mehr.


    "Kulturpessimismus" ist kein Totschlagargument (das Wort an sich ist erstaml überhaupt kein Argument). Ich bezeichne damit eine allgemeine Verfallstheorie, wie sie meiner Ansicht nach in verallgemeinernden Formulierungen wie

    Zitat

    Eine sprachliche Verarmung in den zeitgenössischen Massenpublikationen gibt es aber auch


    zum Ausdruck kommt (Hervorhebung von mir).


    Zitat

    Was Du 'Ausschuß' nennst, ist andernorts 'marktgerecht' (IRIIIIIIIS!!)


    Woher weißt du denn, was ich "Ausschuss" nenne? Dazu habe ich doch noch gar nichts gesagt. :wow Der letzte Satz war eine rein statistische Aussage. Mir ist überdies klar, dass nicht alle dasselbe miss- bzw. gelungen finden. Das finde ich völlig unproblematisch.


    Herzlich, B.

  • Bartlebooth,


    Du hast das Wort Ausschuß eingeführt
    Was ist das? Und wieso ist der Ausschuß kein Problem?


    Den Dissens schreibst Du herbei, ich sehe keinen.
    Ich sehe nur, daß wir über die Bedeutung von Sprache fürs Schreiben von verschiedenen Blickwinkeln her sprechen.
    Theoretisch, praktisch, auf verschiedenartige Formen von fiktionalen Texten bezogen, auf die Arbeitsweisen von SchriftstellerInnen.
    Ist völlig okay, ich saggte ja, ich summiere, addiere.
    Es geht hier sowieso bloß um Aufzählung von Fakten, Eindrücken. Ich wiederhole: eine umfassende Synthese gibt es da nicht.


    Vielleicht soltest Du aber auch mal in die nächste Buchhandlung marschieren, Dir ein Dutzend gängige Romane von den Büchertischen schnappen (vom historischen Unterhaltungsroman über Nackenbeißer bis zu Chicklit) und danach reden wir wieder über sprachliche Verarmung in den gängigen Massenpublikationen.
    Die Zeitungssprache lasse ich ja schon weg.


    @doc


    Du mußt inklusiv denken, nicht bloß exklusiv.
    ALLE Faktoren spielen zusammen, wie man das wertet, gewichtet, DAS ist eben die Frage.
    Das subjektive Verhältnis plus Außenwirkungen, Einflüsse von außen.
    Die Grundfrage hier war erstmal nach dem subjektiven Empfinden für die Grenzen der eigen Sprache.
    Wir hatten erstmal das Vokabular. Die Frage habe ich schon beantwortet, subjektiv. Dito Tom.
    Doc, hast Du das Gefühl, Dein Vokabular sei beschränkt? Fehlen Dir Wörter?
    Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie gehst Du damit um?


    Und wir hatten nur Wörter, noch nicht die Frage von Kombinationen, grammatikalische Fubktion etc.
    Was wir noch nicht haben, ist das Problem, wie man damit umgeht, wenn einem tatsächlich die Worte fehlen. Man will etwas zum Ausdruck bringen und jedes Wort, das man findet, gibt nicht das her, was man anzielt.
    Auch ein problem der 'Grenzen der eigenen Sprache'

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Doc, hast Du das Gefühl, Dein Vokabular sei beschränkt? Fehlen Dir Wörter?
    Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie gehst Du damit um?


    Hm. Ich habe beim Schreiben das Gefühl, daß mir manche Formulierung nicht so gelingen mag, wie ich mir das wünschen würde. Aber das liegt vielleicht auch am Zeitfaktor, den Du ja erwähnt hast UND an meinen Fähigkeiten.
    Allerdings habe ich nicht den Eindruck, daß es mir am Wortschatz mangelt, sondern immer wieder mal an der Ausdrucksfähigkeit mit den vorhandenen Mitteln das zu beschreiben, was in meinem Kopf Gestalt angenommen hat. Aber ich lerne (hoffentlich) dazu.


    Gruss,


    Doc

  • Bartlebooth


    ist eines der Probleme beim posten.
    Die Worte haben soviele Bedeutungen, man kann nie sicher sein, was wie beim Gegenüber ankommt.
    Deine Sprache und meine sind ganz unterschiedlich, wir müssen uns da erst verständigen.


    Hast Du den Eindruck, daß Dein Wortschatz beschränkt ist, wenn Du am Schreiben bist? Empfindest Du einen Mangel? Wenn ja, wie hilfst Du Dir?


    *magali hinterhältig grinsend*

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Hast Du den Eindruck, daß Dein Wortschatz beschränkt ist, wenn Du am Schreiben bist? Empfindest Du einen Mangel?


    Wer diese Fragen mit "ja" beantwortet, hat schon gewonnen.


    Schade ist es um die anderen. Die kochen im eigenen Saft und geben sich (gezwungenermassen, weil sie es nicht besser wissen) mit ihrem eigenen kleinen Gewürzbrett zufrieden, ohne auch mal neugierig in fremde Töpfe hineinzuschmecken.


    (Und das war jetzt eine reichlich missglückte Formulierung, weil man gar nicht mehr weiss, wer jetzt im Saft kocht und wer den Saft umrührt. Aber ich bin mir dessen immerhin bewusst und könnte mich bemühen, was dran zu ändern! :grin )

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von MaryRead
    Wer diese Fragen mit "ja" beantwortet, hat schon gewonnen.
    Schade ist es um die anderen. Die kochen im eigenen Saft und geben sich (gezwungenermassen, weil sie es nicht besser wissen) mit ihrem eigenen kleinen Gewürzbrett zufrieden, ohne auch mal neugierig in fremde Töpfe hineinzuschmecken.


    Hm, vielleicht habe ich (wieder mal) etwas nicht verstanden.
    Wenn man liest und ansonsten auch mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, dann erweitert man doch automatisch seinen Wortschatz und verwendet hier und da eine Formulierung oder Worte, die man anderswo entdeckt hat. Man setzt doch dieses ständig neuerworbene Wissen auch immer wieder ein, sei es nun bewusst oder unbewusst. Wozu muss ich mir da also erstmal eines Mangels bewusst sein? Ich gehe mal davon aus, daß ein Autor doch grundsätzlich auf der Suche nach der "besten" Formulierung, dem "besten" Wort für das ist, was er sagen möchte, so gut das eben unter den ihm auferlegten Arbeitsbedingungen möglich ist.


    Gruss,


    Doc

  • Ich empfinde es auch nicht als "Mangel" (siehe Antwort weiter oben). Eher als eine Art Herausforderung, aber keine von sehr hoher Priorität. Die Kunst besteht nicht (bzw. nicht zur Hauptsache) darin, sprachlich originell zu sein, sondern eine gute Geschichte gut zu erzählen. Das ist meine Maxime.


    Ansonsten - siehe Docs letztes Posting. Die permanente Erweiterung des Wortschatzes ist quasi unvermeidbar, wenn man sich mit offenen Augen durch die Welt bewegt. Die optimale Nutzung des bestehenden ist mir ganz persönlich jedoch wichtiger.

  • *Bartlebooth noch hinterhältiger zurückgrinsend*


    Auch ich meine, diese Fragen bereits beantwortet zu haben.


    Ich zitiere mal selbst mein zitiertes Zitat:

    Zitat

    Ich darf mich mal selbst zitieren:
    Zitat:
    Ich glaube, ich würde die Begrenztheit des eigenen aktiven Wortschatzes nicht als Mangel beschreiben, wie du es tust, also als Verlust von Ausdrucksmöglichkeit


    Es sind in meinen Augen also zwei unterschiedliche Fragen. Ich empfinde eine Begrenztheit, ja, ich empfinde sie nicht als Mangel, nein.


    Denn, wie ich schon zu Ines ganz am Anfang sagte: Diese Begrenztheit gehört zur Individualität der Texte und macht mE einen Teil ihres Reizes aus.


    Herzlich, B.

  • Hallo Ines,


    interessante Diskussion.


    Ich arbeite gerade daran meinen Wortschatz zu erweitern. Ich rede zwar viel in meinem Beruf, aber nicht immmer es ist möglich darauf zu achten wie es sich anhört.


    Zur Hilfe nehme ich entweder Lexika, oder ich notiere Sätze die mir gefallen.
    Ab und an entwickle ich daraus eine Geschichte.Oder versuche mit eigenen Worten etwas zu formen, dann hört es sich schon ganz anders an.


    Am meisten hilft mir Lesen. Ich versuche jeden Tag ein paar Seiten zu lesen.


    Die Strukturen der Grammatik habe ich so gut verlernt. Dafür beherrsche ich umso die besser die englische Grammatik. :grin


    Ich hoffe mit der Zeit wird es Früchte zeigen.


    Zofie :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich empfinde es auch nicht als "Mangel" (siehe Antwort weiter oben). Eher als eine Art Herausforderung, aber keine von sehr hoher Priorität. Die Kunst besteht nicht (bzw. nicht zur Hauptsache) darin, sprachlich originell zu sein, sondern eine gute Geschichte gut zu erzählen. Das ist meine Maxime.


    Ansonsten - siehe Docs letztes Posting. Die permanente Erweiterung des Wortschatzes ist quasi unvermeidbar, wenn man sich mit offenen Augen durch die Welt bewegt. Die optimale Nutzung des bestehenden ist mir ganz persönlich jedoch wichtiger.


    Ich glaube, wir widersprechen uns da gar nicht unbedingt.


    Für die (Tom) "optimale Nutzung des Bestehenden" braucht es eine Reflexion über das, was "optimal" (oder eben noch nicht optimal) ist (= Mangel erkennen), und die Korrektur erfordert dann genügend sprachliche Beweglichkeit (Wortschatz und sämtliche anderen Mittel) und Kreativität. Das muss nicht auf Teufel komm raus "originell" sein, sondern es muss "stimmen". Dafür braucht man einerseits ein Gefühl für das, was "stimmt" (basierend auch auf Erfahrung, nicht zuletzt grosser Leseerfahrung), und die Mittel, um etwas stimmig zu machen (basierend auf Übung und am besten wohl wiederum eine grosse Leseerfahrung).


    Jetzt hab ich in drei Sätzen dreimal dasselbe gesagt, oder? :rolleyes


    Also noch mal: Ich brauche ich das Werkzeug, um die notwendigen Schrauben festdrehen zu können. Dafür muss ich aber zuerst diagnostizieren können, wo überhaupt welche locker sind, und ich muss beurteilen können, ob der Schraubenzieher passt oder ich mir einen anderen besorgen muss.


    Oder so ähnlich. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von Tom


    Und außerdem das wiederholt, was ich weiter oben mehrfach geschrieben habe. :grin


    Sag ich doch, dass wir gar nicht so weit voneinander entfernt sind! :grin

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)