Grenzen der eigenen Sprache

  • Bartlebooth


    verstehe ich Dich richtig, daß Du bei Kafka eine freiwillige Einschränkung siehst mit dem Ziel der Präzision?
    Pyncheon habe ich nie gelesen, aber Henry James z.B. ereicht eine Kafka vergleichbare Präzison bei der Darstellung der Gefühlswelt seiner ProtagonistInnen mit eine überwältigenden Fülle von Wörtern.
    Allerdings nur in den Beschreibungen, die Dialoge sind karg.


    Was den Stil im Sinne von 'stilistische Eigenheit' einer Schriftstellerin oder eines Schriftstellers betrifft, so neige ich eher zu der Ansicht, daß es auf bewußten Einsatz des vorhandenen Vokabulars zurückzuführen ist.
    Ich finde die zeitgenössische Unterhaltungsliteratur u.a. deswegen wenig reizvoll, weil die Produkte alle ähnlich klingen. Die gleichen Wörter, die gleichen Assoziationen, die gleichen Wortkombinationen, die gleichen Metaphern überall.


    @doc
    es ist natürlich kein 'MUSS', daß ein/e MalerIn mit allen Farben zugleich arbeitet. Aber wenn sie/er sich beschränkt, dann doch eigentlich aus demn Wissen über die Wirkung der Fülle heraus?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Malen? Vielleicht passt ja die Analogie zur Küche besser? Es ist wie beim Kochen: Im Alltag gibt es häufig das Gleiche; durchschnittliche Dinge, schnell zu machen mit absehbarem Geschmack. Für Profis oder bei besonderen Anlässen sieht das schon anders aus. Da sollte man über Pfeffer, Salz und Maggi hinaus auch schon mal mit Safran und Cardamom umgehen können. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass es ausreicht, möglichst viel zu kennen und dann zusammen zu kippen. Die Zusammenstellung, die Menge, das Rezept macht es aus. Aber selbst Profis bruzzeln irgendwann immer aus ihrer Sicht vergleichbares. Da staunen dann selbst Sterneköche über den "Einfallsreichtum" eines anderen Küchenchefs: "Warum ist mir das bloß nicht eingefallen?" So geht es glaub Ines ab und zu: Sie kennt ihre Gerichte schon zu gut.
    Für den Koch-Laien gibt es da noch allgemein brauchbare Tipps und nachzukochende Rezepte, mit denen man fast immer etwas Schmackhaftes zaubern kann. An der Spitze nützen einem solche Tipps nicht mehr. Man lebt vom Experiment. Also Ines: Auf zum freien Versuch ;-)


    Magali: Klar ist das alles Einheitsware, heute ist ja das meiste zwischen den Buchdeckeln nur noch Fast-Food. Oder sollte man sagen Fast-Brain ?!?!?!?

  • columbo


    ich fürchte, es liegt weder am slow noch am fast, sondern am brain ;-)


    Kochen ist auch kein schlechtes Bild, aber Du würdest staunen, wie wenig bekannt die Vielzahl der Gewürze ist und ihr Geschmack resp. Geruch. Gekocht, ungekocht, alles ein gewaltiger Unterschied.


    magali,
    die den Kochlöffel nicht bloß dazu benutzt, nichtsahnenden Männern eins überzuziehen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich habe diesen Thread mit Spannung gelesen!


    Ich finde, der bevorzugte Wortschatz eines Autors muss a) zu Genre, Thema und Figuren passen und ist b) Teil seines Stils. Ich bewundere es, wenn Autoren mit einem durchschnittlich entwickelten Wortschatz einen klar erkennbaren Stil pflegen. Mir fällt es beim Lesen stark auf, wenn ein Wort nicht "passt", aber mir fällt es in der Regel nicht auf, wenn ein Wort wie "entgegnen" nie verwendet wird!


    Ich schreibe Werbe- und Marketingtexte und wechsle meinen Wortschatz sozusagen mit Produkt und Zielgruppe. Für manche Produkte habe ich schon Fachzeitschriften gewälzt und Wording-Listen angelegt, um den richtigen Ton zu treffen.


    Mein Stil ist so anpassungsfähig, dass ich Probleme habe, beim fiktiven Schreiben einen eigenen Stil zu entwickeln. Kennt ihr das auch?

  • Ich glaube nicht, daß Prosa notwendigerweise schöner oder treffender, verstehbarer wird, wenn ein reichhaltigeres Vokabular zur Verfügung steht. Andererseits gebe ich Magali teilweise recht (wenn ich das auch als Seitenhieb u.a. auf mich verstanden habe :grin): Insbesondere die Gegenwartsliteratur neigt zu einer Vereinfachung, ähnlichen oder sogar gleichen Bildern. Wortschöpfungen und -konstruktionen lenken davon höchstens ab.


    Wir sollten nicht vergessen, daß Belletristik i.d.R. von der Geschichte getragen wird. Der Kochen-Vergleich ist so schlecht nicht: Die Geschichte ist der Braten, Sprache, Stil und Stilmittel sind die Zubereitung im weitesten Sinne (technische Zubereitung, Würze und Beilagen). Man kann die gleiche Geschichte auf verschiedene Arten erzählen; nichts anderes tun wir, da sich die Prämissen und Entwicklungen der meisten Geschichten auf ein paar Muster reduzieren lassen. Es bleibt ein Braten. Er schmeckt unterschiedlich, aber am Ende kriegt sie ihn oder er rettet die Welt (oder so).


    Sprache ist unser Handwerkszeug, aber das Vokabular ist nur eines der Elemente. Ich mag Thomas Pynchon ganz gerne; "Gravity's Rainbow" gehört m.E. zu den größten Büchern des vergangenen Jahrhunderts. Aber es ist gerade Pynchons Wortschatz, der seinen Werke eine Form von Sperrigkeit verleiht, die natürlich beabsichtigt ist. Seine Wortwahl verfügt über einen großen Kontext, ohne den die Bücher einen Gutteil ihrer Botschaft verlieren (würden), andersherum sind sie ohne Kenntnisnahme dieses Kontextes kaum verstehbar. Aber Pynchon ist ein Sonderfall.


    Zurück zum Kochen. Wir sollten nicht versuchen, Spezialitätenrestaurants für sämtliche Geschmacksrichtungen zu eröffnen. Eine der Hauptaufgaben des Werdungsprozesses von Schriftstellern ist diejenige, eigenen Stil zu entwickeln und die eigene, angemessene Sprache zu finden. Der Wortschatz kann auch hinderlich sein. Ein Autor ist von seiner Zielgruppe nicht zu trennen. Die Erkenntnis, daß der eigene Wortschatz ausbaufähig ist, verstehe ich als Bestandteil eines wichtigen Lernprozesses, an dessen Ende jedoch nicht notwendigerweise die Verbesserung des eigenen Outputs steht, stehen muß.

  • Ich stelle bei mir selbst fest, dass ich immer wieder dieselben Wörter benutze. Denselben Satzbau und überhaupt. Es geht mir ehrlich gesagt etwa auf die Nerven, wenn man so schreibt und immer wieder dasselbe Herauskommt.
    Man merkt es glaub ich gerade?
    Ich versuch beim schreiben denn Satz umzudrehen und anders zu Formulieren. Das Funktioniert jedoch nicht immer. Aber ich schreibe jetzt eh erstmal meine jetzige Arbeit fertig und überarbeite sie dann noch einmal deswegen. Auch weil ich am Anfang anders geschrieben habe, als wie jetzt. Das ist mir bewusst!
    Und ich muss aufpassen das mein Mr. Augenklappe nicht zwischen drin plötzlich wieder zwei Augen hat :grin (Ist mir schon passiert, aber gleich behoben!)

  • Tom
    really and truely
    können wir das mal begraben?
    Ich erkläre hiermit öffentlich, daß ich die in Deinem Erstlingsroman benutzte Sprache NICHT einschichtig, einheitlich oder langweilig gefunden habe.
    Noch zähle ich Dich zu den ProduzentInnen rein schematisch aufgebauter und schablonenhaft zusammenhauener Unterhaltungsliteratur.
    Mein Kritikpunkt war der, daß im Handlungsaufbau gegen literarische Gesetzmäßigkeiten verstoßen wurde.
    Das heißt, ich habe Dein Buch eigentlich unter ästhetisch-literarischen Gesichtspunkten gelesen. Ich habe es ERNST genommen.
    Aber wer bin ich schon? Bloß eine Leserin. EINE.
    LESERIN.
    Schon mal an die hunderttausend gedacht, die Dich gar nicht lesen?
    Und ich sage es noch mal: bei Waldfee hat Donny ein ZUHAUSE gefunden.
    Also freu Dich.
    Wenn nicht: go climb a tree!


    Zur Sprache:


    Ein Autor ist von seiner Zielgruppe nicht zu trennen.
    Henne oder Ei?
    Kann man sich Zielgruppen nicht schaffen?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hallo magali,

    Zitat

    verstehe ich Dich richtig, daß Du bei Kafka eine freiwillige Einschränkung siehst mit dem Ziel der Präzision?


    Nein, ich glaube, so eine Behauptung könnte ich mit meinem Gewissen gar nicht vereinbaren ;-). Ob Kafka das "freiwillig" macht, mit Vorbedacht und zu einem bestimmten Zweck - wie soll ich das rausfinden? Ich lese nur seine Texte und habe den Eindruck, dass er Präzision sehr viel über Bildlichkeit herstellt und nicht so sehr über das Semantik. Kafkas Texte haben, wie ich finde, einen überdurchschnittlich ausgeprägten Hang zu Metaphorik.


    Es ist mE schon auch wichtig das nicht aus den Augen zu verlieren, was Tom ganz am Anfang gesagt hat. Ich weiß nun nicht, was Ines für Texte schreibt (Tom schrieb: im historischen Bereich, das lässt noch Interpretationsspielräume zu); solch stark metaphorisierende, allegorisierende Verfahren wie bei Kafka eignen sich wahrscheinlich weniger für jemanden, dem es darauf ankommt ein möglichst realistisches und unmittelbar zugängliches Bild einer bestimmten Epoche zu beschreiben. Die Sprache muss auch in ihren Mitteln natürlich irgendwie dem Zweck angepasst werden.


    Columbo, deinen Kochvergleich finde ich auch ganz gut, würde dem aber in meinem Sinne noch hinzufügen: Der Profi kann dann plötzlich auch wieder nur mit Salz, Pfeffer und Knoblauch (Maggi vielleicht nicht gerade ;-)) eine Raffinesse erzeugen. das wird natürlich dem Gericht eine ganz bestimmte Richtung geben, man wird mehr auf den Eigengeschmack der Zutaten achten als auf das Feuerwerk der 1000 Gewürze. Meine Güte, wir sind ja echt die Metaphernkönige ;-).


    MaryRead , Ja, das finde ich auch extrem schwierig, wenn der Auszug eine gewisse Qualität hat, man also nicht schon nach drei Zeilen merkt: Keine Zeichensetzung, schlechte Formulierungen etc.pp.


    Herzlich, B.


    PS Ich hoffe, ich wiederhole jetzt nicht alles, habe gerade gesehen, dass ungefähr schon wieder 5 Einträge gemacht worden sind...

  • Hallo, Bartlebooth.


    Zitat

    Der Profi kann dann plötzlich auch wieder nur mit Salz, Pfeffer und Knoblauch (Maggi vielleicht nicht gerade) eine Raffinesse erzeugen.


    Das läßt sich fortspinnen. Auch Salz, Pfeffer und Knoblauch müssen angemessen dosiert werden, um keine Überwürzung zu erzeugen, den Eigengeschmack der Speise zu unterstreichen und nicht zu verfälschen. Gerade Schreibanfänger verwechseln überzogene Sprache häufig mit Originalität, ziehen sich nachgerade auf den Sprachgebrauch selbst zurück, weil sie (noch) nicht in der Lage sind, auf die Geschichte selbst zu fokussieren. Vor allem bei ersten Lürikversuchen ist dieser Mißstand immer wieder anzutreffen, aber auch im Prosa-Bereich.

  • Tom
    das freche Grinsen des grünen Smilys habe ich schon zu der Person addiert, die Du in meinem Kopf geworden bist (ohne daß ich Dich je realiter erlebt hätte, nota bene), daß ich es gar nicht mehr als Smily wahrnehme
    ;-)
    Aber ich gebe auch zu, daß ich dringend eine neue Brille brauche.


    Noch mal zurück zur Sprache.
    Ines' Eingangsfrage bestand ja aus mehreren Einzelteilen:


    Die Frage, ob einem Beschränkungen im eigenen Sprachgebrauch auffallen.
    Wie man damit umgeht.
    Dahinter stand die Bedeutung des Einsatzes von Sprache beim Schreiben.


    Du sagst, das Erzählen entscheidet. Aber das geschieht doch mit dem Mittel Sprache. Je genauer man sich ausdrückt, desto klarer wird, was man sagen will. Desto besser ist das Erzählte.
    Das halte ich gerade für die Crux bei AnfängerInnen resp. Amateuren. Die sprachlichen Mittel werden nicht richtig eingesetzt. Da purzeln Grammatik, Semantik, ganze Sätze durcheinander. Es gibt oft genug zwerchfellerschütternde Formulierungen. Vom Heulen gar nicht zu reden.
    Daran leidet auch die Geschichte.


    Und das mit der Zielgruppe ist auch nicht geklärt.


    Angesprochen wurde auch nicht die Frage der Produktionsbedingungen. Wenn man 500 Seiten in sechs Monaten runterkloppen muß, kann man sich dann noch auf 'Sprache' konzentrieren oder ist es nicht einfach der natürliche Lauf der Dinge, daß eben Ausdruck, Stil, Präzision auf der Strecke bleiben udn die Geschichten schablonenhaft werden müssen

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hallo, Magali.


    Zitat

    Du sagst, das Erzählen entscheidet. Aber das geschieht doch mit dem Mittel Sprache. Je genauer man sich ausdrückt, desto klarer wird, was man sagen will. Desto besser ist das Erzählte.


    Fraglos. Aber das Vokabular, der Wortschatz ist nur ein Element des Mittels Sprache. Kunstvolles und/oder fesselndes erzählen bedarf m.E. nicht notwendigerweise eines umfangreichen Wortschatzes.


    "Je genauer man sich ausdrückt" - das klingt so einfach. Erzählen, das bedeutet, das Kino aus dem eigenen Kopf in andere Köpfe zu transportieren. "Genauigkeit" hat in diesem Zusammenhang eine stark emotionale Komponente. Und etwas präzise zu beschreiben, das kann auch bedeuten, zu langweilen und mißverständlich zu werden. Häufig besteht die Kunst in der Auslassung, der genauen Bemessung des Freiraumes, den der Leser braucht, um seine Fantasie in der Geschichte ausleben zu können.


    Zitat

    Das halte ich gerade für die Crux bei AnfängerInnen resp. Amateuren. Die sprachlichen Mittel werden nicht richtig eingesetzt. Da purzeln Grammatik, Semantik, ganze Sätze durcheinander. Es gibt oft genug zwerchfellerschütternde Formulierungen. Vom Heulen gar nicht zu reden.


    Absolut. Ich würde das (noch) "fehlendes Sprachgefühl" nennen. Der angehende Koch greift willkürlich in die Regale und ballert den Krempel in die Töpfe. "Machen wir's schön scharf." Präzision und Angemessenheit fehlen, das Gefühl für Sprach-/Erzählmelodie usw.


    Zitat

    Und das mit der Zielgruppe ist auch nicht geklärt.


    Damit meine ich, daß Geschwindigkeit, Robustheit, Alltagsnähe usw. der eingesetzten Sprache einer bewußten Entscheidung folgen, nämlich derjenigen, welche Leser man zu erreichen gedenkt. Natürlich träumen die meisten Schriftsteller von "allen Lesern". Aber das ist Selbstbetrug. Der Schönheit von schriftstellerischen Werken wohnt das gleiche Problem inne, das Ästhetik generell hat. Sie ist subjektiv, Schwankungen unterworfen und an einen Kontext gebunden.

  • je genauer man sich ausdrückt


    im Sinn von: bei den Leserinnen erreichen, was man erreichen möchte.
    Ich habe den Ausdruck 'Präzision' einem posting von Ines weiter oben übernommen.


    Präzision im Sinne von detailgetreuer Beschreibung ist da nicht unbedingt gemeint.
    Das Problem liegt sicher in dem 'Kino aus dem eigenen in den anderen Kopf' bringen. Ein Wort ist ja nicht bloß ein Wort, sondern ein sehr vielschichtiger Gegenstand.
    Und es geht ja nicht darum, möglichst viele Wörter anzubringen, bloß weil man sie kennt.
    Sondern eben darum, aus einer Vielzahl auswählen zu können. Zu entscheiden, welches Wort man für das passende hält, an einer bestimmten Stelle, in einem bestimmten Kontext.
    Um Ines' Beispiel des 'schlafen gehen' oder 'sich zur Ruhe begeben' aufzunehmen:
    Der Einsatz dieser Ausdrücke hängt ab von Textsorte, Zielgruppe, Register der verwendeten Sprache. Es hängt von der Stelle ab, an der ich es benutze. Handelt es sich um eine beiläufige Beschreibung, eine zentarle oder eine 'Nebenbei'-Bemerkung einer Protagonistin oder bloß einer Nebenfigur? Brauche ich einen besonderen dramatischen Effekt?
    Will ich einen besonderen Klang hervorrufen? Brauche ich das Wort 'Ruhe' an der Stelle, als eine Art harmonisch-musikalisches Motiv? All so was.
    Wenn man so etwas beachtet, kann ein großes Vokabular, aus dem man auswählt, eine Geschichte doch besser machen, weil man das 'treffende' Wort finden kann.
    Auch mißmutig ist so ein Wort.
    In vielen zeitgenössischen Romanen finde ich immer bloß 'ärgerlich' oder gleich wütend. Wenn sie noch einfacher geschrieben sind, sind alle auftretenden Personen 'genervt'.
    Als gäbe es sonst keine Gefühlslagen.
    Das 'nervt' dann mich :lache


    Genauer: es irritiert mich, reizt mich, provoziert mich, ärgert mich, frustriert mich, entäuscht mich, macht mich mißmutig, verdrießlich, unmutig, ärgerlich, zornig, wütend.
    Und so weiter.
    Das waren jetzt keine Synonyme (für alle mitlesenden AmateurInnen! ;-) )


    Zur Frage der Zielgruppe:


    das sehe ich grundsätzlich genauso. Lege aber besonderen Wert auf den bewußten Einsatz von Sprache.
    Also kein schlampiges Abspulen, 'weil die Leserinnen das so wollen'
    Extrem, wie ich bin, verlange ich selbst in Schnulzen die geltenden Regeln der Grammatik ;-)


    Insgesamt, das füge ich an, empfinde ich immer wieder aufs Neue Staunen darüber, welche Vielfalt an Wörten es tatsächlich gibt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Je genauer man sich ausdrückt, desto klarer wird, was man sagen will. Desto besser ist das Erzählte.


    magali, ich glaube, du hast zuviel Carnap gelesen ;-). So linear ist erstens Sprache nicht, dass man sagen könnte, man könne sie immer besser lernen, so dass sie immer transparenter würde. Jedes einzelne Wort wirkt doch auch auf unterschiedliche Rezipienten unterschiedlich, da stimme ich Tom zu. Außerdem gilt nicht: je größer der (verwendete) Wortschatz, desto klarer die Sprache.
    Und das Erzählte kann auch von seinen Unschärfen leben, da muss nicht immer jedes Wort wie ein Skalpell zum Einsatz kommen. "Angemessenheit" finde ich so ad hoc den angemesseneren Begriff als "Genauigkeit".

  • Bartlebooth


    es hängt wohl am Begriff Präzision.
    Ich habe übrigens nicht gesagt, daß Sprache damit linear wird, ist, als lineares Medium verwendet werden kann.
    Es geht um das bewußte Arbeiten, den bewußten Einsatz eines Vokabulars.


    Unschärfe ist ein Mittel, um etwas zum Ausdruck zu bringen. Das 'Etwas' können zehn verschiedene Dinge sein. Aber es stand Absicht dahinter.
    Es geht nicht um DEN Stil an sich. Sondern um die Frage, wie man Wörter einsetzt.
    Ich sprach von der Auswahlmöglichkeit.
    Nicht von einer Wortflut.


    Und ich verweise noch einmal auf die Eingangsfragen. (oben ;-) )

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Es geht nicht um DEN Stil an sich. Sondern um die Frage, wie man Wörter einsetzt. Ich sprach von der Auswahlmöglichkeit.


    Ich habe gerade ein sehr spannendes Buch gelesen, aus einer Kategorie, in der ich mich sonst überhaupt nicht bewege: "Der Mann, der alles ißt" von Jeffrey Steingarten. Am Anfang dieses Buches - Steingarten ist ein hochangesehener Gastro-Kritiker - erzählt er davon, wie er den Job angeboten bekommen hat. Er war sich bewußt, daß es Speisen gab, die er persönlich ablehnte. Ich weiß nicht mehr, welche das waren (Austern waren dabei). Dann hat er ein Programm konstruiert, um diese Aversionen (Geschmack ist angelernt) abzubauen. Zunächst hat er sich die besten Restaurants gesucht, in denen die fraglichen Speisen angeboten wurden. Und dann hat er sich von kleinen Portiönchen zu immer größeren gesteigert, wobei er systematisch die - ich glaube, es waren acht - Liste abgearbeitet hat.
    Nach dieser Prozedur fuhr er nach Paris, in ein Restaurant mit sehr, sehr großer Auswahl. Er saß ewig vor der Karte, weil es nichts mehr gab, das er kategorisch ablehnte, und auch nichts mehr, das er heftig bevorzugte. Es dauert anschließend eine Weile, wieder eine Geschmacksrichtung zu entwickeln.


    Was ich damit sagen will? Nun, die Auswahl kann auch blenden und den Blick für das wesentliche nehmen, auch wenn dieses wesentliche nur ganz subjektiv wesentlich ist. Ich weiß, daß ich nur einen Bruchteil des verfügbaren Wortschatzes nutze, obwohl ich mich für durchaus wortgewandt halte. Aber ich sehe das Problem nicht. Eine größere Auswahl macht aus mir noch keinen besseren Autor. Ich muß wissen, was aus der Auswahl gut (angemessen) ist, das ist viel wichtiger. Den Rest erledigen Dornseiff und Konsorten. :-)

  • Zitat

    Original von magali
    Wenn man 500 Seiten in sechs Monaten runterkloppen muß, kann man sich dann noch auf 'Sprache' konzentrieren oder ist es nicht einfach der natürliche Lauf der Dinge, daß eben Ausdruck, Stil, Präzision auf der Strecke bleiben udn die Geschichten schablonenhaft werden müssen


    Du willst aber damit doch nicht sagen, daß die Geschwindigkeit in der ein Roman entsteht Einfluß auf dessen Qualität hat?


    Gruss,


    Doc

  • Tom


    Auswahl kann blenden?


    Aber man braucht doch Auswahlmöglichkeiten.
    Du beschreibst Dich selber als 'wortgewandt'.
    Das heißt doch, daß Du über eine bestimmte Zahl von Wörten (incl. Kombinationsmöglichkeiten) verfügst, beim Schreiben aber nur eine bestimmte Anzahl davon verwendest.
    Etwas anderes will ich doch gar nicht.
    Ja, die Gefahr besteht, daß man den falschen Ausdruck wählt.
    Die besteht aber doch bei der Beschränkung aus Unwissen auch. Mehr noch, Unwissen bedingt regelrecht falsche Ausdrucksweise.


    Ich fidne es wichtig für alle, die mit Sprache zu tun haben, soviele Variationsmöglichkeiten wie möglich zu kennen.
    Reden wir jetzt aneinander vorbei?


    @doc
    Doch, ich bin entschieden der Ansicht, daß der Zeitfaktor beim Abfassen eine Rolle spielt.
    Es ist aber ein heikler Punkt, man darf weder zuviel noch zuwenig Zeit darauf verwenden.
    Es gibt Ausnahmen 'Würfe'.
    Aber die wirklich komplexen Systeme, also das, was man unter Literatur versteht, hatten eine gründliche Reifezeit, Überarbeitungen miteingeschlossen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Mmh.


    Ich muß - ganz ehrlich - zugeben, daß ich mir beim Schreiben vergleichsweise wenige Gedanken über die Wortwahl mache. Das heißt nicht, daß ich es nicht tue, aber es ist ein untergeordneter Prozeß. Ines' Beispiel ("Ins Bett gehen" - "Zur Ruhe begeben") kommt mir insofern nicht nahe (was nicht heißt, daß ich es nicht verstehe), weil ich die Entscheidung auf diese Art (also mit allen Implikationen und Bedeutungsauslegungen) nicht treffe. Es geschieht intuitiv(er). Innerhalb des Schöpfungsprozesses. Deshalb hat die Wortauswahl auch nur geringen Einfluß auf meine Schreibgeschwindigkeit (den Haupteinfluß hat die Entwicklung der Geschichte).


    Wie auch immer, wir sind in dieser Nebendiskussion m.E. jetzt an einem Punkt, an dem wir über nichts mehr reden. Oder? Fraglos - dem stimme ich zu - ist es wichtig, einen vergleichsweise umfangreichen Wortschatz zur Verfügung zu haben, um aus ihm schöpfen zu können. Aber erstens sollte das nicht zum Dogma werden, zum Zwang, ständig zu permutieren - und zweitens sollte man sich der Tatsache bewußt sein, daß es quasi keine Obergrenze gibt, man also mit dem Wunsch, die Breite der Vokabelfläche zu maximieren, scheitern muß.

  • Zitat

    Original von magali
    Doch, ich bin entschieden der Ansicht, daß der Zeitfaktor beim Abfassen eine Rolle spielt.
    Es ist aber ein heikler Punkt, man darf weder zuviel noch zuwenig Zeit darauf verwenden.
    Es gibt Ausnahmen 'Würfe'.
    Aber die wirklich komplexen Systeme, also das, was man unter Literatur versteht, hatten eine gründliche Reifezeit, Überarbeitungen miteingeschlossen.


    Qualität (mal unabhängig von einer näheren Definition des Begriffs) kann man doch nicht von der Zeit abhängig machen, die es gebraucht hat einen Text zu verfassen. Wie sollte denn eine Textqualität/Zeitfaktor-Tabelle aussehen?
    Sowas hängt doch von dermaßen vielen Variablen ab (Kreativität, handwerkliches Können, technische Hilfsmittel, etc.), daß mir Deine Einschätzung nicht so recht einleuchten will.


    Gruss,


    Doc