Grenzen der eigenen Sprache

  • Zitat

    Das zweite Zitat war der Eingangssatz auf meine Antwort zu deiner Frage, die den Abschluß meines Zitats aus deinem vorherigen Posting bildete [...] Er hat also mit dem von dir zuerst zitierten direkt nichts zu tun.


    Ich weiß, Iris. Das habe ich oben selbst geschrieben:

    Zitat

    Dieser Widerspruch transferiert die beiden zitierten Wörter aus meinem Ursprungsposting aber in einen ganz anderen Kontext.


    Meine Frage war deshalb: Welchen Sinn haben die Anführungszeichen? Du zitierst mich, verschiebst aber den Kontext, so dass für mich der Sinn des Zitats nicht mehr ersichtlich ist.


    Zitat

    Klingt als kenntest du nur zwei Schalterstellungen: Ein und Aus, Null oder Eins, Weiß oder Schwarz [...] Spaß beiseite


    Sehr witzig :P. Wenn ich nach dem Verhältnis frage, will ich nicht unbedingt nur hören, "a stimmt" oder "b stimmt".


    Dann erklärst du ausführlich, wie Autor/innen deiner Auffassung nach zu ihrem Stil kommen und ihn verinnerlichen. Das gipfelt in der Feststellung (Achtung Paraphrase!), dass beim Schreiben die Wortwahl eher unbewusst, beim Überarbeiten aber eher bewusst abläuft. Da ist also das graduelle Bewusstsein.


    Insofern ist meine Eingangsfrage an dich:

    Zitat

    Ist es so wichtig, dass diese Dinge bewusst geschehen (...)?


    beantwortet. Mit nein (ein gut trainierter Autor kann auch mit seiner geprimeten Schriftsprache tolle Texte schreiben) und ja (die geprimete Sprache sollte im Überarbeitungsprozess immer noch einmal auf Herz und Nieren geprüft werden, in Bezug auf ihre Geeignetheit für einen bestimmten Zweck).


    Ist Ines' Frage damit auch beantwortet? Das muss ich zum Glück nicht mehr beantworten ;-). Aber irgendwie kommt es mir so vor als seien wir wieder bei den mehr oder weniger spontanen Antworten der ersten Seite (zB Dornseiff zum Überarbeiten).


    Grüße, B.

  • Zitat

    Original von Bartlebooth
    Dann erklärst du ausführlich, wie Autor/innen deiner Auffassung nach zu ihrem Stil kommen und ihn verinnerlichen. Das gipfelt in der Feststellung (Achtung Paraphrase!), dass beim Schreiben die Wortwahl eher unbewusst, beim Überarbeiten aber eher bewusst abläuft. Da ist also das graduelle Bewusstsein.


    Ich schrieb, das Bewußtsein sei immer graduell dabei -- aber die Grade sind unterschiedlich. Es gibt kein Schwarz und kein Weiß -- aber unendlich viele Grautöne.


    Zitat

    Insofern ist meine Eingangsfrage an dich:


    beantwortet. Mit nein (ein gut trainierter Autor kann auch mit seiner geprimeten Schriftsprache tolle Texte schreiben) und ja (die geprimete Sprache sollte im Überarbeitungsprozess immer noch einmal auf Herz und Nieren geprüft werden, in Bezug auf ihre Geeignetheit für einen bestimmten Zweck).


    Wobei der gut trainierte Autor schon beim Training sehr bewußt arbeiten sollte, damit er "seine" Sprache überhaupt finden kann. ;-)


    Das ist ein entscheidender Grund für mich, niemals vom Schreiben leben müssen zu wollen, denn das würde mich (aller Erfahrung nach) darauf festlegen, Texte abzufassen, die sehr grundsätzlich einen bestimmten Stil und eine bestimmte Erzählweise fordern, der mit meinen Zielen geradezu inkompatibel ist. Ich bezweifle, daß ich dieser ständigen Prägung entkommen könnte.
    Wohlgemerkt: Ich spreche von mir! Andere Autoren kriegen das offenbar durchaus hin.


    Zitat

    Aber irgendwie kommt es mir so vor als seien wir wieder bei den mehr oder weniger spontanen Antworten der ersten Seite (zB Dornseiff zum Überarbeiten).


    Sind wir das wirklich? :wow


    Ich halte das Lesen von möglichst vielen hochwertigen Texten für die allerbeste Schule -- und zudem für eine lebenslange. Das Lesen, gefolgt vom Üben. Allerdings sind Dogmatismen à la James Frey und Sol Stein m.A.n. mehr irreführend als hilfreich. Ein Vollprofi, der einen Mainstream-Roman als Auftragsarbeit ableistet, mag dort den einen oder anderen brauchbaren Tip finden; ein interessierter Amateur mit Ambitionen wird von solch starren Schematismen nur ins Bockshorn gejagt.
    Auch Lexika und Wörterbücher können in sprachlicher bestenfalls sekundäre Hilfsmittel sein -- ich benutze sie so gut wie nicht. Ich hab (abgesehen vom Duden 1 und 4) gerade mal ein etymologisches WB, um zu überprüfen, ob ein Begriff für die von mir beschriebene Epoche als anachronistisch zu gelten hat oder nicht. Den Rest hole ich mir aus dem unendlichen Schatz der Literatur aus aller Welt.


    Ergo: 1. Lesen, 2. Schreiben -- ach ja: und wie Jenny Erpenbeck mal sagte:
    »Die Hauptarbeit beim Schreiben ist ja das Denken. Und ich denke erst, wenn ich am Schreibtisch sitze, mache mir vorher keinen Plan. Was dazu führt, daß ich oft tagelang zu Hause sitze und nur nachdenke, ohne ein Wort zu schreiben [...].«

  • Zitat

    Original von Iris
    Ergo: 1. Lesen, 2. Schreiben -- ach ja: und wie Jenny Erpenbeck mal sagte:
    »Die Hauptarbeit beim Schreiben ist ja das Denken. Und ich denke erst, wenn ich am Schreibtisch sitze, mache mir vorher keinen Plan. Was dazu führt, daß ich oft tagelang zu Hause sitze und nur nachdenke, ohne ein Wort zu schreiben [...].«


    Ich unterbreche Euren fast schon philosophischen Diskurs (Hi Iris, Hi Bb) ja nur ungern, da sich das wirklich sehr spannend liest, aber zu oben zitierter Passage habe ich eine Anmerkung.
    Bei mir ist es eigentlich umgekehrt zu obiger Aussage. Ich setze mich oft mit relativ wenig Gedanken erstmal nur hin, um irgendetwas zu schreiben. Und dieses "irgendetwas" ist tatsächlich wörtlich zu nehmen. Erst nach ein paar Sätzen lichtet sich dann der Nebel und ich merke langsam, wo ich damit wirklich hin will. Dann kann es natürlich auch passieren, daß die ersten Sätze wieder gestrichen werden, aber bei mir kommt sehr oft erst mit dem tatsächlichen Schreiben auch ein Gedankenprozess, ein Auseinandersetzen mit dem was da aus mir raus will in Gang. Das ist zwar nicht immer so, aber erstaunlich oft. Vorallem bei Kurzgeschichten fällt mir das auf.


    Gruss,


    Doc

  • Doc, bei Kurzgeschichten und Gedichten dürfte das sehr häufig vorkommen. Da geht es auch mir so, daß die ersten Zeilen wie von selbst fließen und die eigentliche Arbeit erst beginnt, wenn ich erkenne, wo das Ganze hinführt. Inzwischen kann ich von da an sogar bewußt steuern, den bereits geschriebenen Text an das gewünschte Ergebnis anpassen und in Überarbeitungen den vollständigen Text schleifen und feilen.


    Diese Vorgehensweise ist bei langen Texten allerdings nicht empfehlenswert, da man nach einer Weile verzettelt. Zumindest einen groben Plan der wichtigsten Handlungen sollte man haben, man sollte wissen, was man erzählen will, was man transportieren will und sich anhand dessen möglichst früh für seine Sprache entscheiden. Das kann auch während des Schaffensprozesses geschehen -- aber je weiter man vorangeschritten ist, desto mehr muß man dann rückwirkend überarbeiten.


    Allerdings vermute ich, daß jahrzehntelange Erfahrung auch hier die Dinge beschleunigt. :-)
    Und die fehlt mir auch noch.