Anna Burns - Milchmann

  • ASIN/ISBN: 3608504680


    Gebundene Ausgabe: 452 Seiten

    Verlag: Tropen; Auflage: 1. (22. Februar 2020)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3608504680

    ISBN-13: 978-3608504682

    Inhaltsangabe:

    Eine junge Frau zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines mächtigen und erschreckend älteren Mannes auf sich, Milchmann. Es ist das Letzte, was sie will. Hier, in dieser namenlosen Stadt, erweckt man besser niemandes Interesse. Und so versucht sie, alle in ihrem Umfeld über ihre Begegnungen mit dem Mann im Unklaren zu lassen. Doch Milchmann ist hartnäckig. Und als der Mann ihrer älteren Schwester herausfindet, in welcher Klemme sie steckt, fangen die Leute an zu reden. Plötzlich gilt sie als "interessant" – etwas, das sie immer vermeiden wollte. Hier ist es gefährlich, interessant zu sein. Doch was kann sie noch tun, nun, da das Gerücht einmal in der Welt ist?

    Autoreninfo:

    Anna Burns, geboren in Belfast, Nordirland, ist Autorin mehrerer Romane. 2018 erhielt sie für "Milchmann" den Man Booker Prize. Das Buch wurde zu einer internationalen Sensation und mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Orwell Prize und dem National Book Critics Circle Award. "Milchmann" erscheint in 23 Ländern. Es ist der erste Roman von Anna Burns, der auf Deutsch veröffentlicht wird. Anna Burns lebt in East Sussex, England.

    Meine Meinung:

    Titel: Die große Qual...


    Eigentlich hatte ich bereits vorher die Vermutung, dass ich Schwierigkeiten mit diesem Buch haben würde, aber trotzdem war ich aufgrund des Hypes neugierig und begann mit der Lektüre.

    In der Geschichte geht es um Mittelschwester und ihre Familie, die mitten im Nordirlandkonflikt leben. Sie müssen stets auf der Hut sein, um nicht für Denunzianten gehalten zu werden. Zudem leben sie unter strengen Regeln der Kirche. Doch dann gerät Mittelschwester ins Visier des Milchmannes und nichts ist mehr wie es war. Wie kann sie sich davon nur befreien?


    Zunächst einmal fand ich die Erzählweise und das Nicht-Nennen-von-Namen recht interessant, aber nach den ersten hundert Seiten wurde ich dem Ganzen immer mehr überdrüssig. Ich verlor immer mehr den Überblick über die Figuren, die sehr zahlreich sind.


    Mittelschwester fungiert hier als Ich- Erzählerin und lässt uns in wirren, wild durcheinander gewürfelten Szenen an ihrem Leben teilhaben. Dies macht das Lesen immens anstrengend, da sich kein roter Faden durch die Handlung zieht. Man springt mit ihren Gedanken, kann mal mehr, mal weniger folgen. Normalerweise kann ich mich bei einem Ich- Erzähler immer schnell in die Person einfühlen, hier gelang mir dies jedoch gar nicht. Ich habe absolut keine Ahnung wer sie ist und was sie wirklich ausmacht. Auf 450 Seiten blieb sie mir einfach fremd.


    Genauso erging es mir auch mit den anderen agierenden Personen. Ich werde sie sehr schnell wieder vergessen haben und ihren Sinn in der Geschichte wohl nie nachvollziehen können.

    Zum Glück hatte ich mich vor der Lektüre etwas informiert, so dass ich wusste wo das Ganze spielt, denn sonst würde man die Handlung eher im nahen Osten oder ähnliches verorten.

    Was der Autorin sehr gut gelungen ist: Drama und Angst zu kommunizieren. Der ganze Roman ist eine einzige Aneinanderreihung von Gewalt, Unterdrückung und Verachtung gegenüber den Menschen, insbesondere Frauen. Sie zeigt sehr deutlich was Tratsch und Klischees für Konsequenzen in einer Gesellschaft haben kann, die nicht offen ist für Andersdenkende ist.

    Der Roman zieht einen emotional runter, was zum einen an der Härte der Situation liegt, in der Mittelschwesters Familie zurechtkommen muss. Andererseits zweifelte ich als Leser ein ums andere Mal an meinem Verstand, weil sich mir einfach nicht alles erschloss, was dargestellt wurd


    Richtig nervig fand ich zudem, dass sich unheimlich viel wiederholt. Gefühlt wäre der Roman nur halb so dick, wenn alle Wiederholungen ausgelassen werden würden.


    Fazit: Etwas überfordert bleibe ich nach der Lektüre mit der Frage zurück: Was sollte das Ganze? Wer sich gern quält, der wird diesem Buch etwas abgewinnen können. Allen anderen rate ich davon ab. Nutzt eure Lesezeit sinn- und freudvoller!


    Bewertung: 4/ 10 Eulenpunkten

  • Annabas Meine Schwester hat das Buch geliebt und es mir deswegen gegeben. Gab ein paar Familienstreitigkeiten deswegen. ;-)


    Ich glaube es gibt nur zwei Richtungen: entweder man liebt oder man hasst es. Muss wahrscheinlich jeder für sich austesten.

  • Die achtzehnjährige Frau zieht die Aufmerksamkeit eines mächtigen und wesentlich älteren Mannes auf sich, dem Milchmann. Sie will diese Aufmerksamkeit nicht und schon gar nicht möchte sie, dass andere Interesse an ihr zeigen. Sie behält das alles für sich. Doch schon bald brodelt in der Namenlosen Stadt die Gerüchteküche. Sie ist ungewollt interessant, genau das, was sie vermeiden wollte, denn es ist gefährlich.

    Das Buch hat ein anziehendes Cover. Ich hatte meine Probleme in die Geschichte hineinzufinden, denn die Personen haben keine Namen, die Stadt, in der sie leben, auch nicht. Alles wird umschrieben, was es schwer macht, dem Verlauf zu folgen. Erzählt wird aus der Sicht der jungen Frau, die keine Aufmerksamkeit haben will. Erzählt wird das Ganze etwas langatmig und wiederholend. Auch das trug dazu bei, dass ich nicht wirklich bei der Stange gehalten wurde. Darüber hinaus gibt es eine düstere und bedrohliche Atmosphäre, die ständig zu spüren ist.

    Ich habe mich gefragt, warum mir die Personen so fremd blieben, und glaube, dass es daran liegt, weil alle namenlos sind. Das baut schon Distanz auf. Aber auch das Verhalten der Personen sorgte nicht dafür, dass ich an irgendjemanden näher rankam.

    Das Buch hat Auszeichnungen erhalten, was mich veranlasst hat, dieses Buch zu lesen. Es geht um den Nord-Irland-Konflikt. Gut, dass ich ein wenig darüber wusste. Doch mich konnte „Milchmann“ nicht packen. Zu mühevoll war für mich das Lesen und zu wenig fesselnd war die Geschichte.

    Dieses Buch war tiefgründig, anspruchsvoll, sprachlich schwierig, daher keine leichte Lektüre. Mich hat es aber nicht gepackt.


    6/10

  • Es war einmal in einer namenlosen Stadt eine namenlose junge Frau, die von ihrem Leben berichtet und den Leser ahnen lässt, dass es sich um Belfast handeln müsste, zu einer Zeit, die von Bürgerkrieg und Unruhen geprägt ist. Die junge Frau scheint zu niemandem eine konkrete Beziehung zu haben, Namen, genaue Ortsangaben oder Gefühle sucht man vergebens.


    Bewusst unkonkret erzählt die Protagonistin von den Personen, mit denen sie Umgang hat. Außer ihrer Mutter, werden alle anderen auf ganz eigene Art und Weise bezeichnet. Es gibt unter anderem Schwager 1, Schwager 2, Kleine Schwestern, Vielleicht-Freund, Tablettenmädchen und natürlich den Milchmann, der eigentlich kein Milchmann ist. Nach ihm ist das Buch benannt, da er eine nicht unwesentliche Rolle in ihrem Leben einnimmt, denn er stalkt sie. Sie selbst scheint das anfangs gar nicht zu begreifen.


    Dies ist kein Buch, das man mal so eben durchliest; es ist sperrig, seltsam faszinierend aber auch sehr langatmig und polarisierend. Man mag es oder man mag es nicht. Gerne hätte ich mehr von dem Leben in Nordirland zur Zeit der Unruhen erfahren, doch die Erzählerin baut unendlich lange Sätze, ihr Gedankenkarussell kreist und kreist, sie springt in der Zeit und kommt immer wieder von eigentlichen Ausgang ihres Themas ab. Durch die unkonkreten Bezeichnungen aller Personen, durch ihr emotionsloses Beobachten ihres Lebens, schafft sie eine große Distanz zwischen sich und dem Leser. Ich war letztlich erleichtert, als ich das Buch beendet habe.


    Es kann daran liegen, dass ich gern konkrete Bezeichnungen mag, dass ich ungern rate, um wen es sich wo und warum handeln könnte und dass ich sehr interessiert an dem Thema Nordirland war, letztlich aber nur vage Andeutungen erhielt und unendlich kreisende Gedanken verfolgen musste. Das Buch mag brillant sein, doch ich bewerte mein Lesevergnügen und das hat sich hier leider nicht eingestellt.


    4 von 10 Eulenpünktchen

  • „Milchmann“ ist in seinem Kern ein feministischer Roman. Es gibt namenlose Figuren wie die achtzehnjährige Protagonistin, nur der nicht minder ominöse „Milchmann“ ist näher charakterisiert, nicht auf gute Weise. Er stalkt(nicht als Einziger) die Protagonistin, wird jedoch nicht an den Pranger gestellt. Vielmehr wird die Schuld der unschuldigen Hauptfigur zugeschoben - slut shaming lässt grüßen (Ich musste während der Lektüre an die Serie „Fleabag“ denken. In der Streaming – Serie wird die Protagonistin vom Mann ihrer Schwester bedrängt, niemand glaubt ihr)!

    Überhaupt bleibt in dieser Erzählung von Anna Burns Vieles ungesagt, es lässt sich jedoch zwischen den Zeilen herauslesen. Die Gewalt und der Terror implizieren, dass der Ort der Handlung Belfast (in Nordirland) ist. In den späten 1970er Jahren waren die sogenannten „Troubles“ das beherrschende Thema der britischen Innenpolitik. Anna Burns beschreibt die bürgerkriegsähnlichen Zustände sehr anschaulich, daher ist das Buch bestimmt kein „Wohlfühlbuch“; dennoch ist es eine gewitzte Erzählung, ein schwarzhumoriger Kommentar, der auf sarkastische Art die bitterernste Bedrohung der damaligen Zeit aufzeigt, die an Skurrilität grenzende Bigotterie. Wie Eugène Ionesco entwirft Burns eine absurde Szenerie, aber wie sagt der Engländer so schön: „Only life can be stranger than fiction.“ Die kafkaeske Grundstimmung des Romans trifft auf wahre Begebenheiten, denn der Nordirlandkonflikt fand in seiner heißen Phase wirklich so statt, wie es die Autorin schildert – auch wenn sie mit Verfremdungseffekten arbeitet. Als Leser muss man jedoch über „Sitzfleisch“ verfügen, denn es gibt keinen wirklichen plot, fast könnte man meinen, der Roman sei sehr handlungsarm, aber es passiert dennoch Vieles, das auch in der heutigen Zeit noch für Probleme sorgt. Daher ist „Milchmann“ mehr als ein (zeit)historischer Roman; er spiegelt durchaus auch das heutige Machtgefälle der Geschlechter wider. „Milchmann“ ist völlig zurecht mit dem Man Booker Prize 2018 ausgezeichnet worden, denn es ist eine formal innovative Geschichte, die aber leider auch Längen aufweist. Daher vergebe ich für Milchmann von Anna Burns vier von insgesamt fünf möglichen Sternen, und ich spreche eine Leseempfehlung aus.

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."

  • Obwohl ich mich gelegentlich mit dem Buch schwer getan habe, bin ich sehr froh, es nicht beiseite gelegt zu haben.

    Es ist in seiner strikten Trennung zwischen Außenwelt, die ja nicht einmal Namen bekommt und dem komplizierten, widersprüchlichen und widerständigen Innenleben der Erzählerin ein ergreifendes, deprimierendes und gelegentlich Mut machendes Buch. Letzteres ist allerdings eher selten.

    Die Erzählerin passt nicht in die Welt, in der sie leben muss und sie zeigt das, indem sie im Gehen ihre geliebten Bücher liest, die sie in eine andere Zeit versetzen.

    Obwohl klar ist, dass die Geschichte in Belfast zur Zeit der heftigsten Unruhen spielt, könnte es durch die konsequente Nicht-Benennung von Orten und Personen überall auf der Welt handeln. Überall dort, wo sich im Namen von Religionen oder sonstigen Überzeugungen Bürgerkriege abspielen, wo ein Menschenleben angesichts der "hehren" Ziele der rivalisierenden Gruppen nicht zählt.


    Es ist auch ein Buch über die Macht und die Ohnmacht von Frauen, über die Heuchelei von Kirche und Staat, über die Hilflosigkeit angesichts Verleumdungen und böswilliger Gerüchte.


    Besonders gefallen mir die Stellen, an denen die Erzählerin mit scharfem Blick und schwarzem Humor ihre Umwelt analysiert und zu höchst eigenwilligen Schlussfolgerungen kommt.


    Allen, die Zeit und Hartnäckigkeit aufbringen, sich auch einmal durch nicht ganz einfache Passagen zu arbeiten, empfehle ich dieses Buch. Es lohnt sich.