Jasmin Schreiber - Marianengraben

  • ASIN/ISBN: 3847900420


    Gebundene Ausgabe: 256 Seiten

    Verlag: Eichborn; Auflage: 2. Aufl. 2020 (28. Februar 2020)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3847900420

    ISBN-13: 978-3847900429

    Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren

    Inhaltsangabe:


    Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt. Erst die Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie beide zu sich selbst zurückbringt - auf die eine oder andere Weise.

    Autoreninfo:

    Jasmin Schreiber, geboren 1988, ist studierte Biologin und arbeitet als Kommunikationsexpertin und Autorin. 2018 gewann sie den Digital Female Leader Award und wurde als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und Sternenkinder-Fotografin. Das Internet macht sie auf Twitter unter @LaVieVagabonde unsicher. Jasmin Schreiber lebt in Frankfurt am Main.

    Meine Meinung:


    Titel: Wenn dich ein Roman wie ein Bus überfährt...


    Eher zufällig bin ich über dieses Buch gestolpert und ich bin froh, dass es diesen Zufall gab, denn ich bin regelrecht überwältigt.


    In der Geschichte geht es um Paula, die ihren Bruder Tim verloren hat und damit so gar nicht umgehen kann. Sie steckt tief in ihrer Depression fest und ein Ausweg scheint nicht in Sicht. Doch dann trifft sie zufällig auf Helmut und vielleicht ist da doch noch etwas Hoffnung...

    Die Hauptakteurin Paula fungiert als Ich- Erzählerin, weshalb man ihre Gedanken und Gefühle sehr intensiv zu spüren bekommt, was ich sehr mochte. Paula ist eine Figur mit Ecken und Kanten, was sie sehr real erscheinen lässt. Ich konnte mich sehr gut in sie hineinversetzen, da ich vor einigen Jahren ebenfalls einen Verlust durchstehen musste und dadurch auch abgerutscht bin. Ihr vieles Weinen empfand ich als tröstlich, denn oft kann man das in den schweren Phasen ja gar nicht. Die Darstellung der Depressionssymptome spiegelten genau das wieder was ich durchlebt habe und es hat mich sehr aufgemuntert und beruhigt, dass man nicht die Einzige ist, der es so geht.

    Helmut als schrulliger alter Herr hat mich ein ums andere Mal schmunzeln lassen. Trotz seiner grimmigen Art muss man ihn einfach gern haben, denn letztendlich steckt auch in ihm ein weicher Kern.


    Richtig magisch fand ich, dass die beiden Hauptfiguren so viel gemeinsam haben und sich deswegen dann so gut verstehen und sich aus diesem Grund gegenseitig Halt geben können.

    Als tierlieber Mensch konnten mich natürlich auch Judy und Lutz direkt für sich einnehmen.


    Der Road- Trip ist amüsant und spannend dargestellt. Auch hier geht eben nicht alles immer glatt.

    Ich mochte, dass die Kapitelüberschriften die Entfernung vom Marianengraben sind, denn erst steckt Paula richtig tief drin und kommt nur langsam aus dem Schlamassel raus.


    Die Schreibe der Autorin hat sich so angenehm lesen lassen, dass ich den Roman regelrecht inhaliert habe. Ehrlich gesagt hätte ich noch ewig weiterlesen können.


    Das Ende war dann eine kleine Überraschung und hat mich sehr glücklich zurückgelassen.


    Fazit: Selten habe ich so ein perfektes Buch gelesen, dessen Lektüre mich so begeistert und mitgenommen hat. Für mich ein Lesehighlight 2020. Must- Read!

    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Tim, der kleine Bruder von Paula, ist tot. Schon zwei Jahre ist der Unfall auf Mallorca her, doch noch immer ist die Doktorandin in ihrer Trauer gefangen. Sie ist depressiv und nimmt die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch – bisher mit mäßigem Erfolg. Auf dem Friedhof trifft die junge Frau zufällig den 83-jährigen Helmut, der dort gerade die Urne seiner Freundin Helga ausgraben möchte, um die Asche woanders hinzubringen. Der Rentner plant eine abenteuerliche Reise und Paula besteht darauf mitkommen zu dürfen…


    „Marianengraben“ ist der Debütroman von Jasmin Schreiber.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus einigen Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Sie sind jeweils mit einer stetig kleiner werdenden Zahl überschrieben – von 11.000, der Tiefe des Marianengrabens, bis 0. Eine originelle Idee. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Paula, wobei die Erzählerin immer wieder direkt den toten Bruder anspricht. Dieser Aufbau gefällt mir sehr gut.


    Auch sprachlich finde ich das Buch gelungen. Der Stil des Romans ist geprägt von vielen Metaphern und sonstigen Bildern, von Wortspielen und von kreativen Formulierungen. Viele Dialoge lassen ihn zudem lebhaft erscheinen. Die Geschichte nimmt erst im dritten Kapitel so richtig Fahrt auf. Dennoch hat mich der Einstieg überzeugt.


    Mit Paula und Helmut stehen zwei ungleiche Protagonisten im Vordergrund, die ich beide sympathisch finde – nicht nur wegen ihrer Ecken und Kanten, sondern gerade deswegen. Beide Charaktere wirken authentisch und sind reizvoll gestaltet.


    Inhaltlich geht es um Verlust und Trauer, die beide Protagonisten betreffen. Bei Paula kommt die Depression hinzu. Diese Themen bringen traurige Komponenten in die Geschichte. Die Gefühle werden eindringlich geschildert, was die Lektüre sehr berührend, aber nicht kitschig macht. Gleichzeitig ist der Roman sehr humorvoll und bittersüß, sodass eine ausgewogene Mischung entsteht.


    Auf rund 250 Seiten kommt keine Langeweile auf. Einige Einfälle sorgen für genügend Abwechslung. Zwar ist die Handlung stellenweise ein wenig skurril, aber nicht in übertriebener Weise.


    Der prägnante, ungewöhnliche Buchtitel greift ein wiederkehrendes Bild auf und passt daher sehr gut zum Roman. Damit harmoniert die ansprechende Gestaltung des Covers perfekt.


    Mein Fazit:

    „Marianengraben“ von Jasmin Schreiber ist ein anrührender, tiefgründiger und unterhaltsamer Roman, der eine ernste Thematik gekonnt mit Humor kombiniert. Eine besonders empfehlenswerte Lektüre.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

  • Trauer um einen geliebten Menschen kann so tief sein wie der Marianengraben. Auch Paula ist sehr deprimiert, weil ihr Bruder Tim bei einem Schwimmunfall gestorben ist und sie gibt sich die Schuld daran. Ihre Gedanken kreisen seit zwei Jahren ständig um das Vorgefallene. Sie kann das Grab von Tim tagsüber einfach nicht besuchen, weil sie niemandem begegnen will, daher versucht sie es auf Anraten ihres Therapeuten nachts. Dabei begegnet sie dem alten schrulligen Helmut, der die Urne seiner Gefährtin aus dem Grab holen will. Durch Helmut fasst Paula wieder Lebenswillen und dann machen sich die beiden auf eine Reise in die Alpen. Die Gespräche mit Helmut verändern Paulas Leben.

    Es ist eine sehr emotionale Geschichte. Sie ist traurig und mutmachend; sie bringt einen zum Weinen, aber auch zum Lachen.

    Die Charaktere sind wirklich liebevoll und glaubhaft gezeichnet. Man kann gut mit Paula und Helmut mitfühlen. Ihre Reise läuft nicht immer glatt. Obwohl die beiden vom Alter her sehr unterschiedlich sind, haben sie auch Gemeinsamkeiten. Die beiden tun einander gut.

    Ich habe diese berührende Geschichte sehr gerne gelesen.


    10/10

  • „Wäre Sehnsucht eine olympische Disziplin, ich hätte uns längst Gold geholt.“ (Seite 150)


    Dieser Satz hat mich beim Lesen einen kurzen Moment innehalten lassen. Denn er fasst ziemlich gut zusammen, worum es in diesem Buch geht: Um die unstillbare Sehnsucht nach einem geliebten Menschen.


    Paula ist sozusagen eine Verlassene. Ihr Bruder, Tim, kam bei einem Badeunfall ums Leben, da war er gerade einmal zehn Jahre alt. Zwei Jahre ist das jetzt her und Paula hat bis heute nicht den Weg zurück in ein lebenswertes Leben gefunden. Trotz Therapie. Und doch ist die Therapie der Auslöser für das, was dann im weiteren Verlauf der Geschichte passiert.


    Paula trifft durch gewisse – im Grunde genommen äußerst komische – Umstände Helmut. Helmut ist ein 83jähriger, wortkarger und unnahbarer Mann, der ebenfalls trauert. Die beiden beschließen, gemeinsam auf eine spezielle Reise zu gehen, ein Roadtrip der besonderen Art, der allerlei bemerkenswert lustige Situationen mit sich bringt, gleichzeitig aber auch zu einer Annäherung der beiden zu einander führt.


    Von der Handlung selbst mag ich nicht allzu viel erzählen, denn das Buch ist nicht allzu lang und rasch gelesen. Doch so viel sei verraten: Die Autorin schafft es, dieses ernste Thema unterhaltend lesbar zu machen. Ich habe mit Paula sehr mitgefühlt, andererseits aber auch an einigen Stellen sehr schmunzeln oder sogar lachen müssen. An der Szene mit der „langsamsten Verfolgungsjagd der Welt“ werde ich mich mit Sicherheit noch einige Zeit amüsieren können…


    Und dennoch: In diesem Buch geht es in erster Linie um Trauer und den Umgang damit, wie gesagt, um die Sehnsucht nach einem geliebten Menschen. Paula führt immer wieder innere Zwiegespräche mit ihrem toten Bruder. Man spürt förmlich die große Liebe zu Tim zwischen den Zeilen und auch den Schmerz, den sie noch immer nicht richtig verarbeitet hat. So, wie sie Tim und die Erlebnisse mit ihm durch ihre Augen beschreibt, kann man den kleinen Bruder einfach nur ins Herz schließen und man ist selber betroffen, dass sein kurzes Leben so ein abruptes Ende nehmen musste. Im Verlauf der Geschichte kann man jedoch den Eindruck gewinnen, dass die Qualität (und mit ihr die Häufigkeit) der Zwiegespräche eine andere wird; Paula distanziert sich nach und nach von den Ereignissen, die passiert sind, und gibt ihrem eigenen Leben wieder mehr Raum. Sie muss ohne Tim weiterleben. Es gilt, seine Lebenswünsche für ihn und in seinem Sinne umzusetzen und nicht das eigene Leben ungelebt vorbeigehen zu lassen.


    Und Helmut? Er hilft Paula auf seine unnachahmliche Weise wieder zurück ins Leben. Er ist ein Kauz, aber ebenfalls ein liebenswerter Zeitgenosse mit dem Herz am rechten Fleck. Sein Leben war eben auch von Aufs und Abs geprägt, auch er hat Schicksalsschläge verarbeiten müssen, über die er nicht reden kann. Seine Art, die Trauer zu verarbeiten, darf Paula doch noch ganz am Ende der Geschichte kennenlernen. Da ist sie aber schon wieder an der Oberfläche ihres Trauermeeres angelangt und kann ihr Leben in Tims Sinne weiterführen – und als Meeresbiologin vielleicht irgendwann einen Tim-Fisch im Marianengraben entdecken.


    Mir hat das Buch rundum gut gefallen. Es ist nachdenklich machend und trotzdem von solch einer Leichtigkeit, dass man einfach nicht mehr aufhören kann zu lesen. Ganz klar: Schon wieder ein Jahreshighlight und eine absolute Leseempfehlung - 10 Eulenpunkte.