Der Ballhausmörder - Susanne Goga

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    Berlin, Sommer 1928. In Bühlers Ballhaus in der Auguststraße, auch »Clärchens Ballhaus« genannt, wird eine Garderobiere ermordet aufgefunden. Clärchen, die Betreiberin, ist schockiert. Zielt der Mord in irgendeiner Weise auf ihr Etablissement? Oder hat der kommunistische Ex-Geliebte der Toten etwas mit der Tat zu tun? Kommissar Leo Wechsler und seine Kollegen ermitteln in einer Welt aus Charleston, Sekt für eine Mark und hemmungslosem Amüsement.


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)

    Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für ›Mord in Babelsberg‹ und dem Silbernen HOMER für ›Nachts am Askanischen Platz‹.


    Allgemeines

    Siebter Band der Reihe um Leo Wechsler

    Erschienen am 21.02. 2020 bei der dtv Verlagsgesellschaft als TB mit 320 Seiten
    Gliederung: Prolog (1922) – 33 Kapitel – Epilog – Nachwort – Danksagung

    Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven

    Handlungsort und -zeit: Berlin, im Sommer 1928


    Inhalt

    Während an einem Samstagabend die Gäste in „Clärchens Ballhaus“ in Berlin tanzen, wird im Hinterhof die Garderobiere Adele Schmidt ermordet. Für Leo Wechsler und seine Kollegen von der Mordkommission ist das ein unerklärlicher Fall, da die junge Frau sehr umgänglich war und keine Feinde hatte. Zunächst vermutet man, dass es eine Eifersuchtstat ihres ehemaligen Freundes sein könnte, jedoch liegt die Trennung schon einige Zeit zurück. Clara Bühler, die Inhaberin des Tanzlokals, weist den Verdacht zurück, es könne sich um eine Tat von Konkurrenten handeln, die dem Ruf ihres Etablissements schaden wollen. Die Ermittlungen treten auf der Stelle, bis Leo erfährt, dass Adele am Tatabend ein Kleid trug, das ihr eine Freundin geschenkt hat – eine Freundin, die nicht auffindbar ist…


    Beurteilung

    „Der Ballhausmörder“ gibt einen sehr guten Einblick in das Leben der Berliner Bevölkerung während der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Viele Menschen leben unter ärmlichen Bedingungen; diejenigen, denen es besser geht, amüsieren sich bei Sekt und Tanzveranstaltungen im Nachtleben.

    In diesem Milieu spielt sich ein Mord ab, für den es kein Motiv zu geben scheint. Das Mordopfer wurde mit Chloroform betäubt, ein Modus Operandi, der auch bei einer Reihe von ungeklärten Sexualstraftaten in Frankfurt und Berlin vorliegt, aber es wurde nicht missbraucht – deshalb scheint es sich um verschiedene Täter zu handeln. Da die Gerichtsmedizin noch in den Kinderschuhen steckt, sind die Ermittler auf möglichst viele Zeugenaussagen angewiesen. Die Ermittlungen gestalten sich dementsprechend schwierig und unspektakulär, sie werden logisch aufgebaut und äußerst realistisch beschrieben. Obwohl die Spannungskurve flach bleibt, ist es sehr fesselnd, zu beobachten, wie Leo Wechsler und seine Kollegen allmählich durch akribische Arbeit aus kleinsten Puzzlestückchen ein Bild zusammensetzen. Die Auflösung ist für den Leser nicht zu früh absehbar, dann jedoch gut nachzuvollziehen.

    Die Romanfiguren sind in ihren Charakteren sehr gründlich und differenziert ausgearbeitet. Ihr Privatleben wird nur am Rande zur Sprache gebracht, was es auch Neueinsteigern in die Reihe erlaubt, der Handlung zu folgen.

    Neben der Krimihandlung wird auch die sich wandelnde Rolle der Frau thematisiert. Schülerinnen sind an einer guten Schulbildung und einer anschließenden soliden Ausbildung, bzw. einem Studium interessiert und verheiratete Frauen finden es nicht länger selbstverständlich, ab der Eheschließung nur noch Hausfrau zu sein. Sie nehmen sich auch das Recht, sich von ihren Partnern zu trennen, wenn diese ihren beruflichen Ambitionen im Weg stehen – hier setzt sich eine Entwicklung aus den Nachkriegsjahren fort.


    Fazit

    Eine sehr atmosphärische Schilderung des Lebens im Berlin der 1920er Jahre mit einem gut konstruierten Kriminalfall, fesselnde Unterhaltung ganz ohne reißerische Elemente!

    10 Punkte

    ASIN/ISBN: 9783423218085

  • Schauplatz Berlin Sommer 1928

    Beim Witwenball in Clärchens Ballhaus wird im Hinterhof die Garderobiere Adele Schmidt tot aufgefunden. Vor ihrem Tod wurde sie mit Chloroform betäubt. Sie war beliebt und ihr Ziel war es, Schauspielerin zu werden. Welches Motiv hatte der Täter? Die ersten Fragen lauten: Wollte ein Konkurrent dem Ballhaus schaden oder steckte der Exfreund von Adele hinter dem Ganzen?


    Leo Wechsler und seine Kollegen rollen den Vorfall akribisch auf. Leider muß Leo auf seinen Freund und Mitarbeiter Robert verzichten, der sich in Liebeskummer ertränkt. Ihre Freundschaft wird in diesem Band auf eine schwere Probe gestellt. Stattdessen kommt Neufeld als neuer Kollege ins Team. Er wird erst skeptisch begutachtet, mit der Zeit stellt er sich aber als sehr zuverlässig und loyal heraus.


    Es gibt im Umfeld etliche Zeugenaussagen und wichtige Details, die ich aber nicht ausführen möchte, sonst müßte ich spoilern. Eine entscheidende Wendung ergab sich, als die Beamten von ähnlich gelagerten Fällen in Frankfurt erfahren. Auch dort gab es zwei Morde bei denen die Opfer vor ihrem Tod mit Chloroform betäubt wurden.


    Ein klassischer Kriminalfall, der am Ende schlüssig und logisch geklärt werden kann. Für den Leser bleibt keine Frage offen.



    Für mich war klar, daß ich bei einem neuen Fall mit Leo Wechsler dabei sein wollte. Die Autorin hat auch in diesem Band authentisch die Atmosphäre und Schauplätze der Tanzpaläste, des Amüsements und den Charme der 20er Jahre beschrieben. Auf der anderen Seite aber auch die Verhältnisse der ärmeren Bevölkerung, die Situation der Frauen in der Gesellschaft und hier stellvertretend sehr positiv die Schulbildung der Mädchen bzw. Leos Tochter Marie. Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der unaufgeregten Arbeitsweise der Ermittler, mal ganz ohne Internet, Handy und moderne Kriminaltechnik. Das entschleunigt selbst beim Lesen. Der Plot war nicht reißerisch, aber der angenehme Schreibstil lädt dazu ein, immer weiter zu lesen und das Buch erst nach der letzten Seite zuzuschlagen.


    Von mir gibt es für diesen neuen Band - mit einem absolut stimmigen Cover - eine klare Leseempfehlung!

  • Leos neuer Fall startet recht mysteriös. In Clärchens Ballhaus wird die Garderobiere ermordet und ein Motiv ist nicht in Sicht. Und auch in seinem Team hakt es, Robert verhält sich mehr als unzuverlässig und stellt so nicht nur seinen Job in Frage, sondern auch die Freundschaft zu Leo.


    Wie von Leo gewohnt werden die Ermittlungen akribisch durchgeführt, mit viel Laufarbeit und kriminalistischen Gespür. Und auch durch den Neuzugang im Team lösen sich nach und nach die Verwicklungen auf und führen den Leser zu einem glaubhaften Ende.


    Die Bücher um Leo Wechsler sind einfach eine Garantie für gute historische Krimikost. Susanne Goga lässt das Berlin der zwanziger Jahre vor den Augen des Lesers erstehen und nimmt uns mit in das damalige Alltagsleben. Die politischen Querelen der Zeit werden spürbar und auch, wenn wir uns erst im Jahr 1928 befinden, spürt man, wie sich die Fronten immer weiter verhärten.


    Ich hoffe sehr, dass diese Reihe weiter bestehen wird und wir Leo und seine Familie weiter begleiten dürfen.

    Von mir eine unbedingte Leseempfehlung, nicht nur für dieses Buch, sondern für die gesamte Reihe.


    9 von 10 Punkte

  • Endlich ein neuer Leo Wechsler Fall.

    Darauf hatte ich mich sehr gefreut.

    Denn bei dieser Reihe wurde ich noch von keinem Band enttäuscht und so ist es auch bei "Der Ballhausmörder" gewesen.


    Dieser Fall, ein Mord an einer jungen Frau, spielt in Ballhaus-Milieu. Diese Tanzstätten waren in den 20iger Jahren sehr beliebt und zum Teil gibt es sie ja auch heute noch.

    Lange ist nicht klar, weshalb die Garderobiere ermordet wurde?

    War sie überhaupt gemeint?

    Oder handelte es sich um eine Verwechslung?

    Und wie hängen weitere Überfälle auf Frauen mit diesem Verbrechen in Verbindung?

    Leo und sein Team ermitteln hier in alle Richtungen und man erfährt wieder viel über das Leben in Berlin zu dieser Zeit.

    Auch der aufkommende Nationalsozialismus spielt eine Rolle.

    Zudem ist das Verhältnis zu Leos Mitarbeiter Robert sehr belastet. Dieser wurde von seiner Freundin verlassen und gerät dadurch in eine persönliche Krise......


    Wem eher ruhige Krimis gefallen und wer sich für die 20iger Jahre interessiert liegt mit diesem Buch genau richtig.

    Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.

    9 von 10 Punkten.

  • Während die Gäste in Clärchens Ballhaus tanzen, wird im Hinterhof die Garderobiere Adele Schmidt ermordet. Sie wurde vorher mit Chloroform betäubt. Es wird kein leichter Fall für Leo Wechsler, denn die junge Frau schien allseits beliebt zu sein. Sie war nach Berlin gekommen, um Schauspielerin zu werden. Sie lebte bescheiden, um sich den Schauspielunterricht leisten zu können. Wie aber passt das auffallende Kleid aus dem Modesalon dazu, welches sie bei ihrem Tod trug?

    Dies ist bereits der siebte Band um den Berliner Kommissar Leo Wechsler. Die Berliner Atmosphäre ist gut dargestellt, so dass man sich in die Zwanziger Jahre versetzt fühlt. Es ist eine Zeit, in der die Menschen nach langen Entbehrungen das Vergnügen suchen und doch ist auch die Gefahr zu spüren, die auf Deutschland zukommt.

    Der Schreibstil der Autorin Susanne Goga ist sehr angenehm zu lesen.

    Die Charaktere sind gut und authentisch dargestellt. Leo ist ein sympathischer Kommissar, der nicht mit einer vorgefassten Meinung an seine Fälle geht. Auch seine Kollegen fallen mir gut. Allerdings kann sich Leo dieses Mal nicht auf seinen Freund und Kollegen Robert Walther verlassen, denn der ist vollkommen neben der Spur und macht Leo sogar Vorwürfe. Daher muss sich Leo Verstärkung von der Politischen Abteilung holen. Oskar Neufeld ist fähig und passt gut in das Team.

    Neben der Polizeiarbeit erfahren wir aber auch wieder einiges Private aus Leos Familie. Nachdem Georg beim letzten Mal so in der Zwickmühle steckte, hatte er eine Entscheidung getroffen, doch das nimmt man ihm übel und Georg bekommt das zu spüren.

    Es gibt einige Verdächtige, trotzdem kommen Leo und sein Team nicht so recht von der Stelle. Ausgerechnet bei sich zu Hause bemerkt Leo dann etwas, das die Polizei dann weiterbringt und plötzlich fallen Puzzleteile an die richtige Stelle. Die Auflösung ist schlüssig und das Motiv des Täters erschreckend.

    Dieser Krimi hat mir wieder sehr gut gefallen. Er verbindet ein Stück Zeitgeschichte mit einem spannenden Kriminalfall. Lesenswert!


    10/10

  • Gelungene Synthese von Historie und Kriminalfall


    Buchmeinung zu Susanne Goga – Der Ballhausmörder


    „Der Ballhausmörder“ ist ein Kriminalroman von Susanne Goga, der 2020 bei dtv Verlagsgesellschaft erschienen ist. Dies ist bereits der siebte Roman um den Berliner Kommissar Leo Wechsler.


    Zum Autor:

    Susanne Goga wurde 1967 in Mönchengladbach geboren und lebt immer noch da. Außer wenn sie verreist, gerne nach Berlin, was sich auch in ihren Romanen widerspiegelt. Am liebsten aber reist sie in die Vergangenheit und erzählt ihrem Lesepublikum davon.


    Klappentext:

    Berlin, Sommer 1928. In Bühlers Ballhaus in der Auguststraße, auch »Clärchens Ballhaus« genannt, wird eine Garderobiere ermordet aufgefunden. Clärchen, die Betreiberin, ist schockiert. Zielt der Mord in irgendeiner Weise auf ihr Etablissement? Oder hat der kommunistische Ex-Geliebte der Toten etwas mit der Tat zu tun? Kommissar Leo Wechsler und seine Kollegen ermitteln in einer Welt aus Charleston, Sekt für eine Mark und hemmungslosem Amüsement.


    Meine Meinung:

    Die Fortsetzung der Leo Wechsler Reihe spielt im Berlin der kleinen Leute und erzählt von eher unspektakulären Verbrechen. Die Ermittlungen werden realistisch beschrieben und das Leben zu jener Zeit findet Eingang in die Handlung. Die Figuren sind bis auf Leo Wechsler und Robert Walter nicht sonderlich tief beschrieben, wirken aber trotzdem lebendig. Leo und sein ehemals bester Freund entfernen sich voneinander, weil Roberts Liebe, eine Schauspielerin, ihn für einen Produzenten verlassen hat. Robert trinkt übermäßig und wird in eine kleine Außenstelle versetzt, in der er national gesinnten Kollegen begegnet. In einer zweiten Nebenhandlung hat Roberts Sohn, der aus der Hitlerjugend ausgetreten ist, Ärger mit alten Kameraden. Es sind diese Nebenstränge, die diesen Krimi besonders machen, zumal sie der Spannung nicht schaden. Die Ermittlungen werden trotz einiger Rückschläge fortgeführt und gipfeln in einen passenden Showdown.


    Fazit:

    Ein historischer Krimi aus dem Berlin der Weimarer Republik, der Zeitgeist, historische Fakten und persönliche Beziehungen vereint. Gerne vergebe ich fünf von fünf Sternen (90 von 100 Punkten) und spreche eine klare Leseempfehlung aus.

    :lesend Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit, Agatha Christie - Miss Marple (Kurzgeschichten von 12 erfolgreichen Autorinnen der Jetztzeit mit Miss Marple), Michael Peinkofer - Die steinerne Krone

  • Susanne Goga: Der Ballhausmörder. Ein Fall für Leo Wechsler (Band 7), München 2020, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-21808-5, Softcover, 314 Seiten, Format: 12,4 x 2,7 x 19 cm, Buch: EUR 10,95 (D), EUR 11,30 (A), Kindle: EUR 8,99.


    „Alle Gewissheiten schienen sich aufzulösen. Nichts war so, wie es auf den ersten Blick schien. Diese Erkenntnis tat weh – weniger aus verletzter Eitelkeit, vielmehr, weil (...) sie sich hintergangen fühlte. (...). Kurzum, sie musste das Heft endlich selbst in die Hand nehmen.“ (Seite 242)


    Berlin im Sommer 1928: Kriminaloberkommissar Leo Wechsler kommt nicht zur Ruhe. Kaum läuft es in der Familie wieder einigermaßen rund, knirscht es bei seinen Mitarbeitern auf dem Revier. Kriminalbezirkssekretär Robert Walther hat private Probleme und steht völlig neben sich. Dass er bei einer Mordermittlung unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, ist ein Unding! Das hat Konsequenzen.


    Die Mordinspektion braucht gerade jeden Mann: Beim Witwenball in „Clärchens Ballhaus“ ist die junge Garderobiere Adele Schmidt ermordet worden. Der Veranstaltungsort ist voller Mitarbeiter und Gäste, die alle befragt werden müssen. Kriminalinspektor Oskar Neufeld von der Politischen Polizei springt für den Kollegen Walther ein. Von dieser Personalie ist zunächst niemand begeistert, doch sie soll sich noch als Glücksgriff erweisen.


    Wer hat die Gardrobiere umgebracht?

    Adele Schmidt ist in ihrer Zigarettenpause im Hof angefallen, mit Chloroform betäubt und erstickt worden. Von der Tat selbst hat offenbar niemand etwas mitbekommen. Verdächtigt wird der soeben eingestellte Pianist, von dem selbst Chefin Clara „Clärchen“ Bühler nur den Vornamen kennt: Fred. Er ist spurlos verschwunden. Auch Adeles Exfreund Hans Henkel gerät ins Visier der Ermittler. Sie hatte ihn vor Monaten abserviert, weil sie andere Pläne für ihre Zukunft hatte als einen Maurer zu heiraten. Sie nahm Schauspielunterricht.


    Henkel hatte schon mit der Politischen Polizei zu tun. Kriminalinspektor Neufeld kennt ihn. Henkel ist engagiert, impulsiv und manchmal rabiat. Würde ein so grobschlächtiger Mensch wie er wirklich zu Chloroform greifen, um eine kleine, zierliche Frau wie Adele Schmidt zu überwältigen?



    Noch nie in den 14 Jahren, die ich Leo Wechsler schon „kenne“, habe ich ihn so ratlos erlebt. Nichts passt bei diesem Fall zusammen.


    Die Ballhaus-Chefin verliert die Geduld

    Der Ballhaus-Chefin Clärchen Bühler dauern die polizeilichen Ermittlungen schon zu lange. Für sie ist es ja geschäftsschädigend, wenn ihre Gäste Angst vor einem freilaufenden Mörder haben müssen. Beherzt forscht sie selber nach – und kann tatsächlich eine der vielen offenen Fragen klären. So langsam ergibt sich ein Bild ...


    Der Kriminalfall an sich ist zeitlos. Er liegt nicht in der politischen oder gesellschaftlichen Lage begründet. Aber Susanne Goga lässt ihn im Berlin der Weimarer Republik spielen, im Mikrokosmos eines Kultlokals. Und so tauchen wir ein ins Ambiente des Tanzvergnügens der „goldenen Zwanzigerjahre“, die so golden gar nicht waren, und erleben mit, wie man mit den Mitteln der damaligen Zeit komplexe Kriminalfälle löste.


    Auf den Tatort zugeschnitten

    Mir scheint, dieses Mal war erst der Tatort da, über den die Autorin intensiv recherchiert hat, und alles andere wurde dann klug darum herum konstruiert. Die politische Lage kommt hauptsächlich durch die Nebenfiguren ins Spiel wie zum Beispiel durch den Kommunisten Hans Henkel, durch den neuen Kollegen von der Politischen Polizei und durch den Ärger, den Leo Wechslers Sohn nicht ganz unverschuldet mit ein paar Jungs von der HJ hat. Eine wichtige Rolle spielt auch Leos zweite Frau Clara, die sich für Frauenrechte engagiert und entsprechend vernetzt ist, was hoffentlich auch ihrer aufgeweckten und naturwissenschaftlich interessierten Stieftochter Marie zugute kommt.


    Ein klein wenig ungünstig ist es, dass sowohl die Ballhauschefin als auch Wechslers Ehefrau Clara heißen. Aber so ist das eben, wenn eine seit Jahren eingeführte Romanfigur (Wechsler) auf eine real existierende Person (Bühler) trifft. Die Autorin sorgt aber dafür, dass man immer recht schnell weiß, von welcher Clara gerade die Rede ist.


    Auch wenn DER BALLHAUSMÖRDER Band 7 einer Reihe ist, kann auch ein Quereinsteiger der Handlung folgen. Die Privatangelegenheiten der Polizisten sind nicht übermächtig und dienen hauptsächlich dazu, die Lebensumstände in der damaligen Zeit zu illustrieren und/oder die Handlung voranzutreiben. Aber natürlich kann sich ein Kenner der Leo-Wechsler-Reihe schneller orientieren, wenn ein Personenname oder ein Stichwort fällt.


    Raten wir richtig?

    Ich gebe zu, dass es innerhalb der Reihe spannendere Fälle gibt. Dieser hier ist eher knifflig und man liest weiter, weil man wissen will, wie die vielen Puzzleteile zusammengehören, die Susanne Goga uns liefert. Und weil uns interessiert, ob wir mit unseren Vermutungen richtig liegen ...


    Noch eine Beobachtung am Rande: Die Autorin findet bei ihren Personen- und Ortsbeschreibungen immer genau das richtige Maß. Sie erzählt uns gerade so viel, das wir uns von dem Menschen, der „Location“ und der Stimmung ein Bild machen können, aber nie so viel, dass wir uns langweilen oder vor lauter Äußerlichkeiten den Handlungsfaden verlieren. Diese Kunst der richtigen Dosierung beherrschen längst nicht alle Autor*innen, und deswegen sollte das auch mal erwähnt werden.


    Die Autorin

    Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für ›Mord in Babelsberg‹ und dem Silbernen HOMER für ›Nachts am Askanischen Platz‹.


    ASIN/ISBN: 3423218088

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Berlin 1928: Im Hinterhof von Bühlers Ballhaus wird die Garderobiere tot aufgefunden, wahrscheinlich ermordet. Oberkommissar Leo Wechsler und sein Team haben es nicht leicht, ein Motiv zu finden und den Fall zu lösen.


    Der siebte Band schon, und ich habe noch keine Ermüdungserscheinungen, man ist einfach, sobald man anfängt zu lesen, mittendrin, und ruckzuck ist wieder ein Band gelesen. Auch dieser Fall ist nicht einfach zu lösen, ermöglicht es mir als Leserin aber, mitzuraten, und sogar auf den größten Teil der Auflösung zu kommen, hier war mir allerdings etwas zu schnell klar, wohin der Hase hüpft, ich wurde aber trotzdem weiter gut unterhalten.


    Besonders schön auch hier wieder die Einbeziehung zeitgenössischer Dinge, wie etwa die Lehranstalt für technische Assistentinnen, die Marie Wechsler, Leos Tochter, mit Klassenkameradinnen besucht. Auch Bühlers Ballhaus, auch als Clärchens Ballhaus bekannt, und seine Leiterin Clara Bühler, gab es wirklich, das Ballhaus steht heute noch. Clara Bühler hat im Roman eine nicht unwesentliche Rolle, was mir sehr gut gefällt.


    Leos Team muss sich dieses Mal mit einem neuen Mitglied arrangieren, denn Robert Walther hat private Probleme, die zu seiner Versetzung führen. Das trifft Leo auch persönlich, denn die beiden hatten ein freundschaftliches Verhältnis. Der Neue, Oskar Neufeld, wird zunächst von der Politischen Abteilung ausgeliehen, macht sich aber gut, so dass ich hoffe, dass er dabei bleiben kann. Was mit Robert Walther weiterhin geschieht, bleibt abzuwarten, mir schwant derzeit nichts Gutes, leider finde ich sein Verhalten hier schon sehr unangenehm.


    Leos Privatleben wird dieses Mal nur wenig einbezogen. Wir erfahren ein bisschen darüber, wie es mit Georg, seinem Sohn, weiterging – darauf lässt uns die Autorin recht lange warten. Maries Besuch in o. g. Lehranstalt ist nicht unwichtig für den Roman, Clara, Leos Frau, und Ilse, seine Schwester, haben nur kurze Auftritte.


    Der Fall ist komplex, und bietet einige Twists, die aufmerksame Leser allerdings vorausahnen könnten, so wie ich das tat – dafür ist alles gut nachvollziehbar, und man kann am Ende den Roman zufrieden zuklappen und sich auf den achten Band freuen.


    Auch Band 7 der Reihe ist wieder lesenswert und macht Lust auf den nächsten Band. Ich vergebe gerne eine Leseempfehlung für die gesamte Reihe.