Stacey Halls - Die Verlorenen / The Foundling

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Amazon)

    […] London, 1754. Six years after leaving her illegitimate daughter Clara at London's Foundling Hospital, Bess Bright returns to reclaim the child she has never known. Dreading the worst - that Clara has died in care - the last thing she expects to hear is that her daughter has already been reclaimed - by her. Her life is turned upside down as she tries to find out who has taken her little girl - and why. Less than a mile from Bess' lodgings in the city, in a quiet, gloomy townhouse on the edge of London, a young widow has not left the house in a decade. When her close friend - an ambitious young doctor at the Foundling Hospital - persuades her to hire a nursemaid for her daughter, she is hesitant to welcome someone new into her home and her life. But her past is threatening to catch up with her and tear her carefully constructed world apart. […]


    Autorin (Quelle: Amazon)

    Stacey Halls was born in 1989 and grew up in Rossendale, Lancashire. She studied journalism at the University of Central Lancashire and has written for publications including the Guardian, Stylist, Psychologies, The Independent, The Sun and Fabulous. Her first book The Familiars was the bestselling debut novel of 2019. The Foundling is her second novel.


    Allgemeines

    Erschienen bei Bonnier Zaffre Ltd. am 6. Februar 2020 als großformatiges TB mit 370 Seiten
    Gliederung: Stadtplan „Georgian London 1746“ – Roman in vier Teilen mit insgesamt 21 Kapiteln – Danksagung – Brief der Autorin – „The Foundling Museum – Reading Group Questions

    Alternierende Ich-Erzählung von Bess und Alexandra

    Handlungsort und -zeit: London, 1747 und 1754


    Inhalt

    1747 muss die uneheliche Mutter Bess Bright ihre neugeborene Tochter Clara ins Foundling Hospital bringen, da sie arbeiten muss und das Kind nicht ernähren kann. Das Foundling Hospital nimmt uneheliche Kinder und Waisen auf, zieht sie bis etwa zum siebten Lebensjahr auf und ermöglicht ihnen dann eine Lehre, bzw. eine Anstellung als Hauspersonal. Eltern, deren finanzielle Verhältnisse sich gebessert haben, können ihre Kinder dort gegen Zahlung einer Summe für den Unterhalt der vergangenen Monate/ Jahre abholen, dabei weisen sie sich mit einem Gegenstand aus, den sie bei der Abgabe ihres Babys hinterlegt haben. Als Bess sieben Jahre nach der Geburt ihrer Tochter genug Geld gespart hat, um diese abzuholen, erwartet sie ein Schock: Angeblich sei sie nach nur wenigen Tagen ins Foundling Hospital zurückgekehrt und habe ihre Tochter ausgelöst.

    Es gelingt ihr, herauszufinden, wer ihre Tochter zu sich genommen hat, aber damit fangen die Schwierigkeiten erst an. Die „Adoptivmutter“, die das Kind als ihr eigenes ausgegeben hat, möchte es nicht aufgeben. Clara, die inzwischen den Namen Charlotte trägt, lebt bei einer psychisch instabilen Frau in luxuriösen Verhältnissen , die ihre leibliche Mutter ihr nie bieten könnte, aber kann der Luxus die Wärme einer liebenden Mutter ersetzen?


    Beurteilung

    Der Roman schildert anschaulich und eindrücklich das Leben im London des 18. Jahrhunderts, dabei wird besonders der Kontrast der verschiedenen Gesellschaftsschichten herausgearbeitet. Auf der einen Seite gibt es die große Zahl armer Menschen, die trotz stundenlanger Plackerei kaum das Nötigste zum Leben haben und die mangels Bildung auch keine Chance haben, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. Auf der anderen Seite gibt es die Privilegierten, die in ihren gut geheizten Häusern ein Luxusleben führen. Neben diesen gesellschaftlichen Verhältnissen wird das Thema der Mutterschaft angesprochen, wobei es sich diskutieren lässt, wie wichtig Mutterliebe einerseits und gesicherte finanzielle Verhältnisse andererseits für das Wohlergehen von Kindern von Bedeutung sind.

    Sehr interessant ist die für die geschilderte Epoche überraschend moderne Institution des Foundling Hospitals, das 1739 gegründet wurde und unzähligen Kindern das Leben rettete. Heute ist darin ein Museum untergebracht, das historisch interessierten Besuchern Londons ein Stück Stadtgeschichte vermittelt.

    Die Charaktere der Romanfiguren sind gründlich und weitgehend glaubwürdig ausgearbeitet, lediglich eine der weiblichen Hauptfiguren macht gegen Ende eine Entwicklung durch, die zu abrupt erscheint.


    Fazit

    Ein äußerst fesselnd unterhaltener Roman, der den Leser mit einem realen Teil der Londoner Stadtgeschichte vertraut macht!

    9 Punkte

    ASIN/ISBN: 1838770070

  • Bess arbeitet als Krabbenmädchen und lebt in bescheidenen Verhältnissen zusammen mit ihrem Bruder und ihrem Großvater als sie ungewollt schwanger wird. Sie bringt den Säugling ins Foundling Hospital, wo das Mädchen gut versorgt wird und später eine Ausbildung erhalten wird, damit sie als Hausangestellte arbeiten kann. Bess hinterlegt als Kennzeichen ein halbes Herz aus Walknochen und spart nun 6 Jahre lang eisern, damit sie Clara zurückholen kann.

    Doch dann der Schock : Clara ist nicht mehr im Foundling Hospital, sondern wurde direkt nach ihrer Einlieferung wieder abgeholt - angegeben sind Bess' Daten.

    Bis dahin fand ich die Geschichte sehr fesselnd und auch sehr interessant. Das Foundling Hospital wirkt modern, möchte wirklich helfen. Bess' Leben wird anschaulich geschildert und das nicht so plump und klischeebeladen wie in vielen anderen historischen Romanen (allein schon, dass es weder ein Bordell mit einer fürsorgenden Puffmutter, noch eine Vergewaltigung gibt!)


    Der 2. Teil erzählt von Claras "Adoptivmutter" Alexandra. Hier lebt Clara in Wohlstand und überbehütet. Alexandra lebt extrem zurückgezogen und verlässt das Haus nur sonntags zum Kirchgang. Der einzige Kontakt sind die beiden Hausangestellten und Dr. Mead, der sie hin und wieder besucht. Dieser Teil wurde mit der Zeit zäh, Alexandra fand ich anstrengend und es dauert ewig, bis man den Grund für ihr Verhalten erfährt.


    Auch Showdown und Auflösung haben mich nicht mehr so gefesselt wie der erste Teil, auch wenn ich natürlich wissen wollte, was da nun wirklich passiert ist. Leider hat mich das Ende nicht vollends überzeugt.

  • Stacey Halls: Die Verlorenen. Roman, OT: The Foundling, aus dem Englischen von Sabine Thiele, München 2021, Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, ISBN 978-3 86612-495-0, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 377 Seiten, Format: 12,8 x 3,8 x 21 cm, Buch: EUR 22,00 (D), EUR 22,70 (A), Kindle: EUR 18,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    Aus irgendeinem Grund hatte ich das Buch unter „Fantasy“ abgespeichert. Ist es aber nicht. Es ist ein historischer Roman, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts in London spielt. Mit viel Spannung, Gefühl und Drama ist das genau der Stoff, aus dem man in meiner Jugend einen Weihnachts-Vierteiler fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen gedreht hätte. Die Boomer wissen jetzt Bescheid, ja?


    Bessie muss ihr Kind in Pflege geben


    London 1747: Die junge Elizabeth „Bessie“ Bright lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder Ned in einer ärmlichen Behausung und verkauft Krabben auf dem Markt. Die Aufmerksamkeit des reichen Kaufmanns Daniel Callard schmeichelt ihr – auch wenn sein Interesse wohl hauptsächlich ihrer beachtlichen Oberweite gilt. Die flüchtige Liaison hat Folgen: Bessie wird schwanger und der verheiratete Kaufmann ist über alle Berge.


    Bessie und ihre Familie können unmöglich noch eine vierte Person durchfüttern. Vielleicht würde es funktionieren, wenn nicht ihr nichtsnutziger Bruder alles Geld, das ins Haus kommt, gleich versaufen würde. Aber es ist wie es ist, und so bringt Bessie ihre neugeborene Tochter in das Foundling-Hospital, ein Waisenhaus am Rande der Stadt. Sollte sie ihr Leben so geregelt bekommen, dass sie das Kind selbst großziehen kann, kann sie es wieder abholen. Das ist alles schriftlich fixiert.


    Aus dem Heim verschwunden


    Sechs Jahre später ist es so weit: Bessie hat genügend gespart und will ihre Tochter nach Hause holen. Doch im Heim sagt man ihr, dass das Kind bereits kurz nach seiner Aufnahme wieder abgeholt worden sei – von seiner Mutter. Die hätte alle notwendigen Informationen und Unterlagen gehabt. Bessie ist wie vom Donner gerührt. Sie hat ihr Kind garantiert nicht geholt. Aber wer dann?


    Dr. Elliot Meade, der Arzt, der das Waisenhaus betreut, ist bereit, ihr bei der Suche nach dem Kind zu helfen, auch wenn Freunde und Verwandte das für ein aussichtsloses Unterfangen halten. Doch Bessie hat bereits einen Verdacht.


    Mutter Undercover


    Unter falschem Namen lässt sie sich als Kindermädchen in dem vornehmen Haushalt anstellen, in dem ihre Tochter mutmaßlich lebt. Sie hat sofort einen guten Draht zu der kleinen Charlotte. Das ist kein Wunder, denn zu ihrer „Raubmutter“ Alexandra (40) hat Charlotte ein sehr distanziertes Verhältnis. Die Frau ist zwar klug und wohlhabend, aber psychisch gestört,

    und verlässt das Haus nur, um sonntags in die Kirche zu gehen. Sie betritt nicht einmal ihren eigenen Garten. Und „Tochter“ Charlotte muss ganz genau so leben.


    Normal ist alles, woran man sich gewöhnt hat. Charlotte kennt das Leben da draußen nur aus Büchern und vermisst nichts. Erst als ihr das lebhafte neue Kindermädchen von Gärten, Wäldern, Zoos und Jahrmärkten vorschwärmt und von Freunden, Verwandten und anderen Kindern berichtet, ahnt das Mädchen, was es alles verpasst, und fühlt sich auf einmal in seiner kleinen Welt gefangen.


    Flucht vor der „Raubmutter“


    Wenn Alexandra nur eine Angststörung hätte, könnte man damit noch umgehen. Doch als sie sich einmal erschreckt, rastet sie vollkommen aus und attackiert Charlotte, Bessie und Dr. Meade mit einem Schürhaken. Jetzt ist für Bessie Schluss mit lustig. Hier ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher! Da kann das Kind nicht bleiben! Sie schnappt sich ihre Tochter und läuft mit ihr Hals über Kopf davon.


    Doch wo eine reiche Dame jemanden suchen lässt, da sind die Aasgeier und Verräter nicht weit …


    Faszinierend und spannend


    Es war faszinierend zu sehen, wie die einfachen und die wohlhabenden Menschen damals gelebt haben. Die Unterschiede werden besonders deutlich, weil zentrale Figuren das Milieu wechseln. Das arme „Krabbenmädchen“ Bessie dürfte sich in Alexandras Haushalt wie im Himmel vorgekommen sein – bevor es begriffen hat, dass das auch nur eine komfortabel ausgestattete Hölle ist. Und die kleine Charlotte weiß gar nicht, wie ihr geschieht, als Bessie sie aus ihrem goldenen Käfig zerrt und sie in ihr Elendsviertel bringt.


    Spannend war die Geschichte auch: Wie wird es weitergehen mit dem Mädchen und seinen zwei Müttern? Wer wird gewinnen?


    Hier ist eine kreative Lösung gefragt, wie immer die auch aussehen könnte. Was also werden sie tun?


    Schwer nachvollziehbar, was die Leute tun


    Womit ich meine Probleme hatte: Mit der Motivation der Figuren. Ich hätte Stein und Bein geschworen, dass Dr. Elliot Meade in alles eingeweiht ist


    Um den Doktor so einzuwickeln, wie es hier geschildert wird, hätte Bessie das von Anfang an geplant haben müssen.


    Wie ein Weihnachts-Vierteiler im TV


    Aber gut. Der Roman bietet Zerstreuung, Unterhaltung und ist was fürs Gemüt. Vor Begeisterung ausflippen muss man jedoch nicht. 😊 Es gibt noch weitere historische Romane der Autorin, die auch in diese Richtung gehen. Doch mir ist das – sorry! – ein bisschen zu viel Weihnachts-Vierteiler-Kitsch.


    Die Autorin


    Stacey Halls wurde 1989 geboren und wuchs in Lancashire auf. Sie studierte Journalismus an der University of Central Lancashire und veröffentlichte bereits Artikel bei diversen Publikationen, wie z. B. The Guardian, Stylist, Psychologies, The Independent, The Sun und Fabulous. Ihr erster Roman »The Familiars« erschien 2019 und wurde sofort zum Bestseller.


    ASIN/ISBN: 3866124953

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner