Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen ist mein Beitrag für den Schreibwettbewerb nicht bei unseren Adminas eingegangen. Aus diesem Grund werd ich ihn dann mal hier zum Abschuss freigeben
Die alte Mühle
Meine Schritte wurden immer langsamer. Ich blickte mich um und überlegte, ob dies wirklich der richtige Weg war. Die Bezeichnung „Weg“ war allerdings übertrieben. Ich stand mitten im Wald und war schon lange von den vorgeschriebenen Wegen abgebogen. Die Bäume um mich herum sahen alle gleich aus und auch die Sonne konnte ich nicht als Kompass nutzen. Sie war durch das dichte Blätterwerk kaum zu sehen und wenn ich ehrlich bin, hätte sie mir auch nicht viel genützt, da mein Orientierungssinn unter aller Kanone ist.
Ich musste mich also auf mein Gedächtnis verlassen und streifte mal hier hin, mal dort hin. Während ich nun planlos durch den Wald lief, dachte ich daran, was mich in diese Lage gebracht hatte.
Meine Freundinnen und ich hatten in den letzten Jahren ein „Spiel“ entwickelt. Jede von uns, die dreißig wurde, musste vor diesem - ach so wichtigen - Geburtstag zehn Dinge tun, die von den anderen festgelegt wurden. Sozusagen eine Liste der Dinge, die man vor dem endgültigen Erreichen des Erwachsenseins erlebt haben sollte. Die angenehmste meiner Aufgaben war es, einen jüngeren unbekannten Mann zu küssen. Ich grinste bei der Erinnerung an sein Gesicht, als ich über eine Wurzel stolperte und ins Straucheln geriet.
Mist, dachte ich und war wieder in der Gegenwart, bei der unangenehmsten Aufgabe. Ich sollte mich den „Geistern der Vergangenheit“ stellen. Wobei „Geister“ hier wörtlich zu verstehen war. Wir hatten als Kinder oft in diesem Wald gespielt und der erklärte Lieblingsplatz aller Jungen war die alte Mühle gewesen. Sie hatten uns Mädchen gegenüber immer behauptet, dort würden die Geister der alten Hexen und Zauberer leben, die in der uralten Zeit über diesen Wald geherrscht hatten. Viele meiner Freundinnen hatten nur über diese Behauptungen gelacht, doch ich hatte sie lange für bare Münze genommen und mich nur bis auf Sichtweite an die Mühle heran getraut. Das sollte sich nun ändern, wenn ich die Mühle hoffentlich fand.
Die Bäume standen nun noch dichter zusammen, doch seltsamerweise kam mir die Gegend von Minute zu Minute vertrauter vor. Und tatsächlich stand ich nur ein paar Augenblicke später genau an der Stelle, an der ich als Kind so oft die anderen beim Spielen beobachtet hatte. Die Mühle sah noch genauso aus wie damals. Mit klopfendem Herzen blieb ich an meiner unsichtbaren Grenze stehen und überlegte, wie es sein konnte, dass etwas sich überhaupt nicht verändert hatte, während der Rest der Welt komplett anders geworden war. Konnte es sein, dass die Geister der Zauberer und Hexen tatsächlich einen Bannzauber auf die Mühle gelegt hatten?
„Quatsch“, schalt ich mich selbst und erschrak über die Heftigkeit mit der ich gesprochen hatte. Doch obwohl mir mein Kopf sagte, dass die alten Geschichten eben nur Geschichten waren, ging ich nicht weiter. Wie angewurzelt starrte ich zur Mühle hinüber und dann - irgendwann – machte ich langsam die ersten Schritte auf die Mühle zu, bis ich an der windschiefen Tür ankam. Ein letztes Mal atmete ich tief durch. Dann stieß ich die Tür auf.