'Der Apfelbaum' - Seiten 164 - 245

  • Wir lesen ja alle das Buch, also kann ich mir Inhaltliches sparen.


    Zentral für mich ist in diesem Abschnitt die gestellte Frage/Aussage: Irgendwann muss doch mal Schluss sein!

    Das ist etwas, worüber ich noch weiter nachdenken werde, aber ich würde es ähnlich beantworten wie Berkel. Es muss nicht Schluss sein mit Vergangenheitsaufarbeitung, es kann nicht Schluss damit sein. Das schließt nicht für mich ein, dass wir die Schuld der Eltern und Großeltern auf unseren Schultern immer weiter mit uns tragen sollen.

    Berkel fasst das eigentlich ganz gut zusammen. Es geht ums Erinnern, nicht um das Annehmen von ererbter Schuld. Ich zitiere mal:

    "Erst mit der Erinnerung gewinnt unser Leben ein Gesicht. Ich will nicht wie ein Buch dastehen, aus dem einzelne Kapitel herausgerissen wurden, unverständlich für andere wie für mich selbst.Ich will versuchen, die leeren Seiten zu füllen. Für mich. Für meine Kinder. Für meine Familie." (Berkel, Der Apfelbaum, S.211)

  • Diesen Beitrag schreibe ich gerade zum zweiten Mal, weil ich Berkel zunächst nicht richtig verstanden hatte.

    Er meint ja wohl die Aufarbeitung und die Erinnerung innerhalb der Gesellschaft, unserer Gesellschaft, mit der nicht irgendwann einfach Schluss sein kann.


    Ich glaube auch, dass ohne ein Bewusstsein unserer Geschichte etwas fehlt, die Gesellschaft, in der wir leben ihren Boden, ihre Grundlage verliert.


    Anders ist das in Familien. Da gibt es welche, in denen es einfach keine Erinnerung über die letzte Generation hinaus mehr gibt. Sei es, dass niemand mehr da ist oder die Entfremdung so tief, dass es außer dem Eintrag in Registern keine Gemeinsamkeiten mehr gibt.

    Das ist zwar in vielen Fällen traurig, aber für das Leben des Einzelnen nicht von großer Bedeutung.

  • Das Camp de Gurs hat gerade im Zusammenhang mit Erinnerung und Aufarbeitung eine besondere Geschichte. Sala war ja dort interniert und mit ihr viele andere, Bekannte und Unbekannte.


    Auch Berkel deutet das auf S. 210 kurz an. Das Lager war, vor der deutschen Besatzung ein französisches Internierungslager vor allem für nach dem Sieg Francos geflüchtete Spanier, das dann die deutschen Besatzer für die eigenen Zwecke nutzten. Viele deutsche Juden aus Süddeutschland wurde auf dem Umweg über Gurs nach Auschwitz transportiert.

    Das Lager wurde 1946 endgültig geschlossen und man pflanzte Bäume drauf und hoffte wohl auf Vergessen.

    Erst 1979 begannen junge Menschen aus der Region, an die Geschichte des Lagers zu erinnern, ehemals Internierte einzuladen und in den 80ern wurde eine Gedenkstätte errichtet.

    Nirgends war und ist es leicht, sich an die dunklen Seiten der eigenen Geschichte zu erinnern (ist ja auch im persönlichen Leben eine schwere Übung) - und ist so nötig.

  • Ich gebe dir da uneingeschränkt Recht, Rumpi: Erinnern ist so wichtig!

    Leider oder erschreckenderweise sieht man auch heute noch, dass Verleugnen und ignorieren historischer Tatsachen immer noch an der Tagesordnung sind. Der Mensch, ich nehme ihn hier mal als Art, lernt einfach nicht dazu...


    Erstaunlich finde ich, um wieder auf die familiäre Ebene zu kommen, wie viele Details Berkel herausfindet. Kann die Mutter sich doch noch an so viel erinnern oder nutzt er externe Quellen und füllt die Lücken mit schriftstellerische Freiheit? Das habe ich mich besonders im nächsten Abschnitt gefragt.:gruebel

    Ich fände das nicht schlimm, würde es nur gern wissen.

  • Eine Beobachtung, die ich immer wieder gemacht habe ist, dass es eine oder zwei Generationen braucht, bis dann Menschen, die direkt nichts mehr mit den Taten zu tun haben, sich auf die Suche machen können.


    Erstaunlich finde ich, um wieder auf die familiäre Ebene zu kommen, wie viele Details Berkel herausfindet. Kann die Mutter sich doch noch an so viel erinnern oder nutzt er externe Quellen und füllt die Lücken mit schriftstellerische Freiheit? Das habe ich mich besonders im nächsten Abschnitt gefragt.

    Ich fände das nicht schlimm, würde es nur gern wissen.


    Das ist ein Aspekt, warum ich solche persönlichen Familienerinnerungen schwierig finde. Wenn alles Fiktion ist, mache ich mir viel weniger Gedanken um so etwas.

    Vermutlich ist es aber nicht wichtig, ob jede Einzelheit ganz genau so war. Das ist dann doch die Freiheit, die ein Autor hat bei einem Roman.

  • Das ist ein Aspekt, warum ich solche persönlichen Familienerinnerungen schwierig finde. Wenn alles Fiktion ist, mache ich mir viel weniger Gedanken um so etwas.

    Vermutlich ist es aber nicht wichtig, ob jede Einzelheit ganz genau so war. Das ist dann doch die Freiheit, die ein Autor hat bei einem Roman.

    Durch Zufall habe ich erst letztens so einen autobiografischen Roman über eine Familie ("Die Leben der Elena Silber") gelesen und habe einen weiteren gerade in Arbeit ("Der alte König in seinem Exil"), und gerade reicht es mir. Ich glaube, ich muss jetzt erstmal fiktive Romane lesen. Ich gebe dir Recht, dass man sich oft weniger Gedanken macht, wenn man weiß, dass die Geschichte erfunden ist.

    Ich habe ein Problemchen mit der von dir zugestandenen Freiheit des Autors. Nein, nicht wirklich, aber von Romanen, die als autobiografisch ausgelobt werden, erwarte ich persönlich, dass nichts erfunden ist. Das spielt sich in meinem Kopf ab, aber ist halt so. ich finde, sonst müsste da stehen, dass die Geschichte von der eigenen Familiengeschichte inspiriert ist. Meine Meinung:)

  • !Ich verstehe dich total, vor allem nachdem ich im letzten Jahr "Das achte Leben" gelesen hatte, hatte ich eine ganze Weile genug

    Für mich macht es einen Unterschied, ob es tatsächlich eine Autobiographie ist, oder die Geschichte der Familie, die ein Autor ja nie in den Einzelheiten kennen kann. Auch die offensten Eltern erzählen ihren Kindern nicht alles. ;)

  • Hat das Buch ein Nachwort? Beim Hörbuch wird es ja nicht mit vorgelesen. Mich würde interessieren, ob Christian Berkel dort detailliert darauf eingeht, was fiktiv und was autobiografisch ist.


    Als ich das Hörbuch gehört habe, habe ich versucht ein bisschen etwas darüber herauszufinden, weil ich mich auch ständig gefragt habe, ob eine so detaillierte Erinnerung möglich ist.

    Er hat das ein oder andere mit fiktiven Ereignissen und Personen gefüllt, was er in diversen Interviews auch erläutert hat.

    Für mich ist das deshalb ein Roman mit autobiographischen Zügen.

  • Hat das Buch ein Nachwort? Beim Hörbuch wird es ja nicht mit vorgelesen. Mich würde interessieren, ob Christian Berkel dort detailliert darauf eingeht, was fiktiv und was autobiografisch ist.


    Als ich das Hörbuch gehört habe, habe ich versucht ein bisschen etwas darüber herauszufinden, weil ich mich auch ständig gefragt habe, ob eine so detaillierte Erinnerung möglich ist.

    Er hat das ein oder andere mit fiktiven Ereignissen und Personen gefüllt, was er in diversen Interviews auch erläutert hat.

    Für mich ist das deshalb ein Roman mit autobiographischen Zügen.

    Es gibt kein Nachwort, leider. Ist ja nicht schlimm, wenn Details hinzugeschrieben werden. Ich will es nur gerne wissen.;)

  • Oft können klärende Nachwörter helfen. Es ist für mich interessant zu erfahren, was der Autor erreichen wollte oder Begebenheiten aus dem Buch einzuordnen.

    Was ich nicht mag, ist wenn ein Autor sich damit nur selbst schmeichelt.

  • Ich mache das schon immer so.

    Ich auch :-) Und bis jetzt hat es für mich den Lesegenuss eigentlich immer erhöht, wenn ich die Erläuterungen des Autors aus dem Nachwort bereits im Hinterkopf hatte.


    Ein Buch hatte ich mal, in dem der Autor ausdrücklich davor gewarnt hatte, das Nachwort zuerst zu lesen, weil es zu viel Spoiler enthielt. Da habe ich es dann auch gelassen. ;-)


    LG, Bella

  • Da mich bei dieser Art Bücher am meisten interessierst, warum die Geschichte wie erzählt wird, lese ich die Nachworte immer zuerst und nachher dann nochmal. Hier hätte ich mir eins gewünscht.

    NIE würde ich ein Nachwort vorher lesen. In manchen Büchern gibt es ein Vorwort. Das nehme ich gerne. Aber ich gehe davon aus, dass es Absicht ist, wenn ein Nachwort nach dem Roman kommt. Eben weil durchaus Spoiler drin sein könnten.


    Ich hatte es mal in einer Leserunde bei den Eulen - mir fällt leider gerade nicht ein welche - da habe ich durch andere zwischendrin erfahren, dass ein wichtiges Detail bzw. eine wichtige Person frei erfunden ist (das scheint ja auch hier so zu sein, wie ich von Euren Posts in weiteren Abschnitten schon weiß ;)) und das hat mich so gestört, dass ich das Buch am liebsten abgebrochen hätte, weil ich mir diesen Kunstgriff des Autors nicht erklären konnte und ihn unnötig fand. Und auch, ob Personen leben oder sterben o.ä. will ich vorher nicht wissen.


    Als Reflektion auf das Gelesene finde ich Nachworte aber sehr wichtig. Schade, wenn es hier keines gibt.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ja, ich hätte auch gerne ein Nachwort mit ein paar Erläuterungen gehabt. Gerade bei autobiographischen Romanen interessiert mich einfach, welcher Teil des Buches real ist und welcher nicht.


    Ich lese auch häufig das Nachwort zuerst. Damit bin ich eigentlich noch nie wirklich reingefallen.