Marlon James - Schwarzer Leopard, roter Wolf

  • Marlon James - Schwarzer Leopard, roter Wolf: Dark Star 1

    • Gebundene Ausgabe: 832 Seiten
    • Verlag: Heyne Verlag (21. Oktober 2019)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 3453272226
    • ISBN-13: 978-3453272224
    • ASIN: B07QQD4V5G
    • Originaltitel: Black Leopard, Red Wolf - The Dark Star Trilogy 1


    Klappentext (Verlag):

    Sucher, der Jäger mit dem besonderen Sinn, wird vor seine schwierigste Aufgabe gestellt. Er muss einen Jungen aufspüren, der vor drei Jahren spurlos verschwand. Seine Fährte führt ihn durch Wälder und Städte, zu Gestaltwandlern, Ausgestoßenen und Hexen. Aber kann er den Jungen retten und die Welten wieder in Einklang bringen?

    »Man Booker Prize«-Träger Marlon James legt mit »Schwarzer Leopard, roter Wolf« den Auftakt zu einer Trilogie vor, die afrikanische Geschichte und Mythen zu einem gewaltigen Fantasy-Epos verflicht.


    Über den Autor (Verlag):

    Marlon James, geboren 1970 in Kingston auf Jamaika, gilt als einer der bedeutendsten Literaten seiner Generation. Seine Romane wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen geehrt. Unter anderem erhielt James als erster Jamaikaner den Man Booker Prize. Das »Time Magazine« zählte ihn zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten 2019. James lebt heute in Minneapolis, Minnesota.



    Über den Übersetzer (Verlag):

    Stephan Kleiner, geboren 1975, lebt als literarischer Übersetzer in München. Er übertrug u. a. Geoff Dyer, Michel Houellebecq, Gabriel Tallent und Hanya Yanagihara ins Deutsche.



    Meine Meinung:

    So schwer ich mich mit dem Buch getan habe (und noch tue), so schwer fällt es mir in Worte zu fassen, was mich stört, was mich fasziniert und warum ich das Buch schlussendlich doch abgebrochen habe. Oder doch nicht? Vielleicht lasse ich es liegen und lese irgendwann doch noch weiter? Ich weiß es im Moment nicht. Trotzdem möchte ich gerne meine Leseeindrücke jetzt schon hier aufschreiben.


    Das Buch wird als Fantasy-Roman vermarktet. Aber es ist kein typischer Vertreter dieses Genres. Marlon James entwirft eine Welt, die einerseits so weit weg ist, von dem Afrika, das man zu kennen glaubt und andererseits spielt er mit hochaktuellen Themen, wie dem Umgang mit dem Anderssein und den dazugehörigen Ängsten, dem Ausgestoßensein, der Verfolgung und Ermordung solcher Menschen. Er erzählt von der Beschneidung beider Geschlechter, Albinismus, Homophobie, Hexen, Magie, Gestaltwandlung und immer wieder verknüpft er das alles mit der Sexualität, dem zum Mann oder Frau oder Zwischenmenschen werden und Gewalt gegen alles, was nicht normal erscheint.

    Auf mich wirkt es eher wie eine Aneinanderreihung von Märchen und Sagen mit aktuellem Bezug. Ich finde diese Welt, dieses Afrika sehr fremd, abstoßend und gleichzeitig faszinierend. Es ist eine ganz eigene Welt, wirkt aber für mich nicht wie eine klassische Fantasywelt. Das ist eher ein sehr religiöser, vom Aberglauben geprägter und mit all den daraus folgenden Konsequenzen handelnder Ort aus real gewordenen Sagen.

    Es ist ein Buch voller Aberglauben und gesellschaftlicher Zwänge.


    Ähnlich ist es mit der Erzählweise. Sie wirkt so, als würde man mit einem Barden am Feuer sitzen, der die Sagen und Geschichten seines Volkes erzählt und am Ende jeder einzelnen von mir wissen möchte, was ich darin entdeckt oder daraus gelernt habe.

    Allerdings erzählt dieser Barde sehr direkt, nimmt kein Blatt vor dem Mund und ist mehr als derb. Ich weiß nicht, ob es eine Seite in diesem Buch gibt, in dem nicht das "F-Wort" benutzt wird und damit meine ich nicht "fuck". Und das ist nur ein Beispiel.

    Auch sexualisierte Gewalt wird sehr direkt beschrieben, über derart beschriebenen Kindesmissbrauch, Sex mit Tieren oder "Mischwesen" liest man immer wieder etwas. Mit das alles zu viel, weil ich so etwas nicht ständig lesen möchte und es auch die eigentliche Geschichte nicht voran bringt.

    Die erzählende Hauptfigur, genannt "Sucher", sitzt im Gefängnis und erzählt einem Inquisitor seine Lebensgeschichte. Hierbei springt er von einer Geschichte zur nächsten, ohne irgendeine zeitliche Reihenfolge oder roten Faden. Kurz bevor ich das Buch abgebrochen hatte, war ich schon mehr als genervt, wenn er wieder einmal den vermeintlichen Haupterzählstrang unterbricht, um noch eine bestimmte Anekdote dazwischen zu schieben.

    Viele begeistere Rezensenten betonen Marlon James poetische Sprache. Ich kann sie in der derben, abgehackten Art nicht entdecken. In dem was James auf diese Weise erzählen lässt, entwirft er durchaus poetische Bilder eines düsteren, grässlichen afrikanischen Sagenwelt, aber unter einer poetischen Sprache verstehe ich etwas anderes.


    Das sind - bei all der Faszination für diese andersartige Welt - die Hauptgründe, warum ich das Buch, zumindest derzeit, nicht weiterlesen möchte.


    Ich soll ja Punkte vergeben, aber wirklich festlegen kann ich mich nicht. Es gab Stellen in diesem Buch, denen hätte ich 10 gegeben und dann immer mal wieder solche, die einen Punkt verdient hätten. Letztere waren mir dann auch zu viel.




    ASIN/ISBN: 3453272226

  • Vielen Dank für Deine ausführliche Meinung zu dem Buch. Was Du über die Beschreibungen von Gewalt, Kindesmissbrauch und ähnliches schreibst, schreckt mich jetzt doch sehr ab das Buch zu lesen. So was ist leider gar nicht meins, vor allem wenn es in einem Buch sehr häufig vorkommt. Ich werde dieses Buch jetzt erst mal nicht lesen.

  • Auch von mir vielen Dank für Deine ausführliche Meinung.


    Mir ging es mit dem Hörbuch ähnlich. Die ersten Stunden habe ich drei Mal gehört, weil ich immer wieder den Eindruck hatte, etwas verpasst zu haben. Erst nach unserem Gespräch war mir klar, dass die Erzählung tatsächlich so sprunghaft ist.


    Den brutalen Anfang hatte ich so erwartet und habe mich nicht abschrecken lassen. Manche Passagen sind sehr spannend, interessant und aufschlussreich über den Einfluss von Mythen, Legenden und Aberglauben auf das heutige Leben in diesen Regionen.


    Insgesamt war es mir leider auch zu brutal, vor allem die Mißbrauchsszenen ausufernde gewaltsam, die Sprache oft nervig und die Erzählung zu sprunghaft, sodass ich es auch abgebrochen habe - allerdings mit viel Bedauern, denn über die Legenden und deren Auswirkungen hätte ich gerne mehr gelesen.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.