Violet [A Single Thead] - Tracy Chevalier

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)

    It is 1932, and the losses of the First World War are still keenly felt. Violet Speedwell, mourning for both her fiance and her brother and regarded by society as a 'surplus woman' unlikely to marry, resolves to escape her suffocating mother and strike out alone. A new life awaits her in Winchester. Yes, it is one of draughty boarding-houses and sidelong glances at her naked ring finger from younger colleagues; but it is also a life gleaming with independence and opportunity. Violet falls in with the broderers, a disparate group of women charged with embroidering kneelers for the Cathedral, and is soon entwined in their lives and their secrets. As the almost unthinkable threat of a second Great War appears on the horizon Violet collects a few secrets of her own that could just change everything...


    Autorin (Quelle: amazon)

    Tracy Chevalier is the author of ten novels, including At the Edge of the Orchard, Remarkable Creatures and Girl with a Pearl Earring, an international bestseller that has sold over five million copies and won the Barnes and Noble Discover Award. Born in Washington DC, in 1984 she moved to London, where she lives with her husband and son.


    Allgemeines

    Erschienen am 5. September 2019 bei HarperCollins Publishers als HC mit 352 Seiten
    Gliederung: 25 Kapitel – Danksagung mit Bibliographie - Nachwort

    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive von Violet Speedwell

    Handlungsort und -zeit: Winchester, 1932 bis 1934


    Inhalt

    Violet Speedwell hat im Ersten Weltkrieg ihren Verlobten verloren und ist – wie viele Frauen ihrer Generation unverheiratet geblieben. Inzwischen 38 Jahre alt, zieht sie nach Winchester um, da sie es mit ihrer verwitweten, ewig nörgelnden Mutter, bei der sie bisher gewohnt hat, nicht mehr aushält. Ihr neues Leben ist unspektakulär – sie lebt in beengten finanziellen und räumlichen Verhältnissen in einem „boarding house“ für alleinstehende Frauen und arbeitet als Schreibkraft in einem Versicherungsbüro – aber es ist zumindest endlich ein eigenes, unabhängiges Leben! Beim Besuch der Kathedrale von Winchester gerät Violet in eine Sitzung der „broderers“, Frauen, die Kissen und Kniepolster für die Gottesdienste in der Kathedrale herstellen und kunstvoll besticken. Violet schließt sich der von Louisa Pesel geleiteten Gruppe an und findet in der kreativen Arbeit eine stille Freude.

    Außerdem lernt sie den wesentlich älteren, verheirateten Arthur Knight kennen, der in der Kathedrale zusammen mit seinen Kollegen die Glocken läutet und dabei kunstvolle „Melodien“ hervorbringt. Sowohl der ruhige, zuverlässige Mann als auch die Kunst des Glockengeläuts faszinieren sie und geben ihrem Leben einen neuen Inhalt…


    Beurteilung

    Der Roman schildert in einem ruhigen Erzählstil das Leben einer Frau, die aufgrund des Verlusts zahlloser Männerleben im Ersten Weltkrieg alleinstehend geblieben ist. Ihr ältester Bruder ist ebenso wie ihr Verlobter im Krieg gefallen, auch der Vater ist verstorben und der jüngere Bruder Tom, der ein verheirateter Familienvater ist, findet es ganz normal, dass Violet bei der recht übellaunigen Mutter lebt und sich von dieser drangsalieren lässt. Indem sie sich aus diesem Leben befreit, um in Winchester eine eigene, wenn auch bescheidene, Existenz aufzubauen, macht sie nicht nur ihrem Bruder einen Strich durch die Rechnung, sondern rebelliert auch gewissermaßen gegenüber gesellschaftlichen Konventionen.

    Die Autorin beschreibt eindringlich und anschaulich das eher triste Dasein einer Frau, an der ein Großteil des Lebens schon vorbeigegangen ist, die aber nicht aufgibt und doch noch etwas aus ihren reiferen Jahren machen will. Violet ist eine willensstarke Persönlichkeit, die unter den gegebenen Umständen das Beste aus ihrem Leben macht und sich dabei auch nicht scheut, gegen den Strom zu schwimmen.

    Der Leser erfährt Interessantes über die Herstellung von Kissen für die Gottesdienste in der Kathedrale von Winchester, diese Kissen sind immer noch im Gebrauch, und auch über die Kunst des Glockenläutens mit mehreren Glocken.

    Der Roman besticht durch seine Glaubwürdigkeit und den Verzicht auf emotionale Übertreibungen, er vermittelt den Eindruck, dass man auch ohne ein großes Happy End einen persönlichen Weg zu einem stillen Glück finden kann.


    Fazit

    Ein lesenswerter, ruhig erzählter Roman über das Leben einer bemerkenswerten (fiktiven) Frauenpersönlichkeit, der außerdem wenig bekannte künstlerische Betätigungen im Umfeld der Kathedrale von Winchester thematisiert!

    8 Punkte

    ASIN/ISBN: 9780008153816

  • Am 4. Januar 2020 erscheint die deutsche Ausgabe unter dem Titel "Violet".


    Kurzbeschreibung (amazon)

    England, dreißiger Jahre. Die Abende, an denen Violet mit einer Gruppe ungewöhnlicher Frauen wunderschöne Stickereien für die Kathedrale in Winchester anfertigt, sind der Aufbruch in eine neue Welt. Sie zeigen Violet, dass sie mit ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause die richtige Entscheidung getroffen hat. Schnell lernt und schätzt sie die Kunst des Stickens und lässt sich von Arthur in die des Läutens der Kirchturmglocken einweihen. Violet gewinnt durch das starke Band der Freundschaft zwischen den Frauen und die wachsende Nähe zu Arthur an Lebensmut und überwindet die Lebenskrise infolge des Ersten Weltkriegs. Und die Kirchturmglocken könnten wahrhaftig ihr neues Leben in Winchester einläuten…


    Bei vorablesen kann man sich in der laufenden Woche um diesen Roman bewerben.


    ASIN/ISBN: 3455007473

  • Danke Dir für Deine ausführliche Rezi.


    Das Buch steht seit dem Bookfest in Edinburgh im August auf meinem Wunschzettel.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Broschiert:352 Seiten

    • Verlag:Atlantik (4. Januar 2020)
    • Sprache:Deutsch
    • ISBN-10:3455007473



    In den Dreißigern

    Tracy Chevaliers Roman Das Mädchen mit dem Perlohrring hat mir schon gut gefallen.

    Ihr neuer Roman „Violet“ spielt in den dreißiger Jahren in England.

    Die Autorin hat einen angenehmen Schreibstil.

    Die Protagonistin Violet leidet noch unter dem Verlust ihres Verlobten und ihres Bruders im ersten Weltkrieg. Ihr Verhältnis mit ihrer Mutter ist schwierig, so zieht sie zu Hause aus und arbeitet als Schreibkraft. Man erlebt, wie die Hauswirtin sich um das Wohl ihrer Mieterinnen kümmert und beaufsichtigt.

    Violet tritt in einen Stickkreis ein, der Kniekissen für die Westminster Kirche arbeitet.

    Tracy Chevalier versteht es gut die Stimmung in den Dreißigern einzufangen. Wenn ich über die Runde der Stickerinnen lese, fühle ich mich eingebunden.

    Der Roman ist wieder eine glänzende Lektüre.


    ASIN/ISBN: 3455007473

  • Inhaltsangabe: Quelle Hoffmann und Campe Verlag

    England, dreißiger Jahre. Die Abende, an denen Violet mit einer Gruppe ungewöhnlicher Frauen wunderschöne Stickereien für die Kathedrale in Winchester anfertigt, sind der Aufbruch in eine neue Welt. Sie zeigen Violet, dass sie mit ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause die richtige Entscheidung getroffen hat. Schnell lernt und schätzt sie die Kunst des Stickens und lässt sich von Arthur in die des Läutens der Kirchturmglocken einweihen. Violet gewinnt durch das starke Band der Freundschaft zwischen den Frauen und die wachsende Nähe zu Arthur an Lebensmut und überwindet die Lebenskrise infolge des Ersten Weltkriegs. Und die Kirchturmglocken könnten wahrhaftig ihr neues Leben in Winchester einläuten… Chevaliers neuer Roman ist episch, warmherzig und lebendig – eine Hommage an die weibliche Kunstfertigkeit und ein Buch darüber, wie Schönheit auch ein bescheidenes Leben erfüllen kann.

    Meine Meinung zur Autorin und Buch

    Tracy Chevalier, ist mal wieder ein hervorragender Roman gelungen, schon mit ihrem Roman „ Das Mädchen mit dem Perlenrohring“ wusste sie mich zu begeistern. In diesem Roman geht es um die Stickerinnen, die für die Winchester Kathedrale, Kniekissen und andere Kissen für die Kirche sticken. Ich möchte sagen sie hat damit all den Frauen ein Denkmal gesetzt, für all ihre Mühe und Arbeit, Louisa Pesel gab es wirklich. Aber auch die Glöckner und Glöcknerinnen sind nicht vergessen worden. Ihr Schreibstil ist sehr Bildhaft, ich sah all die emsig stickenden Frauen vor mir und ihre Kissen, die es noch heute dort gibt.

    Alles ist sehr flüssig und Authentisch erzählt sehr gut recherchiert. Ihre einzelnen Figuren und deren Charaktere sind sehr gut beschrieben, so das ich mich leicht in die einzelnen Figuren hin ein versetzen konnte. Fiktion und Wahrheit sind wundervoll miteinander verwoben, wie all die Kunstvoll und mit viel Liebe gestickten Kissen.

    Sehr gut gefiel mir Violet, die sich zu einer engagierten Frau mauserte und vielen Widerstände, sie widersetzte und ihren eigenen Weg suchte. Mir tat sie oft Leid, so wie sich ihre Mutter sich ihr gegenüber verhielt, als ob Violet nicht ihre Tochter und nur ihre Sklavin sei. Deshalb konnte ich nur meinen Hut vor ihr ziehen, als sie von zu Hause auszog und ihren eigenen Weg ging, wenn er auch oft sehr holprig und steinig war. Auch fand ich die dreißiger Jahre nach dem großen Krieg sehr gut dargestellt, die Rolle der Frau, aber auch all die Narben die dieser Krieg zurück gelassen hatte. Diese Stickgemeinschaft , tat Violet gut, sie blühte geradezu auf, es machte große Freude ihr und all den Frauen über die Schulter zu schauen, bei ihren Stickereien. Besonders mochte ich Louise Pesel, eine der Frauen die wirklich existiert hat, von ihr ging immer so eine gewisse Ruhe und Fröhlichkeit und Stärke aus. In Gilda findet sie eine wahre Freundin, durch ihn lernt sie den Glöckner Arthur kennen, es sind zwar am Anfang sehr zarte Annäherungsversuche, aber man spürt beim Lesen, das es vielleicht mehr daraus geben könnte. Als alles gut zu sein scheint, ihre Stelle als Schreibkraft, das überwinden der Verluste ihres Bruders und Verlobten im Krieg, das sie endlich geschafft hat, rollt ein neuer Krieg heran. Ob Violet , es schafft weiterhin unabhängig zu sein, und vielleicht noch mal das große Glück in Arthur zu finden, scheint in großer Gefahr. Lasst euch überraschen, es ist jedenfalls ein wunderschöner und bewegender Roman, an all die Frauen die für ihre Unabhängigkeit, Ihre Anerkennung und ihre Kunst des Stickerei kämpfen.

  • „Violet“ ist ein sehr schönes, warmherziges und weitgehend stilles Buch, das aber im Laufe der Zeit eine große Kraft entwickelt, genauso wie die titelgebende Protagonistin.


    Die Autorin nimmt uns mit in das England der 30er Jahre und sie lässt uns – genauso wie ihrer Figur – viel Zeit, uns in Winchester einzufinden. Wir lernen Violet kennen, eine nicht mehr ganz so junge Frau, die auch Jahre nach dem 1. Weltkrieg unter den dadurch erlittenen Verlusten leidet. Und die sich aufmacht, ihr eigenes Leben zu entdecken. Durch ihre Augen erkunden wir die eindrucksvolle Kathedrale von Winchester, lernen die laute Kunst des Glockenläutens und die stille Kunst des Stickens kennen. Dabei wird erfreulich wenig doziert, dafür viel erlebt.


    Als LeserIn muss man sich einlassen können auf die ruhige Erzählweise und die Liebe zum Detail. Ich mochte diesen atmosphärischen Schreibstil sehr gern, ich fand ihn angenehm, ja fast meditativ, perfekt zum Abschalten. Als es dann im hinteren Teil des Buches in Violets Leben turbulent wird, war ich über diese „Störungen“ zunächst gar nicht so glücklich, da sie den geruhsamen Lesefluss unterbrachen. ;) Bis dann die Neugierde auf die neuen Erlebnisse Violets überwog.


    Tracy Chevalier erzählt über das schwierige Leben alleinstehender Frauen in einer Gesellschaft, in der alles auf die Institution Ehe ausgerichtet ist. Überhaupt schafft es die Autorin, ganz nebenbei viele historische Themen einzuarbeiten, ohne dass das Buch überladen wirkt. Die vorkommenden „Winchester Borderinnen“ unter der Leitung von Louisa Pesel mit ihren bis heute überdauernden Stickkunstwerken gab es übrigens tatsächlich. Ich finde es immer toll, wenn liebenswerte und interessante Details der Geschichte literarisch aufgegriffen werden.


    Violet ist eine tolle Protagonistin, sie ist keine Heldin, sondern eine ganz normale Frau, die mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat. Aber sie findet und geht ihren Weg, was sehr behutsam geschildert wird. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so ist es sehr glaubhaft für ihre Zeit. Einzig ihre Gefühle, die man zwar durchaus zwischen den Zeilen lesen kann, hätte ich gern direkter und stärker miterlebt.


    Fazit: Ein wunderschönes, stilles Buch mit einer sehr starken Frau, die ihren ganz persönlichen Weg findet. Neun ausgezeichnete Eulenpunkte von mir.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Violet ist inzwischen 38 Jahre alt. Ihren Verlobten hat sie im ersten Weltkrieg verloren. Praktischerweise lebte sie bei ihrer verwitweten Mutter. Aber sie will auf eigenen Beinen stehen und nimmt einen Job als Schreibkraft in Winchester an. Doch das Leben ist nicht einfach, denn das Geld reicht vorne und hinten nicht. Auch das Alleinsein in der kleinen Wohnung ist nicht schön. Violet schließt sich einer Gruppe Frauen an, die Stickereien für die Kathedrale in Winchester anfertigen. Und dann gibt es da noch den Glöckner Arthur…

    Der Schreibstil ist sehr detailliert, aber angenehm zu lesen. Allerdings gibt es dadurch auch ein paar Längen. Die Geschichte hat mir, obwohl sie recht ruhig verläuft, von Anfang an gefallen.

    Die Charaktere sind lebendig und gut dargestellt. Violet hat lange mit ihrer Mutter, die immer verbitterter wird, zusammengelebt. Sie ist bescheiden und warmherzig. Nun aber will Violet ihr eigenes Leben gestalten. Das ist mutig von ihr, denn in jener Zeit ist sie noch vielen Konventionen unterworfen, doch sie wird dadurch aus selbstbewusster. Sie fühlt sich zu Arthur hingezogen, aber der ist verheiratet. Im Kreis der Stickerinnen findet sie Gesellschaft und Freundschaft. Jede der Frauen hat ihr Päckchen zu tragen, aber gemeinsam ist doch vieles leichter.

    Ein ruhiger Roman, den ich gerne gelesen habe.


    8/10

  • Violets Verlobter ist im Krieg gefallen und sie entscheidet sich, nicht bei ihrer Mutter zu bleiben, sondern ihren eigenen Weg zu gehen. Auch wenn sie nicht viel verdient, arbeitet sie als Schreibkraft und findet Anschluss bei den Stickerinnen, die Kissen für die Kathedrale von Winchester besticken. Sie findet Freundinnen und gleichzeitig auch Entspannung beim Sticken. Das Buch erzählt 2 Jahre in Violets Leben sehr ruhig, dennoch hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Violets Lebens als alleinstehende Frau vor etwa 90 Jahren war nicht leicht, viele gesellschaftliche Spielregeln erschwerten das Dasein als Single. Violet schafft es trotzdem ihr persönliches Glück und Zufriedenheit zu finden.


    Die 1930er Jahre in England werden sehr anschaulich geschildert, ebenso wie die Kathedrale und ihre Glocken und natürlich das Sticken und die Stickereien. Louisa Pesel, die die Stickereien für die Kathedrale initiiert hat, habe ich direkt gegoogelt und hier auch ein paar Fotos gefunden: https://www.notjusthockney.info/pesel-louisa/

    Interessant fand ich auch den Blick nach Deutschland in dieser Zeit vor dem 2. Weltkrieg.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen!

  • Violet von Tracy Chevalier entführt den Leser in eine längst vergangene und aus heutiger Sicht auch tragische Zeit: Wir befinden uns zwischen den beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts; genauer gesagt in


    Winchester, England, 1932:


    Violet Speedwell, die Hauptprotagonistin dieses wundervollen Romans, 38 Jahre alt, möchte sich nicht noch länger von ihrer verbitterten und stets unzufriedenen Mutter das Leben schwer machen lassen und beschließt, aus Southampton ins 30 Meilen entfernte Winchester zu ziehen, wo sie eine Stelle im Büro der Southern-Counties-Versicherungen annimmt. Durch einen Zufall nimmt sie an einem besonderen Gottesdienst teil, der sie gefangen nimmt: Die Broderinnen (Broder = mittelalterliche Stickkunst) sind zu einem Segnungsgottesdienst in der Kathedrale zusammengekommen, um ihre fertigen Kissen für die Sitze und Langbänke in der Kirche segnen zu lassen. Violet fühlt sich zu den Frauen hingezogen und erreicht es durch ihre Klugheit, dass sie diese Art des Stickens erlernen darf: Niemand geringeres als Miss Louise Pesel (eine authentische historische Figur) weist sie in die Stickkunst ein, die nach und nach zur Leidenschaft wird - und beruhigend auf sie wirkt.... Die Treffen, die teilnehmenden Frauen, Gilda Hill (die später Violets Freundin werden sollte), Dorothy Parker und die beliebte Miss Pesel wie die strenge und unerbittliche Miss Biggins sind so charakteristisch portraitiert, dass man sich alle sehr bildhaft vorstellen kann; ebenso wie die beschriebene Kunst des Stickens.


    Mit einer weiteren Hauptperson in diesem zauberhaften Roman, Arthur Knight, erlebt man eine weitere Kunstfertigkeit, das Glockenläuten. Violet ist der Glöckner überaus sympathisch, wenn auch älter als sie selbst und sie sucht seine Nähe. So besucht der Leser den Glockenturm der Kathedrale in Winchester und ist ebenso wie Violet erstaunt über die Kunstfertigkeit und die Konzentration, die für die verschiedenen Glockenschläge nötig sind. Die Erläuterungen zum Glockenspiel fand ich ebenso interessant wie die Darstellungen der Stickkunst; auch Arthur ist eine auch für den Leser sympathische Figur, da er Violet die Möglichkeit gibt, zu wachsen und sich zu entfalten; auch eine Spielart menschlicher Liebe und Zuneigung.


    Man wandert mit Violet durch malerische Landschaften, durch Wald, Feld und Wiesen und ist erstaunt über ihren Mut, denn alleinstehende Frauen hatten es in dieser Zeit nicht leicht: Da viele Männer im 1. Weltkrieg fielen, gab es in England einen "Frauenüberhang"; auch Violets Verlobter Laurence fiel im Krieg, ebenso wie ihr ältester Bruder George. Tracy Chevalier gelingt es sehr gut, die Situation dieser Frauen in der Person von Violet zu zeichnen; besonders gefiel mir die mutige und sensible Violet, die selbstbewusst einen Weg für sich sucht, ein unabhängiges und erfülltes Leben führen zu können: Viele Steine mussten dafür aus dem Wege geräumt werden, aber Violet ist von dem Gedanken beseelt, etwas Bleibendes zu schaffen: Ein Sitzkissen oder ein Klingelbeutel, der sie überdauert und in der Kirche, von ihr bestickt, von Hand zu Hand gereicht wird. Diesen Gedanken fand ich wundervoll - und war wohl auch das Motiv von Louise Pesel, die überaus gut gezeichnet wird und eine Seele von Mensch gewesen sein muss.


    Es geht im Roman (den ich durchaus ins Genre historischer Roman stellen würde) um vielschichtige Themen, die sich um die Zeit in den 30er Jahren ranken: Um Verlust und Schmerz, das Weiterleben, um Veränderung, um Liebe und die Liebe zur Kunst (des Stickens und des Glockenläutens); um den Willen, etwas Bleibendes zu schaffen und etwas Sinnvolles und Positives zu tun: Für die Gemeinschaft und für sich selbst!


    "(...) es geht (dabei) auch ums Nichtdenken. Wir brauchen alle immer mal wieder Beschäftigungen, die uns eine Pause von uns selbst gönnen" (Zitat Arthur, S. 259)


    "Ruhe und Konzentration macht den Kopf frei" (Zitat Violet, S. 263)


    Der Roman hat auch durchaus politische Elemente; etwa wenn Arthur sich (nicht zu unrecht) sorgt, dass ein Herr Hitler 1933 in Deutschland die Macht ergriffen hat - eine Geschichtslektion von englischer Seite aus betrachtet, die durchaus richtig und verständlich ist: Wie Arthur lässt man sich von Miss Pesel nicht wenig staunend den Unterschied zwischen "fylfots" und Hakenkreuzen zeigen und lauscht ihren Erläuterungen zur Symbolik. Violet möchte auf ihre Weise gegen den Faschismus rebellieren und dies in ihrer Stickarbeit zum Ausdruck bringen. Die Stickkissen der Broderinnen sind übrigens noch heute in der Kathedrale in Winchester zu sehen; sie haben aufwändige Muster (Medaillon) mit historischen Persönlichkeiten und Ereignissen; auch wird man im Internet fündig, sie zu sehen!


    Nach einer gemeinsamen Radtour von Violet und Arthur freut man sich über die Veränderungen in Violets Leben, ihre Freundschaft zu Gilda und Dorothy, ihren Großmut und ihre Hilfsbereitschaft - und ihren Eigenwillen!


    Ein Roman der leisen Töne, der Fans historischer Romane verzaubern wird, der Stickerinnen oder kreativen Männern und Frauen ein Lächeln ins Gesicht zaubert, der aber auch feministisch und emanzipatorisch ist (und dies gefiel mir am besten):


    "wozu Frauen erzogen werden - wir sollen geben, dafür sorgen, dass andere es gut haben, ganz egal, wie es uns selbst dabei geht: Es kann ermüdend und undankbar sein, immer nur großzügig zu sein" (Violet, S. 297)


    Ein Lesegenuss, den ich absolut weiterempfehlen möchte! 5* und das erste Lesehighlight 2020! Vielen Dank dafür an die Autorin und die Übersetzerin Anne Rademacher. 5 *


    ASIN/ISBN: 3455007473

    Nicht der Wind bestimmt die Richtung, sondern das Segel (aus China)

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  • Violet – Tracy Chevalier


    Mein Eindruck:

    Tracy Chevalier ist eine Autorin, die ein gewisses literarisches Niveau besitzt, das dafür sorgt, dass ihre historischen Romane aus dem Genre herausragen. Nicht umsonst war „Das Mädchen mit dem Perlohrring“ so erfolgreich.

    Für Violet gilt das ebenfalls, begleitet von einer Genauigkeit und Ruhe in Stil und Sprache sowie glaubhafte Figurencharakterisierungen. Das ist mir als Leser sehr wichtig!


    Die Autorin macht in ihrem Roman sehr deutlich, was es heißt, in einer schweren Zeit, den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Frau alleinstehend zu sein.

    Violet Speedwill ist eine alleinstehende und selbständige Frau, die es in der Zeit zwischen den Kriegen nicht leicht hat. Sie arbeitet in einem Büro, aber das Gehalt ist schmal.

    Von ihrem Bruder finanziell abhängig zu sein, passt ihr auch nicht. Lieber verzichtet sie. Wichtig ist ihr die Unabhängigkeit. Als über 30jährige Frau unverheiratet zu sein, hat viele Nachteile. Zum Beispiel auch eine gewisse Einsamkeit und fehlender gesellschaftlicher Anschluß. Den findet sie dann aber doch noch in einem Verein mit Frauen, die künstlerisch hochwertige Stickarbeiten für die Kathedrale von Winchester machen. Zudem trifft sie einen Mann, mit dem sie freundschaftlich verbunden ist und ihre gegenseitigen Gefühle nehmen zu.

    Es gibt außerdem einige äußerst gelungene Beschreibungen der Umgebung in England.

    Letztlich ist auch die Plotentwicklung geschickt gemacht, dass ermöglicht eine Zunahme der Intensität und sogar ein unerwartetes Ende.


    Ein Roman, der nachhallt, obwohl er alles andere als spektakulär geschrieben ist.

  • Die englische Stadt Winchester in den 1930er-Jahren: Nach ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause stößt die Schreibkraft Violet Speedwell in der Kathedrale zufällig auf die Gruppe der Broderinnen. Die 38-Jährige mag die Abende mit den ungewöhnlichen Frauen, an denen sie zusammen unter Anleitung von Louisa Pesel Stickereien für das Gotteshaus anfertigen. Die Treffen sind für Violet der Aufbruch in eine neue Welt. Nach dem Tod ihres Verlobten Laurence während des Ersten Weltkrieges ist sie allein geblieben und hat wenig Anschluss. Bei den Abenden in der Kathedrale lernt sie nun nicht nur das Kunsthandwerk kennen, sondern von Arthur auch das Läuten der Kirchturmglocken. Kann sie durch die Freundschaft zwischen den Frauen und die wachsende Nähe zu Arthur ein neues Leben in Winchester beginnen?


    „Violet“ ist ein historischer Roman von Tracy Chevalier.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 25 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird aus der Sicht von Violet in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit einigen Rückblenden. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist anschaulich, einfühlsam, atmosphärisch und unaufgeregt. Dank viel wörtlicher Rede und gelungenen Beschreibungen ist er allerdings auch recht lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht. Sie nimmt jedoch nur langsam Fahrt auf.


    Mit Violet steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund, deren Gedanke und Gefühle ich gut nachvollziehen konnte. Sie wird realitätsnah dargestellt. Trotzdem wurde ich nicht sofort mit ihr warm, da sie manchmal einen etwas unnahbaren und nüchternen Eindruck macht. Auch die übrigen Personen wirken authentisch.


    Der Roman ist vor allem als Porträt von Violet angelegt. Aber der Leser erhält zudem ein gutes Bild der damaligen Zeit und Stimmung. Der Frauenüberschuss, die gesellschaftliche Stellung unverheirateter Damen und einige Themen mehr werden auf unterhaltsame Weise vermittelt. Dies macht die Lektüre tiefgründig. Gut gefallen hat mir auch, dass das Sticken so präsent in der Geschichte ist und dieses besondere Kunsthandwerk viel Aufmerksamkeit erhält. Auf rund 350 Seiten hat der Roman allerdings auch stellenweise Längen.


    Das stimmungsvolle, nostalgisch anmutende Cover der deutschen Ausgabe gefällt mir sehr gut. Auch der Titel ist passend, obgleich ich die englischsprachige Originalversion („A Single Thread“) kreativer finde.


    Mein Fazit:

    „Violet“ ist ein unterhaltsamer Roman von Tracy Chevalier. Eine Geschichte, die mir schöne Lesestunden bereitet hat, aber mich nicht durchgängig berühren konnte.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

  • "Violet" hat mir richtig gut gefallen. Es liest sich so angenehm und leicht. Der Stil der Autorin ist fesselnd und lebhaft. Violets Alltag besteht aus mehr als nur dem Sticken und der Leser wird in einen intensiven Abschnitt ihres Lebens mitgenommen, erlebt Violet im Umgang mit den anderen Stickerinnen, aus denen Freundinnen werden, mit ihrer Familie, in der vor allem ihre Mutter es ihr oft nicht leicht macht, und dem einen oder anderen Vertreter des männlichen Geschlechts. Besonders toll finde ich, dass der Roman auf historischen Persönlichkeiten beruht und es der Autorin ganz wunderbar gelingt, die Erzählung mit spannenden historischen Fakten zu untermauern. So erlebt der Leser die Geschichte viel intensiver und wird in das England der Dreißigerjahre mitgenommen.