Routiniert, unterhaltsam, begrenzt innovativ
John Scalzi hat während seiner Karriere, die mit dem vergleichsweise fulminanten und amüsanten Roman "Krieg der Klone" (2005) begann, einiges veröffentlicht, aber längst nicht nur Gutes. Das negative Ende der durchaus vom Mittelmaß beherrschten Skala markieren Sachen wie das lahme Remake "Der wilde Planet" oder die gründlichst misslungene "Star Trek"-Satire "Redshirts".
Aber die Auswahl an lesbaren SF-Autoren ist nicht mehr so groß, und sie ist umso kleiner, seit Iain Banks gestorben ist und Richard Morgan seine Schlagzahl so drastisch verringert hat. Deshalb muss man als Freund des Genres zweite und dritte Chancen einräumen (möglicherweise sogar einem Robert Charles Wilson, der sich in Selbstwiederholung übt, aber das gehört hier eigentlich nicht her).
Mit "Kollaps" und "Verrat" eröffnet Scalzi eine neue, mehrbändige Serie - angeblich seine umfangreichste, glaubt man den Klappentexten. Ich fasse die Besprechung der ersten beiden bislang verfügbaren Romane zusammen; die Geschichte ist zusammenhängend, fortlaufend und im Prinzip ziemlich überschaubar.
In etwa tausendfünfhundert Jahren in der Zukunft leben die Menschen in Habitaten und unterirdischen Städten, verstreut über verschiedene Sternensysteme, die durch so genannte "Ströme" in Verbindung stehen. Da Raumschiffe aus physikalischen Gründen die Lichtgeschwindigkeit nicht erreichen und erst recht nicht überschreiten können, dienen diese - beim ersten Mal schwer auffindbaren - galaktischen Einbahnstraßen der Fortbewegung über größere Distanzen. In der "Interdependenz", wie dieses Reich genannt wird, sind mehrere Sterne und ihre Systeme durch diese starren Phänomene verbunden, und zwar in einer Weise, die jeden Punkt von jedem anderen aus erreichbar macht, wenn auch zuweilen über Umwege. Das Netz wird von "Nabe" aus kontrolliert, wo sich viele Ströme treffen und die herrschende Person mit dem Titel "Imperatox" über all das regiert. Die Interdependenz ist eine Monarchie. Neben dem oder der Imperatox und der omnipräsenten Kirche teilen sich Gilden vor allem die wirtschaftliche Macht. Seit Jahrhunderten hat jede Gilde im gesamten System das Monopol auf eine spezielle Produktgruppe oder Dienstleistung. Das Netz funktioniert also nur, wenn es verbunden ist. Keine Siedlung könnte alleine überleben.
Der amtierende Imperatox stirbt aus Altersgründen, und aufgrund einiger Unglücksfälle wird überraschend die junge Cardenia Wu-Patrick zur Thronerbin. Zu dieser Zeit erhebt sich auf dem einzigen an der Oberfläche bewohnbaren Planeten des Systems, der aufgrund seiner Position im Netz der Ströme "Ende" heißt, eine Revolte. Aber gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass die Ströme möglicherweise demnächst kollabieren werden ...
John Scalzi hat sich noch nie durch seine technische Kreativität hervorgetan. Und auch in dieser Reihe gibt es praktisch keine futuristischen Innovationen, sondern recycelte Ideen. Seine Ströme heißen anderswo Wurmlöcher, es gibt eine Technik zur Aufzeichnung von Gedanken, die den Imperatox vorbehalten ist, aber davon abgesehen dienen simple, mit den Händen bediente Tablets der Kommunikation und Information, und wer jemanden abknallen will, nutzt seltsamerweise Bolzenschussgeräte. Um es anders zu sagen: Wer darauf hofft, in eine technologisch abgefahrene Phantasiewelt vorzudringen, in der ein Wunder dem anderen folgt, wird enttäuscht werden. Ganz im Gegenteil nämlich ist die Gesellschaft, die Scalzi skizziert, sozial, wirtschaftlich und kommunikativ auf einem Stand, der auf Terra zwischen dem achtzehnten und zwanzigsten Jahrhundert herrschte. Stagnation ist das bestimmende Prinzip, durchaus begründbar, da aufgrund der Monopolstruktur der Markt und damit die Konkurrenz fehlen, was normalerweise Wirtschaftssysteme belebt und vorantreibt. Das Volk ist leichtgläubig, Informationen sind unscharf, Wege lang (außer durch die Ströme), die Guten sind sehr gut, die Bösen sehr böse - und Attentatsversuche misslingen meistens. Den größten technologischen Fortschritt stellen die (nicht weiter erklärten) Raum-Zeit-Blasen dar, die die Schiffe um sich aufbauen müssen, um die Ströme durchreisen zu können. Auf den Raumschiffen wird Gravitation durch Stoßfelder simuliert, die alles, was Masse hat, auf den Boden drücken, statt es von dort aus an sich heranzuziehen. Das habe ich auch schon irgendwo gelesen, möglicherweise aber bei Scalzi selbst.
Warum also sollte man sich mit dieser neuen SF-Reihe befassen - zumal auch noch das Personal ziemlich klischeehaft daherkommt und die Handlung meistens nicht wirklich überrascht? Nun, es sind die Dialoge, Scalzis große Stärke. Es geht in "Kollaps" und "Verrat" in erster Linie um Intrigen und erst in zweiter darum, das Imperium zu retten und dabei - jedenfalls aus Sicht einiger - möglichst viel Profit zu machen. Deshalb gibt es raffgierige Gildenchefinnen, selbstlose Wissenschaftler, coole Herrscherinnen, die über sich hinauswachsen, außerdem schlitzohrige, nymphomane Raumschiffkapitäninnen und noch ein paar andere Figuren, die sich auf oft ganz herrliche Weise gegenseitig auszubooten versuchen. Wenn man die überzeugenden und sehr witzigen Gespräche und verbalen Auseinandersetzungen liest, vergisst man ein wenig, wie groß die logischen Löcher sind und wie wenig wirklich Neues Scalzi mit dieser Reihe präsentiert. "Das Imperium der Ströme" ist eine Space Opera im direkten Sinn des Wortes, also keine komplexe, faszinierende, vielschichte Angelegenheit wie bei Peter F. Hamilton, sondern eher ein ziemlich lineares, unterm Strich dünnes, aber oft amüsantes Ränkespiel zwischen übrigens vorwiegend weiblichen Helden. Dieser Versuch, die Männerdominanz nicht nur in diesem Genre umzukehren, gelingt allerdings nicht immer; einige Figuren agieren wie Kerle, denen man einfach Frauennamen gegeben hat.
Fazit: Solide SF-Unterhaltung ohne großen Anspruch oder technische Ideen, flockig geschrieben und zumindest bei den Dialogen ziemlich unterhaltsam.
ASIN/ISBN: 3596299667 |
ASIN/ISBN: 3596299802 |