Mädchenleben oder die Heiligsprechung – Martin Walser



  • Verlag: Rowohlt

    Erscheinungstermin: 19.11.2019

    96 Seiten

    ISBN: 978-3-498-00196-4


    Kurzbeschreibung:

    Für alle Walser-Leser ein Fest des Wiedersehens: Schon in seinen Tagebüchern von 1961 finden sich Eintragungen zu «Mädchenleben», und nun, fast sechzig Jahre später, hat er das dort Notierte zusammengetragen und zu etwas verwoben, das er "Legende" nennt: die Geschichte des Mädchens Sirte Zürn, das, weil es seine eigenen Wege geht - plötzlich verschwindet, erst nach Tagen wieder auftaucht, sich im Sand eingräbt, bei Sturm in den See rennt -, nach Wunsch seines Vaters heiliggesprochen werden soll. Der Untermieter der Familie, der Lehrer Anton Schweiger, ist von diesem Einfall so entzündet, dass er alles sammelt, was es über das Mädchen zu erzählen gibt. Darüber gerät er mehr und mehr in ihren zauberischen Bann.


    Über den Autor:

    Martin Walser, 1927 in Wasserburg geboren, lebt in Überlingen am Bodensee. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 1981 den Georg-Büchner-Preis, 1998 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und 2015 den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis. Außerdem wurde er mit dem Orden «Pour le Mérite» ausgezeichnet und zum «Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres» ernannt.


    Mein Eindruck:

    Martin Walsers neuer, sehr kurzer, aber dicht erzählter Roman „Mädchenleben oder die Heiligsprechung“ ist anscheinend aus schon jahrzehnte alten Ansätzen entstanden, da er in seinen Tagebüchern 1961 schon über den Stoff nachdachte und notierte.

    Hinzugekommen sind aber auf jeden Fall die aphorismischen Walsersätze, die sein Spätwerk kennzeichnen.

    Es wurde sowohl inhaltlich als auch sprachlich ein außergewöhnliches Buch, mit dem ich so nicht gerechnet hätte.

    Hauptfigur ist die junge Sirte. Kindheit und Jugend werden betrachtet. Aufgewachsen in einer zerrütteten Familie, mit einem gewalttätigen Vater, ist Sirte ein ungewöhnliches Mädchen. Sie entwickelt sich zu einer Frau, die mit den Konventionen bricht. Eine weibliche Christusgestalt soll sie sein. Man muss schnell am Walser wunderlicher Figur aus Muttersohn denken.

    Erzählt wird leider aus der Perspektive eines Mannes, der als Untermieter bei der Familie wohnt und Sirtes Entwicklung verfolgt. Er ist Bewunderer und wird schließlich zu einem Jünger Sirte.

    Dadurch das dieser Erzähler zwischen Hauptfigur und Leser geschoben wird, bleibt eine Distanz, streckenweise auch Unverständnis.

    Sirtes Vater ist eine unangenehme Person. Er heißt Ludwig Zürn, aber man darf ihn nicht verwechseln mit den Figuren aus Walsers früheren Romanen, z.B. Gottlieb Zürn aus Jagd und Der Augenblick der Liebe. Oder Xaver Zürn aus Seelenarbeit. Mit diesen Menschen hat der neue Zürn nichts zu tun, der Name dient nur der Verortung im Walser-Kosmos. So einige Zeitungskritiker haben das nicht verstanden.

    Gegen Ende kommen fast nur noch Sätze vor Sirte, die reflektieren und sinnen.

    Das kann ich als Leser dieser Figur nicht wirklich abnehmen, zu sehr sind es typische Sätze von Walser selbst.


    Ob das jetzt ein gutes Buch ist oder nicht, vermag ich nach erster Lektüre nicht genau zu sagen. Die Ausgangssituation vermittelt erst einmal ein beklemmendes Lesegefühlt. Es gibt interessante Themen, wirkt aber auch nicht zeitgemäß.

    Die Handlung soll einerseits in die siebziger Jahre gelegt sein, andererseits wird einmal etwas in Euro bezahlt. das passt nicht zusammen. Wo war das Lektorat?

    Ich denke dennoch, dass auch dieser Roman noch Bedeutung hat und ich bin daher froh, dass das Buch noch entstanden ist.


    ASIN/ISBN: 3498001965