Die einzige Lesung aus Rebecca Gablés neustem Buch Teufelskrone fand in der bis auf den letzten Stehplatz besetzten Römerhalle statt.(Und der Bericht fällt etwas ausführlicher aus für alle, die leider nicht dabei sein konnten.)
Die offensichtlich von „Teufelskrone“ begeisterte Moderatorin Margarete von Schwarzkopf fragte zu Beginn, wie man auf den tollen Titel gekommen sei, der fast wie für einen Horrorroman gemacht sei. Ein Chronist habe einmal über Eleonore von Aquitanien und ihre „Brut“ gesagt, dass sie etwas Teuflisches in sich tragen würden und in der Familie selbst habe man von Dämonenblut gesprochen. Teufelskrone sei passend, weil zwei Brüder sich um die Krone stritten.
Die Zeit im 12. und 13. Jahrhundert sei einer ihrer Lieblingsepochen. Eleonore von Aquitanien, ihre Söhne Richard Löwenherz und Johann Ohneland, das ausgehende Mittelalter und Rittertum – was könne sich ein Schriftsteller mehr wünschen. England habe vor seiner größten Expansion gestanden und Frankreich sei immer in die Quere gekommen.
Für sie frappierend ist, dass die Konflikte, die vor rund 800 Jahren während der damaligen Kreuzzüge entstanden, noch bis heute im Nahostkonflikt nachwirken würden.
Rebecca Gablé ist sich bewusst, dass Richard Löwenherz kein guter König für England war, aber ein Held sei er doch gewesen und sie habe ihn schon während des Studiums angeschmachtet.
Als Studentin habe sie sich in das englische Mittelalter verliebt und schon damals Romane geschrieben. Irgendwann habe sie sich an einem historischen Text versucht, der später das zweite Kapitel des „Lächelns der Fortuna“ geworden sei. Einen Folgeband habe sie schon geplant, aber nie mir sechs Bänden gerechnet. Die Geschichte der Waringhams habe sich schnell verselbständigt. Die Familie Waringham eigne sich wunderbar um frühmittelalterliche Geschichte zu erzählen. Die Familie sei adlig, gehöre aber nicht zum Hochadel. Durch die Verbindungen nach oben und unten könne man Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen. Die damit verbundene ausführliche Recherche mache ihr viel Spaß.
Für Margarete von Schwarzkopf beginnt „Teufelskrone“ direkt mit einem „Bang“ und Rebecca Gablé findet, dass ein rund tausendseitiger Roman die Leser direkt reinziehen müsse. Am besten mit wörtlicher Rede und einer spannenden Szene.
Dann las Detlef Bierstedt den Anfang des Romans, in dem die Gefangennahme von Richard Löwenherz geschildert wird.
Margarete von Schwarzkopf findet diese Struktur sehr gelungen. Erst die Leser mit der spannenden Szene fesseln und danach die Hintergründe nach und nach aufrollen. Zumal die Szene weitgehend den historischen Quellen entspricht, abgesehen davon, dass Leopold vermutlich nicht selbst anwesend war. Das mit dem Ring machte Rebecca Gablé fast sprachlos, die Hybris Richards den Ring nicht abzunehmen und letzten Ende habe seine Hybris ihn auch früh das Leben gekostet.
Die Festnahme eines Kreuzritters auf dem Heimweg, noch dazu des englischen Königs, sei damals ein Skandal gewesen. Egal welche Gründe es gegeben habe, Kreuzfahrer galten als Pilgerer und hätten unter besonderem Schutz gestanden. Doch der deutsche Kaiser und Leopold setzten sich darüber hinweg.
Rebecca Gablé ist sich nicht sicher, ob sie Eleonore von Aquitanien mag, hat jedoch Hochachtung vor ihr. Frauen im Mittelalter seien noch mehr Klischees ausgesetzt gewesen als heutzutage und beim Schreiben habe sie immer wieder aufpassen müssen, diese zu vermeiden. Wäre Eleonore von Aquitanien ein Mann gewesen, wären viele ihrer Entscheidungen ganz anders bewertet worden.
Die Beute und Geschichtsschreibung gehörten traditionell den Siegern, das sei insbesondere Maria I. („Bloody Mary“) so ergangen und sie habe versucht, deren Bild zurechtzurücken.
Ihre Rückkehr zum Katholizismus habe sehr schlechte Presse bekommen und sicherlich sei sie als Königin gescheitert. Dabei sei Mary jedoch nicht machtgierig und skrupellos gewesen. Sicher dürfe man nicht vergessen, dass während ihrer Regentschaft 289 Menschen auf dem Scheiterhaufen landeten – bei einem männlichen Herrscher wäre das Urteil der Chronisten nicht so harsch ausgefallen. Ein Biograph von Elisabeth I. habe dazu sehr treffend geurteilt, dass ohne Marys Scheitern der Erfolg von Elisabeth nicht möglich gewesen wäre.
Rebecca Gablé fand die Gegenüberstellung von zwei Brüderpaaren in „Teufelskrone“ sehr reizvoll. Einerseits die beiden königlichen Brüder, andererseits Yvain und Guillaume, die dank des Vaters nicht Anhänger des gleichen Königs sind und jeweils ihre Konflikte austragen. Guillaume und Yvain als Stellvertreter sind dabei nach Ansicht von Rebecca Gablé deutlich erfolgreicher, auch weil sie SPOILER letzten Endes eine Lösung für sich finden.
Aber auch diese beiden Brüder würden als Projektion zweigen, wie grauenvoll Richard und John ihren Konflikt austrugen. Von Anfang an sei Kernpunkt in diesem Konflikt gewesen, dass der Vater all seine Besitztümer an seine anderen Söhne verteilte, für John jedoch nichts übrigblieb und John sogar von seinem eigenen Vater „Ohneland“ genannt wurde. Das habe John zu Recht als ungerecht empfunden. Der Stoff sei wie für Autoren gemacht.
Im Anschluss las Detlef Bierstedt eine Szene, die auf dem Gut der Waringhams spielt als Yvain noch dort lebt.
Die Templer spielten am Rand eine Rolle, weil Rebecca Gablé darauf hinweisen wollte, was es damals bedeutete, der zweite Sohn einer nicht besonders vermögenden Adelsfamilie zu sein. Diese seien oft in eine kirchliche Laufbahn gedrängt worden – wobei das auch grandios schiefgehen konnte. (Lachen aus dem Publikum)
England sei damals noch keine Weltmacht gewesen, sondern eher so bedeutend wie heute. (Mehr Lachen aus dem Publikum.) Es sei eher an einem Tiefpunkt gewesen, nachdem zuerst große finanzielle Mittel für Richards Kreuzzug aufgebracht werden mussten und noch mehr für sein Lösegeld. Richard habe England nicht viel Bedeutung beigemessen, außer der für ihn praktischen Krone, durch die er dem französischen König gleichgestellt war, sowie als Geldquelle. Ansonsten habe er mehr Interesse an seinen Besitztümern in Frankreich gehabt.
John hingegeben wurde in England geboren, sprach Englisch, habe einen Bezug zu Land und Leuten gehabt und wollte England ein guter König sein. Die Zahlung der 100 000 Pfund Lösegeld für Richard sei für England fatal gewesen und es sei England insgesamt unter John besser gegangen.
Allerdings sei Johns größte Errungenschaft eine, die er ganz und gar nicht freiwillig geleistet habe: die Magna Charta. Als König habe er immer mehr Fehler gemacht und zum Ende seiner Regentschaft sei er zum Tyrannen geworden. Rebellische Lords rangen ihm dann die Magna Charta ab, die aus 60 Artikeln bestand unter denen bahnbrechende juristische Grundsätze waren und im Grunde der Beginn des Parlamentarismus in England gewesen seien. Die Macht des Königs zu beschneiden sei vorher unvorstellbar gewesen.
Margarete von Schwarzkopf ist fasziniert davon, wie Rebecca Gablé das Leben bei Hofe schildert und dabei sehr sorgfältig auf eine passende Sprache bedacht ist. So dauere etwas z.B. einen Lidschlag statt der uns geläufigen Sekunde. Zwar seien damals diese Zeiteinheiten bei Wissenschaftlern schon bekannt gewesen, doch das Volk habe damit wenig anfangen können. Genauso wichtig ist es Rebecca Gablé, nicht den erst Ende des 18. Jahrhunderts festgelegten Meter zu verwenden, sondern damals gebräuchliche Maßeinheiten.