'Die Rückkehr' - Seiten 039 - 160

  • So unterschiedlich ist das - Lothar ist so ziemlich der einzige Autor, dessen Schilderungen dieser Zeit ich "vertragen" kann. Das Buch fällt für meine Begriffe gegenüber dem "Engel mit der Posaune" zwar deutlich ab, dennoch kann ich mir vorstellen, es ein zweites Mal zu lesen. Obwohl die Hauptfigur unsympathisch ist.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mir sind die Beschreibungen und Personen viel zu sprunghaft, zu zerrissen und irgendwie wenig authentisch. Inhaltlich ist das Buch jedoch okay.


    Mal hasst Felix seine Mutter wegen irgendwas, dann liebt und vermisst er sie wieder um sie dann gleich wieder zu hassen. Alles ist natürlich in dieser wirren Nachkriegszeit möglich, rein sprachlich ist das für mich aber auch alles recht dünn und irgendwie abgehackt.

  • Da mir die Leseabschnitte zu lang sind, poste ich hier in kleineren Häppchen.


    Kap. 6 – 9


    Livia tut mir leid. Sie ist unsterblich verliebt, weiß aber, dass sie Felix verlieren wird. Mit ihrer Antwort auf den telegrafischen Heiratsantrag gibt sie Felix alle Hoffnung ohne ihn zu irgendetwas zu verpflichten.

    Vielleicht hat sie doch noch ein Fünkchen Hoffnung auf ein Happy End. Es wäre schön, wenn man später noch von ihr lesen würde. Ich vermute aber eher nicht.


    Und zum anderen finde ich, dass der Autor die Stimmung auf dem Schiff und auf der Reise nach Wien richtig gut eingefangen hat. Wie alle zu Beginn richtig euphorisch und ausgelassen sind. Und wie schnell das aber auch kippen kann, als das Schiff auf irgendetwas aufläuft und kurzfristig Panik ausbricht. Der Autor erzeugt für mich eine echte Atmosphäre.

    Das hat mir auch sehr gut gefallen. Zuerst Felix' Euphorie, dann die Angst der Passagiere bei dem Vorfall, von dem man nicht erfährt, was es war. Die Situation beruhigt sich zwar schnell.

    „Nichts Schlimmes war geschehen, trotzdem war der freie Atem weg.“

    Dieser Satz hat mich sehr berührt, denn ich stelle mir vor, wie bei vielen Passagieren alte Ängste bedingt durch Krieg, Verfolgung etc. hochkommen. Ängste, die sie dann in Amerika womöglich nur schwer loswurden und plötzlich wieder hochkommen.


    Geschockt war ich über Viktorias Reaktion auf den Mann mit dem Päckchen, der vergeblich nach seiner Tochter schrie, die er acht Jahre nicht gesehen hatte. (S. 58)

    „Das alles sind keine Katastrophen.“


    Und ich verstehe nicht, was gemeint ist, als beim Anblick der zerstörten Stadt Le Havre jemand sagt: (S.59)

    „Recht geschieht ihnen!“

    Wer ist „ihnen“ und warum geschieht es ihnen recht? Was meint Viktoria mit dem Satz:

    „An die musst du denken, die dort zusammenstehen und sagen: 'Recht ist ihnen geschehen!' Wir gehören zu ihnen ...“

    Wer ist mit „ihnen“ gemeint?

  • Ich bin mir nicht sicher, ob hinter beiden Sätzen die gleiche Absicht steht.

    Das erste: "Recht geschieht ihnen" kam von jemand auf dem Schiff, der die Bewohner von Le Havre meinte und ganz offensichtlich keine Ahnung vom Kriegsverlauf hatte.

    Le Havre war von der Wehrmacht besetzt gewesen und von den Alliierten in Schutt und Asche gebombt worden. Was den armen Menschen da recht geschehen sein soll, ist mir auch nicht verständich.


    Mit dem zweiten Satz meint Viktoria nach meiner Meinung ihre eigene Stellung schon im Vorgriff auf die Rückkehr ins Heimatland Österreich. Sie möchte, dass Felix nicht zu viel Mitleid mit den ehemaligen Landsleuten hat und sich daran erinnert, dass die den Krieg gewollt haben.

  • Ja. Und es ist eben doch ein Unterschied, ob ich ein paar Fotos oder kurze Filmsequenzen sehe oder wirklich in den Trümmern stehe.

    Was die nicht mehr funktionierenden Abläufe betrifft:

    Das ist wie bei einem längeren Stromausfall heutzutage. Da merkt man auch erst, was alles nicht mehr geht, wenn es soweit ist.

  • Kap. 10 - 11


    Das Telefonat zwischen Felix und seiner Mutter hat mich sehr berührt, auch wenn es sehr kurz war. Erst nach und nach wird deutlich, wie sehr Felix sie vermisst hat. Ich wundere mich, dass vorher so wenig von ihr die Rede war. Sie war das schwarze Schaf in der Familie. Und auch Felix scheint sie aus seinen Gedanken verbannt zu haben, bis jetzt.



    Das Gespräch mit Ribaud (Kap. 11) ist grandios! Für mich ist diese Szene ein, wenn nicht der Höhepunkt in diesem Buch bisher.


    Ich finde Viktoria manchmal sehr egoistisch. Sie erwartet Mitgefühl für das, was ihr widerfahren ist. Aber umgekehrt bringt sie auch keines auf. Sie, die früh dem Wahnsinn entkommen war und keinen Krieg miterlebt hat.


    Ich vermute, dass das tatsächlich damals ein großer Konflikt war zwischen denen, die geflohen sind, und denen, die geblieben sind, alles erlitten haben und natürlich auch schuldig geworden sind.


    Dieser Dialog ist schon krass, als Viktoria Ribaud auf seine Schuld anspricht. Er sagt ihr:

    „Wissen Sie jemanden, der in diesen letzten acht Jahren, seit die Hölle auf diese Welt kam, ohne Verschulden war? … Wenn Sie mir das Geheimnis verraten, wie man schuldlos bleibt, wenn alle Schuld haben, dann werden Sie meine Kenntnisse und meine Achtung vor den Menschen erheblich vermehren.“

    Ribauds psychische Erschöpfung und Resignation wird sehr deutlich bei der Beobachtung der jungen Mutter, die mit ihrem Kind spielt. Während Viktoria diese Szene hoffnungsvoll bewertet: „Das hat Hitler nicht ändern können.“, sagt Ribaud: „Sie irren, selbst das. Es ist nur noch Fassade.“

    Bei diesem Satz fühlte ich mich, als ob man mir mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen hätte.


    Und dann Viktorias Unterstellung, Ribaud hätte das nur gesagt, um Felix an seiner schwachen Seite zu packen. Heftig!

  • Es ist auch nicht entscheidend, ob Felix genaue Informationen hatte. Und sicher habt ihr ganz recht, dass es etwas anderes ist, in den Nachrichten von Zerstörung zu erfahren oder sie selbst zu erleben.

    Aber die meisten der Ausgewanderten haben den Kriegsverlauf und die Zustände in der alten Heimat recht genau gekannt und für mich ist und bleibt Felix total weltfremd.


    Ich vermute, dass das tatsächlichdamals ein großer Konflikt war zwischen denen, die geflohen sind,und denen, die geblieben sind, alles erlitten haben und natürlichauch schuldig geworden sind.

    Dazu gibt es später noch allerhand zu sagen, wäre hier zu früh.


    Viktoria ist eine harte Frau geworden. Ich glaube aber, sie erwartet kein Mitgefühl. Mir ist nicht so ganz klar, warum sie überhaupt nach Europa gekommen ist und vermute, sie ist nur Felix wegen mitgereist.

  • Die ganze Zeit denke ich darüber nach, wie seltsam ich es finde, dass jemand so an seiner Heimatstadt hängt. Ob das eine Generationenfrage ist?

    Wie geht es euch damit?

    Ich denke, es ist aus großer Unterschied, ob man seine Heimat aus eigenem Entschluss verlässt, mit dem Wissen jederzeits zurückkehren zu können, oder ob man vertrieben wird.

    Ich kenne das von den Vertriebenen aus Schlesien, Sudeten etc. Manche haben ihr Lebtag lang nicht damit abschließen können. Sicher spielt da auch das Gefühl der Ungerechtigkeit eine Rolle.

  • Ich kenne das von den Vertriebenen aus Schlesien, Sudeten etc. Manche haben ihr Lebtag lang nicht damit abschließen können. Sicher spielt da auch das Gefühl der Ungerechtigkeit eine Rolle.


    Vielleicht liegt es auch an der größeren Mobilität heutzutage. Ich könnte für mich von einer echten Heimatstadt oder einem Heimatdorf gar nicht sprechen, da wir öfter umgezogen sind.

  • Endlich trifft Felix seine Mutter wieder. Unter diesen Umständen kann es kein unbeschwertes Wiedersehen werden. Spannung liegt in der Luft. Ich denke, wenn beide Frauen gesundheitlich nicht so angeschlagen wären, wären früher oder später die Fetzen geflogen. Doch so gibt es eher Andeutungen. Keines von Felix' Paketen ist angekommen. Umgekehrt hat Felix irgendwann keine Briefe mehr von Anita bekommen. Hatte da jemand die Hand im Spiel, um die Bindung endgültig zu kappen?


    Ich kann verstehen, dass Viktoria nicht gut auf Anita zu sprechen ist. Und für mich ist spätestens jetzt klar, dass sie nur mitgefahren ist, um Felix zu schützen. Sie hat Sorge, dass er noch einmal von seiner Mutter verletzt wird.

    Allerdings habe ich das Gefühl, dass es noch mehr unausgesprochene Dinge gibt.


    Überrascht war ich über die Aussage, dass Anita Herrn von Ardesser seit fast 30 Jahren leidenschaftlich geliebt hatte. Wie alt sind Felix' Schwestern? Es heißt, sie wären im College. Sie sind also sicher jünger als 30.