Thema: Mitgefühl

  • Hallo liebe Miteulen,


    der Thread Flugzeugabsturz und die kleinen und größeren Differenzen darin...und die zum Glück ja jetzt eingetretene allgemeine Beruhigung und Rückkehr zur Sachlichkeit - hauptsächlich durch Toms und Insos Beiträge dazu - hat mich bewogen, mal einen allgemeineren Thread zum Thema Mitgefühl aufzumachen.


    Auch ich hab bei der Eröffnung des Threads durch Branka nämlich erst einmal gestutzt, weil ich mir nicht ganz sicher war, wie es von Branka gemeint sein könne, sich nun ausgerechnet über die Thematik des gewaltsamen Todes von Menschen oder - in erweiterter Form des Todes von Lebewesen an sich - auseinandersetzen zu wollen?


    Bitte nicht falsch verstehen, Branka und vor allem nicht böse, sondern bitte so, wie es gemeint ist...nämlich freundlich interessiert, okay?!... Aber ich habe mich tatsächlich gefragt: "Warum hat man dieses Bedürfnis?" .. und dann weitergehend: "Was genau interessiert, bewegt Dich daran?" ... Läuft Dir da "nur" ganz einfach das Herz über und Du brauchtest - flappsig gesprochen - Seelenhilfe? Interessieren Dich die Beweggründe von Attentätern, Mördern, Terroristen - oder auch ganz allgemein von bis dato scheinbar "normalen" Menschen, die plötzlich "ausrasten"?
    "Wolltest Du Dich eher über die technischen Aspekte mit anderen austauschen?"


    Diese Fragen richten sich selbstverständlich auch an alle anderen Büchereulen, denn ich persönlich neige zu Toms Ansicht, dass es unmöglich ist, das Elend der ganzen Welt auf den Schultern zu tragen und habe mich persönlich vor kurzem entschlossen, dass es mir als einzelnem Menschen schlicht und einfach nur sehr begrenzt möglich ist, Mitgefühl tatsächlich zu empfinden und auch den daraus resultierenden Antrieb zur praktischen Hilfe örtlich begrenzt auf unser näheres, privates Umfeld (Familie, Freunde, Bekannte) zu begrenzen ... eben aus vorgenannten Gründen.


    Damit will ich nicht etwa sagen, dass mir so eine Tragödie sonstwo vorbei geht, aber zum eigenen Selbstschutz muß man es doch in gehörigem Abstand von sich halten ... weil Angst und Mitleiden doch eher lähmt, denn Nutzen bringt.


    Es interessiert mich nun:


    Wie seht ihr das denn?
    Vielleicht mögt ihr ja Eure Meinung dazu abgeben?


    LG :wave
    Ikarus

  • Also, da ich ja durch den Thread „Flugzeugabsturz“ betroffen bin (da ich ihn ja eröffnet habe) möchte ich mich zuerst äußern.
    Zuerst: ich fasse es nicht böse auf Ikarus. Ich hoffe, dass wird durch meine folgenden Zeilen nicht wieder falsch verstanden. Ich bin für Diskussionen immer gern bereit und hoffe einfach darauf, dass diese nicht wieder in Streit ausartet.


    Als ich von diesem Flugzeugabsturz im Radio hörte, war ich sehr betroffen. Ich bekam Gänsehaut als ich hörte, dass so viele Menschen auf einmal umgekommen sind und das scheinbar die Sicherheitsbedingungen bei dieser Airline nicht ausreichend waren.
    Ich brauche keine Seelenhilfe, ich wollte mich mit den anderen hier austauschen über diese Tragödie (was denken andere darüber, weiß jemand wie das passieren konnte, kann jemand meine Betroffenheit verstehen usw). Natürlich wären auch die Hintergründe interessant. Ich war einfach erschüttert, betroffen und traurig, dass so etwas passiert ist, wo es wohl hätte vermieden werden können.
    Im betroffenen Thread wurde erwähnt, dass vieles in der Welt passiert und sich hier immer nur über die Dinge ausgetauscht wird, die in der Presse hochgepusht werden. Es war nicht mein Sinn, irgendeine schlimme Tragödie wie diese noch mehr durch den Wolf zu ziehen oder damit irgendwelche Sensationsgier zu stillen. Ich habe einfach nur vorher im Radio gehört, dass so viele Menschen gestorben sind, dass sie wussten, dass sie sterben werden und das wohl nicht ausreichend darauf geachtet wurde, dass die Maschine sicher ist. Ich hatte in der Tat Mitgefühl mit den Hinterbliebenen und mit den Verstorbenen und ich war einfach nur traurig und wütend über so etwas, weil es hätte vermieden werden können. Ich weiß nicht, warum mein Thread so falsch verstanden wurde... aber ich werde mir in Zukunft besser überlegen, über was ich ein Thema eröffne bzw. zu welchen Themen ich mich überhaupt äußere. Ich fand es unangebracht, in dem Thread zu streiten, denn dazu war er weder gedacht noch geeignet.


    Vor einiger Zeit, da wurde ein Thread eröffnet um die Anschläge in London. Ständig hat betreffender User neue Meldungen gebracht, was ich auch nicht gerade gut fand. Das klang für mich eher nach Sensationsgier (als was mein Thread ja gleich bezeichnet wurde, obwohl meiner Meinung nach kein Anzeichen dafür vorhanden war) und da hat sich auch keiner drüber gestritten, ob hier jemand mit den Betroffenen mitfühlt, ob hier einfach eine Sensation daraus gemacht werden soll oder wie das eigentlich gemeint war. Das war auch ein Thema, dass gleich von der Presse aufgenommen wurde und trotzdem wurde nicht gestritten. Da frage ich mich: Wurde in meinem Beitrag gestritten, weil ich versucht habe, das ganze etwas sensibler aufzunehmen? Wurde es falsch aufgefasst, weil ich sagte, dass ich dadurch betroffen bin (was ja wohl nicht unbedingt gleichzeitig heißen muss, dass ich Hilfe brauche das zu verarbeiten....)? Wurde vielleicht darin gestritten, weil ich in einem vorhergehenden Thread „Die Vernunft einfach ausschalten“ auch falsch verstanden wurde, allerdings durch mit selbst verursacht, und man wollte mich nicht richtig verstehen?


    Ich habe versucht, mich in die Situation der Hinterbliebenen hinein zu versetzen. Vielleicht, weil ich fast keine Familie mehr habe, weil ich fast alle durch den Krieg in Jugoslawien verloren habe (der zwar nichts mit dieser Thematik zutun hat aber wodurch ich besser verstehen kann, wie Hinterbliebene sich fühlen müssen) und dass durch diesen Flugzeugabsturz auch einige Menschen auf der Welt einen Teil ihrer Familie verloren haben. Vielleicht auch, weil es vermeidbar gewesen wäre und ich wütend darüber war, dass erst jetzt, wo etwas passier ist, vielleicht mal mehr darauf geachtet wird so etwas zu abzuwenden. Vielleicht auch, weil ich einfach etwas sensibler veranlagt bin und weil ich nicht nur verstehen wollte, warum das passiert ist, sondern auch, wie es für die Menschen weitergeht die unmittelbar betroffen sind.


    Ich habe das ganze natürlich etwas gefühlsmäßig aufgefasst, weil es in dem Moment so war. Ich war traurig, wütend, enttäuscht und ich wollte mich darüber austauschen. Nicht, um das selbst besser verarbeiten zu können. Ich wollte mich einfach etwas darüber austauschen und wissen, wie andere User hier darüber denken. Sensationsgier war das nicht und ich lade mir auch nicht das Leid der Welt auf meine Schultern. Aber es gibt gewisse Vorkommnisse, die mir sehr nahe gehen, und das war eben auch eines davon. Ich kann und will mich nicht allem gegenüber abschotten um so etwas zu vermeiden. Ich frage mich nun ernsthaft, ob es ein Fehler ist, gewisse Dinge sensibel zu betrachten. Damit lade ich mir nicht das ganze Leid auf das in der Welt passiert, ich interessiere mich für die Hintergründe, versuche das ganze zu verstehen und gedanklich zu verarbeiten. Ich weiß nicht, ob das irgendwer verstehen kann, dass man nicht zu allem, egal was es ist und egal wie sehr es von der Presse erwähnt wird, so viel Abstand entwickeln kann oder diesen Abstand einfach hat.

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Zitat

    Original von Branka


    Ich frage mich nun ernsthaft, ob es ein Fehler ist, gewisse Dinge sensibel zu betrachten. Damit lade ich mir nicht das ganze Leid auf das in der Welt passiert, ich interessiere mich für die Hintergründe, versuche das ganze zu verstehen und gedanklich zu verarbeiten. Ich weiß nicht, ob das irgendwer verstehen kann, dass man nicht zu allem, egal was es ist und egal wie sehr es von der Presse erwähnt wird, so viel Abstand entwickeln kann oder diesen Abstand einfach hat.


    Doch, Branka...das kann ich sogar sehr gut verstehen :knuddel1


    Entschuldige bitte den kleinen (gut gemeinten) Trick von mir, aber ich habe diesen Thread fast nur wegen Dir ... und sensibleren Menschen wie Dir eröffnet, weil ich es notwendig fand und finde, auch diese sensibleren Stimmen hier zum Reden zu bringen.


    Das Forum unter der guten Leitung der Admins hat genug Raum dafür :-)


    Wer das nicht versteht, soll`s halt einfach ignorieren :-)


    Gut so, Branka...nur weiter so, Mädel. Ich denke, das ist der richtige Weg, die eigene Balance zwischen genügend Abstand und Mitgefühl zu finden. :-)


    :wave
    Ikarus

  • Sein Mitgefühl zu äußern ist eine sehr positive Sache, wenigstens in meinen Augen. Wobei man jetzt natürlich nicht Mitgefühl mit Mitleid verwechseln sollte.
    Und warum soll man nicht sein Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer des Absturzes zum Ausdruck bringen? Wo soll denn da die Sensationsgier liegen? Und auch der Hinweis auf sterbende Kinder in Afrika geht doch voll an der Sache vorbei.
    Wenn mein eigenes Kind stirbt, dann bringt mir die Bemerkung, in Afrika sterben täglich Hunderte von Kindern, überhaupt nichts. In einem solchen Moment bin ich ganz einfach nur auf ein Ereignis fokusiert. Darf ich denn nicht mehr mein Mitgefühl und meine Trauer über ein tragisches Ereignis ausdrücken, nur weil noch soviel Furchtbares in der Welt geschieht? Wer sagt denn eigentlich, dass ich nicht an die hungernden Menschen oder andere menschliche Tragödien denke?

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Wer sagt denn eigentlich, dass ich nicht an die hungernden Menschen oder andere menschliche Tragödien denke?


    Ganz genau.


    Branka : Deine Erläuterungen erklären vieles, das eigentlich selbstverständlich ist bzw. sein sollte. Das ist keine Kritik an Dir, sondern an anderen. :wave