Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Die Geschichte von Vigdis und Viga-Ljot könnte heute kaum relevanter sein, obwohl sie vor über hundert Jahren veröffentlicht wurde. Eindrücklich beschreibt die Literaturnobelpreisträgerin Sigrid Undset das Ringen der schillernden jungen Vigdis um Emanzipation und Gerechtigkeit im von Männern und Gewalt dominierten Norwegen der Wikingerzeit. Als der Isländer Ljot den Hof ihres Vaters besucht, verliebt sich Vigdis in den impulsiven Fremden. Ljot aber will nicht auf ihre Entscheidung warten und vergewaltigt sie. Den Sohn, den Vigdis neun Monate später zur Welt bringt, zieht sie allein groß. Auf sich gestellt kämpft sie um ein autonomes Leben – und die Ehre ihrer Familie. Wütend trotzt sie den unzähligen Widerständen, denen sie im patriarchalen System ihres Heimatlandes ausgesetzt ist, und stellt sich nicht nur ihrem Vergewaltiger, sondern auch den Mördern ihres Vaters mutig entgegen. Ein Klassiker der norwegischen Literatur in eleganter Neuübersetzung von Gabriele Haefs Mit einem Vorwort von Kristof Magnusson.
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Sigrid Undset wurde 1882 in Kalundborg/Dänemark geboren. Seit ihrer frühen Kindheit lebte sie in Oslo, bevor sie 1940 vor den Deutschen über Schweden in die USA floh. Nach 1945 kehrte sie in ihre Heimat, nach Lillehammer, zurück, wo sie 1949 starb. 1928 erhielt Undset den Literaturnobelpreis.
Allgemeines
Titel der Originalausgabe: „Fortellingen om Viga-Ljot og Vigdis“, Erstveröffentlichung 1909
Erscheinungstermin der deutschen Neu-Übersetzung von Gabriele Haefs: 4. September 2019 bei Hoffmann und Campe als HC mit 208 Seiten
Gliederung: Vorwort von Kristof Magnusson – 47 Kapitel – Glossar
Erzählung in der dritten Person aus den wechselnden Perspektiven der beiden Titelfiguren
Handlungsorte und -zeit: Norwegen und Island zur Wikingerzeit
Inhalt und Beurteilung
Als der Isländer (Viga-)Ljot mit einem Verwandten nach Norwegen reist, um dort Bauholz zu kaufen, lernt er Vigdis, die Tochter eines wohlhabenden Hofbesitzers, kennen und verliebt sich in sie. Auch Vigdis fühlt sich zu dem gutaussehenden jungen Mann hingezogen, kann sich nach einem Vorfall, bei dem dieser sich als eitel und arrogant gezeigt hat, jedoch nicht durchringen, mit ihm als seine Frau nach Island zu gehen. Daraufhin verliert der jähzornige und impulsive Mann die Beherrschung und vergewaltigt das junge Mädchen. Vigdis verschweigt die aus der Tat entstandene Schwangerschaft und verweigert weiterhin eine Heirat, vielmehr belegt sie Ljot mit Flüchen und kündigt ihm an, dass ihr Hass und ihre Rachegelüste ihn bis ins Grab verfolgen sollen.
Der Roman erzählt im Anschluss an die Ereignisse der verhängnisvollen Nacht das Leben der beiden Titelfiguren über die nächsten achtzehn Jahre. Vigdis will trotz entsprechender Anträge nicht heiraten, sie zieht ihren Sohn Ulvar allein auf und baut nach dem grausamen Mord an ihrem Vater dessen Hof wieder auf. An den Mördern des Vaters nimmt sie höchstpersönlich blutige Rache. Sie ist einerseits ihrer Zeit um ca. tausend Jahre voraus, indem sie ihr Leben unabhängig von einem männlichen Beschützer selbstbewusst und selbstständig gestaltet. Andererseits ist sie auch ihrer Zeit verhaftet; das Christentum beginnt gerade erst Fuß zu fassen, doch die Menschen sind davon noch nicht wirklich durchdrungen, es dominieren noch Vorstellungen von Ehre und Blutrache.
Viga-Ljot ist nach Island zurückgekehrt und hat dort geheiratet, ohne sich seiner Frau Leikny sehr verbunden zu fühlen. Er trauert immer noch Vigdis nach, bemüht sich aber, ein guter Ehemann zu sein. Hier ist der Autorin eine großartige, differenzierte Charakterdarstellung gelungen. Der zunächst eher unreife, selbstgefällige und egozentrische Ljot bleibt zwar impulsiv und schnell mit dem Schwert oder der Axt bei der Hand, wenn er sich beleidigt fühlt, aber er wird auch reifer und reflektiert seine früheren Sünden. Seiner Familie ist kein Glück beschieden und auch sein Wiedersehen mit Vigdis nach vielen Jahren verläuft nicht so, wie er es erträumt hat.
Sehr anschaulich verdeutlicht Sigrid Undset den ausweglosen Konflikt, in dem sich Vigdis´ Sohn Ulvar befindet, der unschuldig in das Drama zwischen seinen Eltern hineingezogen wird.
Der Erzählstil dieses Romans ist – im Gegensatz zu den längeren Romanen „Kristin Lavranstochter“ und „Olav Audunssohn“ - kurz und prägnant, aber dennoch sehr anschaulich und eindrücklich, er entspricht in gewisser Weise dem harten und rauen Leben in Skandinavien um die letzte Jahrtausendwende.
Ein Glossar erklärt Begriffe aus der norwegischen Geschichte, deren Kenntnis beim Leser nicht vorausgesetzt werden kann. Auch das Vorwort von Kristof Magnusson ist sehr lesenswert.
Fazit
Das leider etwas knapp gehaltene, aber dennoch sehr gelungene Frühwerk einer begnadeten Autorin, das schon einen Vorgeschmack auf ihre großen Mittelalterromane gibt, für die sie 1928 den Literaturnobelpreis erhielt!
9 Punkte