Diese dörfliche Enge kommt wirklich sehr gut rüber und das ist mit ein Grund, warum es mir zuerst schwer fiel, in das Buch reinzukommen, ich musste mirerst beim Lesen immer wieder klar machen, dass das Buch zumindest zum Teil in einer anderen Zeit spielt, die mit meinem Dorfleben nicht zu vergleichen.
Liegt denn die empfundene Enge wirklich am Dorfleben oder einfach an der Zeit, die noch keine individuelle Entfaltung, wie wir sie heute gewöhnt sind, kennt? Ich glaube, wenn das Buch im Arbeitermilieu in der Großstadt spielen würde, gäbe es die gleichen oder zumindest ähnliche Probleme (gerade was die Geringschätzung höherer Bildung angeht). Oder - dann umgekehrt - wären wir in der "gebildeten" Schicht würde der Wunsch des Sohnes nach einer Mauerer-/Bauer- oder Gastwirtlehre sicher genauso geringschätzig abgetan. Für mich ist das einfach eine ganz andere Zeit mit ganz anderen (sehr klaren) Vorstellungen für den Nachwuchs.
Das stimmt, es wird nichts idealisiert aber auch nicht verdammt. Eigentlich empfinde ich ihren Erzählstil was das betrifft, ziemlich neutral.
Genau das mag ich hier so sehr. Es wird nicht in schwarz oder weiß gedacht, sondern einfach so geschildert, wie es gewesen sein könnte. Und da war manches schwarz, manchen weiß und sicher vieles dazwischen. Aber man kann die Wertung auch einfach weglassen und es nur "wahrnehmen". Das macht Dörte Hansen ausgezeichnet!
In dem Sinne finde ich auch den Lehrer wesentlich weniger negativ als ihr. Er war ein Kind seiner Zeit und Schläge gehörten damals (leider) ganz selbstverständlich dazu. Ich denke schon, dass ihm die ihm anvertrauten Kinder am Herzen lagen und er sich bemüht hat, ihnen möglichst viel beizubringen, was sie weiterbringt in ihrem Leben. Ganz viel Heimatkunde, aber auch viel praktisches. Und er hat wohl Ingwer aufs Gymnasium geschickt - auch keine Selbstverständlichkeit unter den schwierigen Umständen. Weil die Pfarrer angesprochen wurden - viele Kollegen so um das Rentenalter erzählen, dass sie als "Dorfkinder" nur durch die Vermittlung des Pfarrers aufs Gymnasium geschickt wurden.