Wild & Wise: Clevere Lektionen von den Underdogs der Natur - Dixie Wills

  • Dixie Wills: Wild & Wise: Clevere Lektionen von den Underdogs der Natur, OT: The Wisdom of Nature. Inspiring Lessons oft he Natural World to make Life more or less bearable, aus dem Englischen von Claudia Arlinghaus, München 2019, Knesebeck-Verlag, ISBN 978-3 95728 325 2, Harecover, 160 Seiten, farbige Illustrationen von Katie Ponder, Format: 14,4 x 2,3 x 19,2 cm, Buch: EUR 15,00.


    „Mensch: Hominide, Zweibeiner; einer der gefährlicheren Menschenaffen. Der Mensch betrachtet sich gern als das klügste Lebewesen auf dem Planeten, schließlich heißt er mit wissenschaftlichem Namen Homo sapiens. Dennoch ist er unfähig, das [sic] Apostroph korrekt zu setzen, gehobene Ämter mit vernünftigen Vertretern seiner Art zu besetzen oder einen veganen Käse herzustellen, der auch nur im Entferntesten nach Käse schmeckt.“ (Seite 153)


    Zunächst einmal: Der Trend, englischsprachige Originaltitel für den deutschsprachigen Markt mit einem anderen englischen Titel zu ersetzen, kann mich nicht so recht überzeugen. Das ist doch ein fürchterliches Denglish! Vielleicht wollte man in diesem Fall aber auch darauf hinweisen, dass der Autor Brite ist. Die kriegen solche schrägen Konzepte offenbar besonders gut hin.


    70 Porträts unbeliebter Tiere

    70 Kurzporträts ziemlich unbeliebter Tiere, Pflanzen, Pilze und Naturerscheinungen hat der Autor hier zusammengetragen. Er zeigt uns, was wir von diesen Lebewesen und Phänomenen lernen können, auch wenn sie giftig, gefährlich, lästig oder hässlich sind – oder einfach nur unterschätzt werden.


    Zugegeben: Die Lehren für die Menschheit sind eher ein Jux als Lebenshilfe. So steht bei der Zecke: „Du gewinnst keine Freunde fürs Leben, wenn du dich durch selbiges schnorrst und jeder Zufallsbekanntschaft einen Infekt anhängst. Bleibende Erinnerung allerdings ist dir gewiss.“ (Seite 35) Ach was? - „Das Tier, das du verfluchst, weil es deine Kabel anknabbert, heißt Steinmarder. So viel Zeit muss sein.“ (Seite 114) Das bringt uns im Alltag auch nicht weiter.


    Wir lesen und staunen

    Aber die Fakten in den Kurzporträts scheinen sauber recherchiert zu sein. Nun bin ich keine Biologin. Ich kann die Texte hier nur mit dem vergleichen, was ich in den vergangenen Jahrzehnten über Tiere und Pflanzen usw. gelesen habe. Und so erfahren wir und staunen:

    • Wanderratten sind sehr sozial und auf Sauberkeit bedacht. Sie verfügen über ein exzellentes Gedächtnis und einen ebensolchen Orientierungssinn. Dank ihrer Intelligenz und ihrer feinen Spürnase kann man sie sogar zum Aufspüren von Landminen einsetzen. Wanderratten haben sämtliche Erdteile außer der Antarktis besiedelt und zählen damit aus Sicht der Evolution zu den erfolgreichsten Säugetieren der Welt. Nicht schlecht für jemanden aus der Gosse!
    • Regenwürmer sind, wenn man ihre Größe in Betracht zieht, tausend Mal so stark wie der Mensch. Und wenn ihr Hinterende verletzt wird oder abhandenkommt, können sie es regenerieren.
    • Landasseln können Schwermetalle in ihren Körpern einlagern in einer Konzentration, die für Menschen hochgiftig wäre.
    • Floh: Hätte der Mensch eine vergleichbare Sprungkraft wie der Floh, könnte er aus dem Stand über den Berliner Fernsehturm hüpfen.
    • Stechginster enthält leicht brennbare Öle. Das klingt nach einem Problem, wenn denn mal ein Feuer ausbricht. Aber genau dieses Öl sichert der Pflanze im Notfall das Überleben. Brandstiftung mit System!
    • Rabenkrähen „(…) verfügen über etwa dieselben geistigen Fähigkeiten wie ein Mensch. Da allerdings menschliche Aktivitäten neuerdings zu neunzig Prozent darin bestehen, Essen zu fotografieren, um die Fotos ins Internet hochzuladen, ist dieses Kompliment vielleicht gar nicht so groß.“ (Seite 59)

    So erfahren wir Seite für Seite Interessantes und auch mal Nebensächliches über Ackerwinde, Blitz und Knollenblätterpilz, über Ameise, Mensch und Zecke und vieles andere mehr.


    Wenn jedes Tierporträt eine Seite Text und eine ganzseitige Illustration umfasst, kann das Wissen nicht allzu sehr in die Tiefe gehen. Die Beiträge sind kurz, wissenschaftlich inspiriert, mit einem Augenzwinkern geschrieben und unterhaltsam.


    Zauberhafte Illustrationen

    Katie Ponders Illustrationen sind eher künstlerisch als wissenschaftlich exakt – und sie sind wunderschön. Hat jemals ein Mensch Kleidermotten und Quallen, Wattwurm oder Bremse zauberhafter in Szene gesetzt als sie? Ich kann es mir nicht vorstellen! www.katieponderillustration.com


    Was ich mir hingegen sehr gut vorstellen kann: Wie die Übersetzerin bei manchen Texten geschwitzt hat. Wenn sich der Beitrag an einem umgangssprachlichen Begriff aufhängt, der im Deutschen in diesem Zusammenhang nicht gebräuchlich ist, wie z.B. hier beim Siebenschläfer, muss man sich schon sehr winden, damit das in der Übersetzung noch einen Sinn ergibt.


    Wie gesagt: Der Erkenntnisgewinn aus dieser Lektüre ist vorhanden aber er ist nicht gigantisch. Der Unterhaltungswert ist deutlich höher, und die Illustrationen sind überaus ansprechend. Tier- und Naturfreunden mit Hang zum Skurrilen ist WILD & WISE durchaus zu empfehlen.


    Der Autor

    Dixe Wills ist Autor, Reiseschriftsteller und Radiomoderator. Er schreibt unter anderem für den Guardian, den Observer, Countryfile und LandScape und hat regelmäßige Sendungen auf BBC Radio. Er hat bereits die Bestseller Tiny Island, Tiny Stations und Tiny Histories verfasst. Er lebt und arbeitet in London.


    ASIN/ISBN: 3957283256

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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