Die Frau im Seidenkleid - Sonia Velton

  • "Die Frau im Seidenkleid" von Sonia Velton erschien (HC, gebunden) 2019 im Goldmann-Verlag und hat 410 Seiten, die sich zu lesen lohnen:


    Inhalt:


    "London im 18. Jhd.: Esther, Ehefrau eines hugenottischen Seidenwebers, führt ein privilegiertes und doch sehr eingeschränktes Leben, das von rigiden Moralvorstellungen beherrscht wird. Heimlich rebelliert sie, sucht sich kleine Freiheiten: Gegen den Willen ihres Mannes entwirft sie eigene Seidenmuster; setzt sich sogar selbst an den Webstuhl. Zudem hat sie die junge Sara ins Haus geholt, die sie aus dem Hurenhaus gerettet hat und von deren Vergangenheit niemand wissen darf. Als sich die Situation im Haus des Seidenwebers dramatisch zuspitzt, sind die beiden Frauen über alle Standesgrenzen hinweg aufeinander angewiesen..." (Quelle: Buchrückentext)


    Meine Meinung:



    In diesem wunderschönen, durch kurze Kapitel geprägte und in der jeweiligen Ich-Form geschriebenen historischen Roman geht es um Esther Thorel, der Frau eines hugenottischen Seidenwebers, die an einem regnerischen Tag zufällig Sara kennenlernt, die nach ihrer Ankunft in London im Wig & Feathers zuerst unter Opium gesetzt und dann zur Prostitution gezwungen wird. Eines Tages schickt Esther dem jungen Mädchen eine Bibel, die nach vielen Wochen ohne Beachtung eines Tages aufgeschlagen wird: Sara möchte Mrs. Swann, die sie wie eine Leibeigene hält (ebenso wie ihre anderen "Töchter") entfliehen und fragt bei Esther Thorel nach einer Stelle als Dienstmädchen nach....


    Ab diesem Zeitpunkt verweben sich die Schicksale der beiden unterschiedlichen Frauen, die aus zwei verschiedenen Welten kommen: Während es Esther an nichts fehlt, da ihr "gottesfürchtiger" Ehemann zu den besten Seidenwebern Londons zählt, hat Sara eine Welt des Elends ,der Armut und der Abhängigkeit kennengelernt. Sie entpuppt sich jedoch als intelligent und ihr entgeht nicht, dass auch im Hause Thorel nicht alles so ist, wie es sein sollte. Besonders Elias Thorel ist nicht so gottesfürchtig, wie er es vorgibt, zu sein.... Als Sara Esther die Augen öffnet, entwickelt sie ohne Absicht einen Flächenbrand im Hause Thorel; auch ist Sara nicht entgangen, dass die Dienstherrin viel Zeit in der Mansarde verbringt, wo der Geselle Bisby Lambert sein Meisterstück an einem Webstuhl der Thorels weben darf: Als er das Talent von Esther entdeckt, weiht er sie in die Kunst ein, Muster und Farben auf die Sprache des Webstuhl übertragen zu helfen - und hilft ihr dabei, im Gegensatz zu ihrem Mann Elias, ihren Herzenswunsch zu erfüllen: Eigene Entwürfe aus Seide zu weben!


    Mit großer Sensibilität und sprachlich einfachen Formulierungen schildert die Autorin die Welten, aber auch die Gefühlswelten der beiden Protagonistinnen, die Stärken und auch Verletztheiten, die beide ausmachen. Auch Charaktere wie Elias Thorel und der Geselle Bisby Lambert werden sehr fein gezeichnet wie auch die harte Welt der Mittellosen dargestellt wird, die in dieser Zeit schnell in Abhängigkeiten geraten können, aus denen es kaum einen Ausweg gibt. Die Aufstände der Webergesellen, die zu kargen Löhnen viele Stunden für die Meister schuften mussten, Armut und Elend sowie Kinderarbeit im ausgehenden 18. Jahrhundert werden ebenfalls gut recherchiert und thematisiert. Durch einen Verrat Sara's entsteht ein Flächenbrand im Hause Thorel, der sich in einer Nacht dramatisch zuspitzt, in der Sara selbst Hilfe benötigt....


    Stilistisch und inhaltlich fand ich den Roman sehr stimmig; durch die kurzen Kapitel und einfache Sprache würde er sich auch durchaus als historischer Roman für Jugendliche ab ca. 16 Jahren eignen, die sich für historische Begebenheiten und die Seidenweberei interessieren.


    Fazit:


    Ein berührender, spannender und fesselnd-unterhaltsam geschriebener historischer Roman, dessen Hauptprotagonistin Esther Thorel eng an die historische Person Anna Maria Garthwaite angelehnt ist, die als führende Seidendessinateurin im 18. Jahrhundert in Spitalfields/London lebte. Ein Roman um Standesunterschiede, Weberaufstände und sensibel angelegten Figuren, deren Schicksal man fiebernd begleitet. Ein überzeugendes Début von Sonia Velton, das von mir die volle Punktzahl und 5* erhält!