Obwohl, so ganz buchfrei doch wieder nicht, wenn man in Erwägung zieht, daß ein “paniertes Buch” besser geschmeckt haben könnte.
Tatort: ein schickes Restaurant in Noordwijk/NL direkt am Boulevard mit Aussicht auf das Meer. Mein holder Göga und ich haben uns anläßlich unseres 15. Hochzeittages hier eingefunden. Man gönnt sich ja sonst nicht so viel.
Das Vorgericht war köstlich und verspricht so einiges. “Wenn der Rest nur 99% so gut ist, sind wir schon zufrieden”, meint WimWattwurm lobpreisend zu der Bedienung.
Ach, hätte er doch nur geschwiegen.
Wiener Schnitzel habe ich bestellt. Trotz meiner schlechten Erfahrungen mit Schnitzeln in den Niederlanden; egal, ob man sie als Schnitzel, Snitzel oder Sjnitsel anbietet, sie haben normalerweise eines gemeinsam: sie sind nicht zu essen. Zu dick, zu zäh, zu sehnig, verkehrt paniert, verkehrt gebraten, verkehrt garniert.
Allerdings, so ein Nobelrestaurant wird doch wohl wissen, wie man ein richtiges Wiener Schnitzel macht, denkt Wilma in ihrer Unschuld und im vollsten Vertrauen auf die holländische ‘Haute Cuisine’. Kalbfleisch steht schließlich noch dabei, also wird das wohl “the real thing” sein.
Kurz und gut: nach einer angemessenen Verdauungspause erscheinen die Hauptgerichte. Schon beim Anblick des blaßen leblosen Etwas auf meinem Teller beginnen sich leise Zweifel an meiner Wahl zu melden und neidig schiele ich nach der “gesund” aussehenden Seezunge auf Wims Teller.
Leider schmeckt das Wiener Ungeheuer genauso fade wie es aussieht. Das Fleisch ist einwandfrei zu dick und die Panade besteht aus einem Brei aus Semmelbröseln und Butter. Auch der Salzstreuer kann das Ganze nicht schmackhafter machen. Mit Sehnsucht denke ich an die knusprigen Riesenschnitzel in den Wiener Beiseln und esse tapfer weiter. Besser wird es jedoch nicht, im Gegenteil. Das Ding wird gegen das andere Ende zu immer dicker und, scheinbar auch immer “roher”, denn wie ich jetzt auch trotz der schummrigen Beleuchtung sehe, wird das Fleischinnere immer rosafarbener. ‘Okay, Wilma, zick nicht rum, du bist hier nicht in Wien’, versuche ich optimistisch zu bleiben. Als ich jedoch ein rotes Blutgerinnsel in meinem Festschmauß erspähe, wird es mir zu viel.
“Ober, schauen sie sich das mal an!”
Der junge schlaksige blonde Ober kniet sich an unseren Tisch und begutachtet das Objekt meiner Aufregung und verschwindet schließlich mit dem Teller Richtung Küche.
Nach zehn Minuten kommt er zurück.
“Mevrouw”, berichtet er mir, “der Koch sagt, ein Kalbschnitzel muß von innen noch rosa sein. Wahrscheinlich sind Sie Schweineschnitzel gewöhnt, da ist das nicht so.”
Das muß ich jetzt erst mal verdauen. Sehe ich so aus, als ob ich mir nur Schwein leisten kann? Frechheit!
Ob sich das mit dem rosa so gehört oder nicht ist mir außerdem schnurzegal. Ich weigere das Ding weiterzuessen und Blondie verflüchtigt sich samt Teller.
Eine andere Bedienung kommt mit der Karte für die Nachspeisen.
Wim hat sich inzwischen von meiner Irritation anstecken lassen und verlangt nach dem Manager.
Dieser erscheint nach fünf Minuten und wir versuchen, ihm das Problem zu erklären. Auch er behauptet, Kalbschnitzel müsse rosa sein. Mein verzweifeltes “aber doch nicht mit Blutgerinnseln drin” bringt ihn schließlich zur Einsicht. Nein, das sei nicht normal, pflichtet er mir bei, und er habe das Schnitzel leider nicht mehr gesehen, da es schon in den Abfalleimer gewandert war.
Um zum Schluß zu kommen: Mein Schnitzel kam nicht auf die Rechnung, wir durften uns auf Kosten des Hauses ein Nachgericht aussuchen und der Kaffee war auch gratis.
Eines aber habe ich gelernt: in NL nie wieder Schnitzel!
Und jetzt meine Frage an euch: Bin ich zu zimperlich gewesen, gehört es sich für ein Kalbschnitzel wirklich, daß es noch blutet? Oder.......?