National Theatre Live: ALL ABOUT EVE
Live-Übertragung aus dem Noel Coward Theatre in London am 11.04.2019, Regie Ivo van Hove
Das Theaterstück basiert auf der Kurzgeschichte "The Wisdom of Eve" von Mary Orr. 1950 wurde diese von Joseph L. Mankiewicz mit Bette Davis in der Hauptrolle verfilmt.
In der Geschichte geht es um Margo Channing und Eve Harrington. Margo ist eine gefeierte Bühnen-Diva und benimmt sich auch so. Sie kommandiert jeden herum, sieht nur sich selbst und ist ein Leben im Luxus und mit Menschen, die sie bedienen und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, gewöhnt. Eve ist ihr "Stage-Door-Groupie". Sie verehrt Margo und sieht sich jeden Tag das Stück an, nur um zu beobachten, wie ihr Idol das Theater betritt und verläßt. Hier trifft sie eines Tages auf Margo's Freundin Karen, die sie zu ihr bringt - und obwohl Margo nichts für Menschen wie Eve übrig hat, läßt sie sich dazu überreden, Eve bei sich aufzunehmen. Fortan ist Eve, die die Bühne genau so sehr liebt wie Margo, ihr Mädchen für alles.
Alles läuft gut, bis Margo den Verdacht hegt, dass Eve nicht nur alles im Leben für sie regelt, sondern dass sie es nun auch noch auf ihren 8 Jahre jüngeren Lover Bill abgesehen hat. Margo hat ein großes Problem mit dem Alter, trägt eine Langhaarperücke, um jünger zu wirken, und ist der Meinung, noch locker eine Rolle spielen zu können, die für eine 30-jährige geschrieben wurde, ob wohl sie gerade 50 Jahre alt geworden ist. Dazu kommt nun die Angst, ihren Freund an eine Jüngere zu verlieren. Und obwohl dieser ihr wiederholt versichert, da wäre nichts zwischen ihm und Eve, kann sie ihm nicht glauben. Sie läßt seine Geburtstagsparty eskalieren, weil sowieso alle gegen sie sind, da ist ja auch das dann schon egal. Ihre Freunde beschließen, ihr einen Denkzettel zu erteilen, weil es so nicht weitergehen kann. Als Karen dann aber mit Margo im Auto sitzt, das ohne Benzin liegengeblieben ist, zeigt sich ihr eine ganz andere Margo...
... und Karen entdeckt auch eine andere Seite an Eve: Eve möchte wie Margo SEIN und tut alles dafür. Absolut alles.
Es war das erste Mal, dass ich im Kino ins Theater gegangen bin und ich bin bis heute restlos begeistert. "Mittendrin statt nur dabei" paßt irgendwie.
Schon beim Betreten des Kinosaals wurde ich mit in das Gefühl hineingezogen, im Theater zu sein. Auf der Leinwand lief bereits ein Livebild, auf dem man sehen konnte, wie das Publikum im Theater seine Plätze suchte und fand, und im Kino gab es dazu Orangensaft oder einen Sekt - je nach Gusto. Zu Beginn der Übertragung erwartete mich eine freundliche Moderatorin, die uns über darüber informierte, was National Theater Live macht und die "upcoming events" vorstellte, bevor ein Kurzfilm, in dem der Regisseur und die Schauspieler zu Wort kamen, uns auf das Stück einstimmte.
Danach folgten 130 Minuten, die mich fest im Griff hatten. Gebannt folgte ich der Geschichte, es war keine Minute langweilig und die Art der Inszenierung war sehr interessant. Das Stück spielt auf der Bühne sowie "Backstage", das sind Räume, die der Zuschauer nur auf einer Leinwand über den Köpfen der Schaupieler sieht. So erlebt man z.B. mit, wie sich Margo ihre 5 Martinis "backstage" im Badezimmer wieder durch den Kopf gehen läßt, während im Vordergrund auf der Bühne ihre Freunde über sie herziehen.
Dazu kommen gelungene Dialoge, Wortgefechte, Sarkasmus in jeder Form und hier und da eine winzige Slapstick-Einlage, die den Zuschauer schmunzeln läßt. Als Bonbon bekommt man Gesangseinlagen der beiden Hauptfiguren Margo und Eve dazu.
Die Schauspieler waren großartig. Allen voran Lily James (Eve) und Gillian Anderson (Margo), die sich auf der Bühne so grandios angezickt haben - nur um sich beim Schlussapplaus wieder lachend und strahlend in den Armen zu liegen.
Für mich war das ein Abend, der sicher noch lange in mir nachhallt. Es war schon immer ein Traum von mir, Gillian Anderson einmal auf der Bühne zu sehen und es hat sich wirklich gelohnt. Was ich hier zu sehen bekam, war -in positivem Sinne - weit weg von dem, was ich aus Film und Fernsehen kenne. Theater ist eben anders und man sieht ihr deutlich an, dass sie für das "brennt", was sie da tut. Mit Leidenschaft und mit ganzem Herzen.
Und dass ich hier eine Lily James noch dazu bekam, war die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.
Bei der nächsten Gelegenheit kann ich dann hoffentlich nach London fahren (was diesmal leider nicht geklappt hat) und dann werde ich mich für ein Autogramm als "Stage-Door-Groupie" versuchen...