Titel: Verschlusssache Karlsruhe. Die internen Akten des Bundesverfassungsgerichts
Autor: Thomas Darnstädt
Verlag: Piper
Erschienen: November 2018
Seitenzahl: 411
ISBN-10: 3492058752
ISBN-13: 9783492058759
Preis: 24.00 EUR
Recht und Politik berühren sich auf die eine oder andere Art immer. Aber wohl kaum ein Rechtsgebiet ist dermaßen von der Politik durchzogen wie das Verfassungsrecht.
Für mich gibt es kaum ein interessanteres Rechtsgebiet als eben dieses Verfassungsrecht – gefolgt vom Verwaltungsrecht.
Thomas Darnstädt hat ein interessantes und durchaus auch spannendes Buch geschrieben. Man muss auch nicht Jura studiert haben um das was er dort aufgeschrieben hat auch zu verstehen – allerdings schadet ein Jurastudium auch nicht.
Die Akten des Bundesverfassungsgerichts sind natürlich nicht frei zugänglich – aber jetzt wurden die Archive in Bezug auf ältere Verfahren geöffnet.
Das Gericht hatte nach Gründung der Bundesrepublik kaum Bezugspunkte, keine Orientierungslinien – alles musste mühsam erarbeitet werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Gerichten waren die Richter des Bundesverfassungsgerichts unbelastet aus der Zeit des Dritten Reichs in das höchste deutsche Gericht gewählt worden. Übrigens keine Selbstverständlichkeit bei den anderen deutschen Bundesgerichten.,
Thomas Darnstädt hat sich um Objektivität bemüht – auch wenn ihm das nicht immer gelungen ist. Das wird ganz deutlich bei seiner Schilderung des Verfahrens um das KPD-Verbot. Unterschwellig lässt er durchblicken, dass dieses Verfahren eher auf der politischen als auf der juristischen Ebene durchgeführt wurde. Manchmal übertreibt er es hier mit seiner Gerichtsschelte – meinte er doch einen zu großen Einfluss der Politik auf das Verfahren bemerkt zu haben.
Natürlich versuchte die Adenauer-Regierung hier massiv das Gericht zu beeinflussen – aber letztendlich lag die Entscheidung beim Gericht und nicht bei der Bundesregierung. Und die Richter waren erfahren genug, sich hier nicht „anweisen“ zu lassen.
Es war eben nicht einfach, die verfassungsrechtlichen Pflöcke für das Grundgesetz einzuschlagen. Wie bereits gesagt, hatte das Bundesverfassungsgericht keinerlei Orientierungspunkte. Entscheidungen des Reichsgerichtes konnten nicht zur Hilfe herangezogen werden. Die Richter waren auf sich allein gestellt. Und auch unter ihnen gab es – wie bei Juristen üblich – sehr viele unterschiedliche Ansichten – frei nach dem Motto: Vier Juristen, sechs Meinungen.
Dieses Buch zeigt aber auch wie schwer es ist – entgegen landläufiger Meinung – Entscheidungen zu treffen, die dem Wesen des Grundgesetzes auch gerecht werden. Alles musste von allen Seiten beleuchtet und geprüft werden. Gerade auch die Frage der Gleichberechtigung, des Schwangerschaftsabbruches, die Fragen wie mit Polit-Intrigen zu verfahren ist (SPIEGEL-Affäre beispielsweise), das Adenauer-Fernsehen – haben gezeigt, wie unglaublich schwer es ist, Verfassung und Verfassungswirklichkeit in einen Kontext zu bringen. Denn über allem thronte das reale Leben von Millionen Bundesbürgern.
Diesen Menschen musste das Grundgesetz gerecht werden – war das Grundgesetz doch die oberste Regel über das Zusammenleben der Menschen in diesem Land und die oberste Regel über das Funktionieren des Staates insgesamt.
Thomas Darnstädt hat ein sehr lesenswertes Bund über die Hüter unserer Verfassung geschrieben, ein Buch über die Arbeit und die Entscheidungsfindung des Bundesverfassungsgerichts, ein Buch von einem Juristen, ein Buch aber eben auch für juristische Laien. 8 Eulenpunkte