Klappentext
Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau
Der Autor
Joël Dicker wurde 1985 in Genf geboren. Nach den Weltbestsellern »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert« und »Die Geschichte der Baltimores«, die sich weltweit mehr als 6 Millionen mal verkauften, ist dies Joel Dickers dritter ins Deutsche übersetzte Roman. Für »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert« bekam Dicker den Grand Prix du Roman der Académie Française zugesprochen sowie den Prix Goncourt des Lycéens. Seit seinem Erscheinen im März dieses Jahres steht »Das Verschwinden der Stephanie Mailer« auf Platz 1 der französischen Bestsellerliste.
Ich liebe es, wenn mich ein Buch sofort ab der ersten Seite in seine Geschichte zieht und fesseln kann. Lange Einstiege oder erstmal seitenlanges Vorstellen der Personen und der Leben mag ich nicht. Hier geht es jedenfalls gleich los. Wir bekommen gleich einen Mord an 4 Menschen geschildert, der 1994 in einer kleinen idyllischen Stadt in den Hamptons geschah. Er wurde aufgeklärt von zwei jungen Polizisten. Einer von ihnen, Jesse Rosenberg, möchte nun, 20 Jahre später, in seinen vorzeitigen Ruhestand gehen. Er wird der Hundertprozentige genannt, denn er hat jeden Fall in seiner Karriere erfolgreich aufgeklärt. Umso erstaunter ist er, als sich auf seiner Pensionsfeier ihm eine junge Frau vorstellt und behauptet, dass er in seinem ersten Fall, dem besagten Vierfachmord, nicht den richtigen Täter gefunden hat. Das lässt Jesse keine Ruhe. Und so verbringt er seine letzten Tage im Dienst nicht mit Kaffeetrinken sondern dem Stöbern in alten Akten. Als dann die junge Frau spurlos verschwindet ist ihm klar, dass damals wirklich etwas schiefgelaufen ist.
Joel Dicker hat mich vor einigen Jahren mit seinem Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ total umgehauen. Mir hat das Buch sensationell gut gefallen und ich habe es unzählige Male anderen Lesern aufgedrängt. Aus irgendwelchen undefinierbaren Gründen habe ich aber „Die Geschichte der Baltimores“ immer noch auf meinem SuB liegen. Als ich die ersten Seiten von „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ las, hat mich die Geschichte sogleich gefesselt. Er hat sich eine verzwickte und verschachtelte Geschichte ausgedacht, die es langsam aufzudröseln gilt. Dafür fährt er einiges Personal auf und macht immer wieder Zeitsprünge und wechselt die Perspektive. Leider übertreibt er manchmal etwas und ist auch nicht konsequent. Wenn z.B. über einem Kapitel „Jesse Rosenberg“ steht, so lesen wir nicht immer nur aus seiner Sicht. Es kann auch sein, das es Einschübe von anderen Personen gibt und wir lesen, was sie gerade machen obwohl Jesse das gar nicht wissen kann. Zudem schiebt er auch gerne kurze Rückblenden ein, wenn eine Person über die Vergangenheit redet. Anstatt in Interaktionen die Geschichte zu erzählen kommt plötzlich eine kurze Rückblende ins betreffende Jahr und wir erleben die Szene. Für mein Empfinden unterbrach es meinen Lesefluss und ich habe den Sinn nicht ganz verstanden. Die Story wird dadurch ein wenig sprunghaft. Im Laufe der Zeit wurde das manchmal etwas unübersichtlich und ich hatte auch Probleme, die vielen Personen, die mal mit Vornamen, mal mit Nachnamen oder, falls vorhanden, mit Titel bezeichnet werden auseinander zu halten (ein Tipp: es gibt ein Personenregister am Ende; dummerweise habe ich das erst nach der Hälfte des Buches gesehen).
Ein richtiger Negativpunkt sind für mich aber tatsächlich die Dialoge. Sie klingen alle etwas aufgesetzt und es wird auch nicht wirklich richtig miteinander gesprochen. Zudem driften sie oft ins Komische ab. Sie sind flapsig und einige Figuren sind vollkommen überzeichnet und agieren fast satirisch. Das Buch hat ein ernstes Thema, Mord. Mehrere Menschen werden getötet und zuerst ist der Ton auch ernsthaft wie in den meisten Krimis. Aus mir unbekannten Grund lässt Dicker seinen Ton dann ins Comichafte umschlagen. Das hat mich etwas irritiert.
Ich bin etwas zwiegespalten mit meiner abschließenden Meinung zu dem Buch. Die Story ist nicht schlecht und die ganzen Verwicklungen schwer zu durchschauen. Allerdings hatte ich gleich zu Anfang das richtige Gefühl, was die Polizei denn damals übersehen haben könnte. Das wiederrum macht Jesse und seinen Partner nicht zu den brillanten Ermittlern, als die sie das ganze Buch hindurch dargestellt werden. Im Grunde haben sie die ganze Zeit keinen Plan, wer wann wo was gemacht hat und lassen sich auch ständig überrumpeln. Sie erscheinen mir mehr chaotisch als gute Ermittler. Auch hat mich der über weite Teile unpassend flapsige Ton in den Dialogen etwas gestört. Trotzdem meiner Kritikpunkte lassen sich die über 600 Seiten leicht weglesen und machen es zu einem kurzweiligen Leseerlebnis. Für mich kommt dieses Buch aber nicht an „Harry Quebert“ heran.