Holzfällen - Thomas Bernhard

  • Der Ich Erzähler ist Gast des Ehepaars Auersberger, das zu einem künstlerischen Abendessen geladen hat. Bei diesem Abendessen versammelt sich ein Großteil der Künstler Wiens um gemeinsam auf einen gefeierten Burgtheater Schauspieler zu warten.
    Der Ich Erzähler ist während dieses Treffen von den anderen isoliert und beginnt sich über alle Teilnehmer des Abendessens Gedanken zu machen und zerlegt praktisch alle Charaktere und ihre Scheinexistenz als Künstler.


    Dabei tauchen immer wieder die für Bernhard typischen Themen auf, wie Selbstmord, Krankheit, sinnloses Leben, Kritik am Staat Österreich, Kritik an Kirche und vor allem Kritik an Künstlern, insbesonders geht er dabei auf das Burgtheater ein.
    Der Roman ist in einem durch geschrieben: kein Kapitel, kein Absatz. Teilweise finden sich Sätze, die über eine ganze Seite gehen und sehr verschachtelt geschrieben sind. Immer wieder finden sich Refrainartige Wiederholungen bestimmter Phrasen.
    Der Ich Erzähler interpretiert und kommentiert die anderen Gäste, geht dabei auf die gemeinsame Vergangenheit ein und macht sich in gewisser Weise über Leute lustig, die vorgeben etwas anderes zu sein als sie sind.


    Mir hat das Lesen dieses Romans sehr viel Spaß gemacht. Es war interessant zu lesen, wie sich langsam das Gespräch entwickelt und worauf alles hinausläuft. Nach und Nach erfährt der Leser immer mehr über die Personen und kennt dann am Ende die Biographie der wichtigsten Charaktere. Vor allem die Biographie des Ich Erzählers weist viele Parallelen zur Biographie Bernhards auf.


    Am Ende zeigt sich Bernhard fast versöhnlich: seine harte Kritik an Österreich wird schließlich durch die Meinung, dass es eigentlich in Österreich nicht schlechter ist, sondern das nur die Österreicher kritischer sind, abgemildert.

  • Hallo Taciturus!


    Das Buch hatte ja damals in Österreich sehr viel Staub aufgewirrt, es war ja sozusagen ein Skandal (war es nicht so, dass sich jemand in der Familie Auersberger wiedergesehen hatte????)


    Ich mag Thomas Bernhard sehr gerne, habe aber erst "Heldenplatz" und "Die Ursache" gelesen.


    Danke für den tollen Tipp!!


    Liebe Grüße!

  • Genau kann ich es nicht sagen, dazu bin ich noch zu jung. Aber bei uns kommen in den Nachrichten immer so ausschnitte, was an dem tag vor x jahren passiert ist und da war einmal dabei, dass sich jemand im Buch Holzfällen beschrieben gesehen hat und dann auch gegen die Veröffentlichung geklagt hat.
    Wer genau das war weiß ich nicht. ich werde dann aber einmal suchen gehen ob ich dazu noch was finde.


    Heldenplatz habe ich auch schon gesehen (Video vom Burgtheater) und hab es dann auch gelesen. Hat mir auch sehr gut gefallen. Dazu gab es dann ja auch einen handfesten Skandal und Kronenzeitung hat mit Haider die Ausweisung Bernhards aus Österreich gefordert.


    Seine 5 teilige Autobiographie hab ich auch schon im Schuber dastehen. Wird bald dran kommen.


    mfg


    edit: hab gerade etwas interessantes zum Medienrummel um Holzfällen gefunden. hab es bis jetzt nur überfolgen, scheint aber recht informativ zu sein.


    hier der link: Rezeption von Holzfällen - Eine Erregung

  • Bernhards Hassliebe zu Österreich ist in allen seinen Werken zu lesen.


    Ich liebe diesen Autor, Holzfällen habe ich mit Vergnügen gelesen. Allerdings bevorzuge ich seine Dramen, allen voran Heldenplatz und (mein absoluter Favorit) Der Theatermacher :anbet

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Hallo zusammen, hallo taciturus,


    Ich habe grundsätzlich große Probleme mit Bernhards Prosa. Das liegt vor allem an dem, was du treffend als

    Zitat

    Refrainartige Wiederholungen bestimmter Phrasen


    beschreibst.
    So sehr es mich aber in seiner Prosa anstrengt, ja fast nervt, so sehr liebe ich dieses Stimittel in seinen Dramen. Ich kann mich Alice also nur anschließen und mich als Fan seiner Bühnenstücke outen - wenn ich auch andere Favoriten habe ("Heldenplatz" kenne ich dabei noch nicht), nämlich "Vor dem Ruhestand" und "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen".
    Ich wollte mich bei allen Vorbehalten nicht bis auf alle Zeiten der Prosa Bernhards verweigern (brauche nur immer mal wieder eine Pause von ihr) und bin aufgrund deiner sehr positiven Besprechung nun doch fast geneigt Holzfällen die nächste Chance zu geben. Oder hast du noch einen anderen Tip?


    Herzlich, B.

  • Von Bernhards Autobiographie habe ich bisher nur den ersten Teil "Ein Kind" gelesen. Und dabei wird es auch bleiben. Was mir in den anderen Werken gefällt und mich amüsiert, nervte mich hier sehr: seine Wehleidigkeit, sein Herummäkeln an allem und jedem und seine negative Weltsicht.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich habe Holzfällen beendet und stehe Bernhard kritisch, schmunzelnd aber auch sehr angeregt gegenüber. Bernhards Texte sind eigentlich immer aktuell, egal in welche Zeit man sie liest. Das finde ich einfach hervorragend.


    Holzfällen hat mich nun besonders angezogen, weil ich in Kilb, der Ortschaft in der Joana aufgewachsen ist und in der sie sich umgebracht hat, geboren und aufgewachsen bin. Aber das ist wohl eher mein persönlicher Zugang zu diesem Buch :-)

  • Hab das Buch heute zu Ende gelesen.
    Mich haben anfangs mehr, später dann etwas weniger, aber generell doch, diese Wiederholungen gestört. Es sind weniger nur die Wortwiederholungen; er wiederholt einfach alles. Sätze wie Inhalt. Ließe man die Wiederholungen weg, wäre das Buch um mindestens die Hälfte dünner.
    Gut, dann wäre das Buch schneller aus und das wäre vielleicht auch nicht ganz im Sinne des Lesers.
    Was mir gefallen hat, das sind diese Teilinformationen, die ein anderes Bild ergeben, als die ganze Information. Man bildet sich eine Meinung auf Grund dessen, was er erzählt, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Die sieht dann schon wieder ganz anders aus. Auch sagt er nicht, es ist so, er sagt, das denkt er, dass es so ist. Was für ein Unterschied.
    Mit welch einem kritischen Blick Thomas Bernhard an die österreichische Gesellschaft herangeht, kann ich schlecht beurteilen; ich unterstelle ihm einfach mit einem zugepetzten Auge. Jedenfalls macht es auf mich einen gelungenen Eindruck.
    Es ist eine Erregung, wie der Autor selbst sagt.
    Genauso wie ich vor Kurzen einen polnischen Rap (Dorota Maslowska) gelesen habe, habe ich jetzt eine österreichische Erregung gelesen. Beides gerne.
    Es hat mich nicht dümmer werden lassen.